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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.

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Zur Revision inanchesterlicher Lehren.
(Schluß.)
7.

cum nach allein, was ich angeführt habe, die Arbeiter wenig
Aussicht haben, ihr Verhältnis zum Unternehmer durch Ver¬
minderung ihres Angebotes zu bessern, so entsteht die Frage, ob
dies nicht in andrer, vielleicht in ähnlicher Weise geschehen könne,
wie wir es beim Kapitalisten beobachtet haben, d. h. dadurch,
daß sie in ein Assoziativnsverhältuis zum Unternehmer treten.

Wenn matt von Verbesserung des Loses der arbeitenden Klassen spricht,
so ist mit allen denjenigen nicht zu rechten, deren Phantasie von einer völligen
Gleichheit der wirtschaftlichen Lage aller Menschen träumt. Selbst die Se. Si-
monisten gingen doch nur soweit, die Verteilung des erzeugten Reichtums nach
Fähigkeit und Fleiß eines Jeden zu verlangen: Ä e.wuzu'uir selcin Sö, oax^önö
et ^ eliÄMö <zg,xg,<zit,"z srnvaut 8öL cvuvrks. Diese argen Doktrinäre sahen jedoch
bald ein, daß ihr System in kurzer Zeit zu den schreiendsten Ungleichheiten
führen würde, weil unter den Menschen nichts so verschieden ist als Fähigkeit
und Fleiß. Ihre Schule hat sich daher auch bald auf die Forderung einer
gerechteren Verteilung des Prvduktionsgewinnes beschränkt und dazu mehr oder
weniger radikale Mittel, bis zur gänzlichen Abschaffung des Privateigentums,
vorgeschlagen. Lassalle empfahl einfach die Konfiskation des Unternehmer¬
gewinns, als ob derjenige, der der geistige Urheber einer Produktion ist, nicht
anch seines Lohnes würdig wäre. Auch bei diesem scharfen Denker -- dies sei
im Vorübergehen bemerkt -- sieht man, zu welchen Irrtümern es führt, wenn
man als Elemente der Produktion nur Kapital und Arbeit betrachtet, ohne zu
bedeuten, daß sie wie die Kometen unstät im Raume herumirren würden, wenn
sie nicht vom Unternehmer Zweck und Bestimmung erhielten.

Ich will und kann mich nicht auf eine Kritik der verschiedenen sozialistischen
Systeme einlassen, sondern will nur bemerken, daß auf solchen Wegen aus sehr
einfachen und naheliegenden Gründen niemals das erstrebte Ziel zu erreichen
sein wird, selbst wenn man mit alleil unsern staatlichen und gesellschaftlichen
Einrichtungen und Ordnungen vollständig aufräumen wollte und könnte. Denn
die unendliche Mehrzahl der Menschen wird niemals auf die Dauer zugeben
oder dulden, daß ihnen die Frucht ihrer Gedanken, ihrer Arbeit und Anstrengung,


Zur Revision inanchesterlicher Lehren.
(Schluß.)
7.

cum nach allein, was ich angeführt habe, die Arbeiter wenig
Aussicht haben, ihr Verhältnis zum Unternehmer durch Ver¬
minderung ihres Angebotes zu bessern, so entsteht die Frage, ob
dies nicht in andrer, vielleicht in ähnlicher Weise geschehen könne,
wie wir es beim Kapitalisten beobachtet haben, d. h. dadurch,
daß sie in ein Assoziativnsverhältuis zum Unternehmer treten.

Wenn matt von Verbesserung des Loses der arbeitenden Klassen spricht,
so ist mit allen denjenigen nicht zu rechten, deren Phantasie von einer völligen
Gleichheit der wirtschaftlichen Lage aller Menschen träumt. Selbst die Se. Si-
monisten gingen doch nur soweit, die Verteilung des erzeugten Reichtums nach
Fähigkeit und Fleiß eines Jeden zu verlangen: Ä e.wuzu'uir selcin Sö, oax^önö
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bald ein, daß ihr System in kurzer Zeit zu den schreiendsten Ungleichheiten
führen würde, weil unter den Menschen nichts so verschieden ist als Fähigkeit
und Fleiß. Ihre Schule hat sich daher auch bald auf die Forderung einer
gerechteren Verteilung des Prvduktionsgewinnes beschränkt und dazu mehr oder
weniger radikale Mittel, bis zur gänzlichen Abschaffung des Privateigentums,
vorgeschlagen. Lassalle empfahl einfach die Konfiskation des Unternehmer¬
gewinns, als ob derjenige, der der geistige Urheber einer Produktion ist, nicht
anch seines Lohnes würdig wäre. Auch bei diesem scharfen Denker — dies sei
im Vorübergehen bemerkt — sieht man, zu welchen Irrtümern es führt, wenn
man als Elemente der Produktion nur Kapital und Arbeit betrachtet, ohne zu
bedeuten, daß sie wie die Kometen unstät im Raume herumirren würden, wenn
sie nicht vom Unternehmer Zweck und Bestimmung erhielten.

Ich will und kann mich nicht auf eine Kritik der verschiedenen sozialistischen
Systeme einlassen, sondern will nur bemerken, daß auf solchen Wegen aus sehr
einfachen und naheliegenden Gründen niemals das erstrebte Ziel zu erreichen
sein wird, selbst wenn man mit alleil unsern staatlichen und gesellschaftlichen
Einrichtungen und Ordnungen vollständig aufräumen wollte und könnte. Denn
die unendliche Mehrzahl der Menschen wird niemals auf die Dauer zugeben
oder dulden, daß ihnen die Frucht ihrer Gedanken, ihrer Arbeit und Anstrengung,


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[0564] Zur Revision inanchesterlicher Lehren. (Schluß.) 7. cum nach allein, was ich angeführt habe, die Arbeiter wenig Aussicht haben, ihr Verhältnis zum Unternehmer durch Ver¬ minderung ihres Angebotes zu bessern, so entsteht die Frage, ob dies nicht in andrer, vielleicht in ähnlicher Weise geschehen könne, wie wir es beim Kapitalisten beobachtet haben, d. h. dadurch, daß sie in ein Assoziativnsverhältuis zum Unternehmer treten. Wenn matt von Verbesserung des Loses der arbeitenden Klassen spricht, so ist mit allen denjenigen nicht zu rechten, deren Phantasie von einer völligen Gleichheit der wirtschaftlichen Lage aller Menschen träumt. Selbst die Se. Si- monisten gingen doch nur soweit, die Verteilung des erzeugten Reichtums nach Fähigkeit und Fleiß eines Jeden zu verlangen: Ä e.wuzu'uir selcin Sö, oax^önö et ^ eliÄMö <zg,xg,<zit,«z srnvaut 8öL cvuvrks. Diese argen Doktrinäre sahen jedoch bald ein, daß ihr System in kurzer Zeit zu den schreiendsten Ungleichheiten führen würde, weil unter den Menschen nichts so verschieden ist als Fähigkeit und Fleiß. Ihre Schule hat sich daher auch bald auf die Forderung einer gerechteren Verteilung des Prvduktionsgewinnes beschränkt und dazu mehr oder weniger radikale Mittel, bis zur gänzlichen Abschaffung des Privateigentums, vorgeschlagen. Lassalle empfahl einfach die Konfiskation des Unternehmer¬ gewinns, als ob derjenige, der der geistige Urheber einer Produktion ist, nicht anch seines Lohnes würdig wäre. Auch bei diesem scharfen Denker — dies sei im Vorübergehen bemerkt — sieht man, zu welchen Irrtümern es führt, wenn man als Elemente der Produktion nur Kapital und Arbeit betrachtet, ohne zu bedeuten, daß sie wie die Kometen unstät im Raume herumirren würden, wenn sie nicht vom Unternehmer Zweck und Bestimmung erhielten. Ich will und kann mich nicht auf eine Kritik der verschiedenen sozialistischen Systeme einlassen, sondern will nur bemerken, daß auf solchen Wegen aus sehr einfachen und naheliegenden Gründen niemals das erstrebte Ziel zu erreichen sein wird, selbst wenn man mit alleil unsern staatlichen und gesellschaftlichen Einrichtungen und Ordnungen vollständig aufräumen wollte und könnte. Denn die unendliche Mehrzahl der Menschen wird niemals auf die Dauer zugeben oder dulden, daß ihnen die Frucht ihrer Gedanken, ihrer Arbeit und Anstrengung,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/564>, abgerufen am 01.05.2024.