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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.

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Die Verwaltungsgerichtsbarkeit in Preußen.
von Aarl paroy.

L-ÜNK roixudlioiw suproma. Isx ostn.

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ssKAhG
'ÄMö
MUMZ^
WM

it einer der bedeutenderen politischen Zeitungen waren neulich
folgende Sätze zu lesen:

1. Das Wort "Verwaltungsgericht" enthält einen Widerspruch
in sich selbst, denn eine Verwaltungsbehörde kann nicht richten, und
ein Gericht kann nicht verwalten.

2> Die Verwaltungsgerichtsbarkcit ist ein modernes, lediglich aus theoretischen
Erwägungen hervorgegangenes Produkt unpraktischer Gelehrsamkeit.

3. Auch in Fragen des öffentlichen Rechtes muß der sogenannte ordentliche
Richter zuständig sein, sodaß für die Verwaltungsgerichte kein Raum weiter bleibt.

Diese drei Sätze müssen einer gesonderten Betrachtung schon deshalb unter¬
zogen werden, weil sie durchaus verschiednen Ursprunges sind, denn der erste
soll von einem großen Staatsmanne herrühren, wird aber wohl -- wie am
Schlüsse dieser Betrachtung gezeigt werden soll -- etwas anders gelautet haben
oder doch etwas anders zu verstehen sein; der zweite ist ein Zusatz von Nicht-
kennern und bedarf in der Hauptsache der Berichtigung, und der dritte kann
unter Umständen als eine Konsequenz des ersten angesehen werden, jedenfalls
aber hat man seinen Ursprung in dem ersten zu suchen; beide stehen und fallen
miteinander.

Der erste Satz beruht auf einer schlichten und natürlichen Wahrheit,
welche nur durch eine langjährige Übung entgegenstehender Anschauungen ver¬
dunkelt worden ist. Diese Wahrheit entspricht -- obwohl sie in unserm Zeit¬
alter nicht mehr aufrecht zu erhalten ist -- so sehr unsrer vaterländischen Ge¬
schichte und demi tiefeingewurzclten Rechtsbewußtsein der regierten Bevölkerung,
daß ein Verständnis für das Wesen und die Aufgabe der Verwaltungsgerichte
auch jetzt noch nur bei einer verhältnismäßig kleinen Zahl von Sachverstän¬
digen gesunden wird. Vielfach hört man selbst von Leuten, denen man nach
ihrer Lebensstellung wohl eine gute Einsicht in die öffentlichen Angelegenheiten
zutrauen sollte, die Fragen aufwerfen: Was ist denn eigentlich ein Verwaltungs¬
gericht, was sind das für Sachen, über welche dort Recht gesprochen wird,
warum können denn diese nicht ebenfalls bei dem Amtsgerichte oder Landgerichte
erledigt werden? und staunend steht der rechtsuchende Staatsbürger da, wenn
ihm nach langwierigem Prozessiren eröffnet wird, daß er bei dem Amtsrichter


Die Verwaltungsgerichtsbarkeit in Preußen.
von Aarl paroy.

L-ÜNK roixudlioiw suproma. Isx ostn.

^^
ssKAhG
'ÄMö
MUMZ^
WM

it einer der bedeutenderen politischen Zeitungen waren neulich
folgende Sätze zu lesen:

1. Das Wort „Verwaltungsgericht" enthält einen Widerspruch
in sich selbst, denn eine Verwaltungsbehörde kann nicht richten, und
ein Gericht kann nicht verwalten.

2> Die Verwaltungsgerichtsbarkcit ist ein modernes, lediglich aus theoretischen
Erwägungen hervorgegangenes Produkt unpraktischer Gelehrsamkeit.

3. Auch in Fragen des öffentlichen Rechtes muß der sogenannte ordentliche
Richter zuständig sein, sodaß für die Verwaltungsgerichte kein Raum weiter bleibt.

Diese drei Sätze müssen einer gesonderten Betrachtung schon deshalb unter¬
zogen werden, weil sie durchaus verschiednen Ursprunges sind, denn der erste
soll von einem großen Staatsmanne herrühren, wird aber wohl — wie am
Schlüsse dieser Betrachtung gezeigt werden soll — etwas anders gelautet haben
oder doch etwas anders zu verstehen sein; der zweite ist ein Zusatz von Nicht-
kennern und bedarf in der Hauptsache der Berichtigung, und der dritte kann
unter Umständen als eine Konsequenz des ersten angesehen werden, jedenfalls
aber hat man seinen Ursprung in dem ersten zu suchen; beide stehen und fallen
miteinander.

Der erste Satz beruht auf einer schlichten und natürlichen Wahrheit,
welche nur durch eine langjährige Übung entgegenstehender Anschauungen ver¬
dunkelt worden ist. Diese Wahrheit entspricht — obwohl sie in unserm Zeit¬
alter nicht mehr aufrecht zu erhalten ist — so sehr unsrer vaterländischen Ge¬
schichte und demi tiefeingewurzclten Rechtsbewußtsein der regierten Bevölkerung,
daß ein Verständnis für das Wesen und die Aufgabe der Verwaltungsgerichte
auch jetzt noch nur bei einer verhältnismäßig kleinen Zahl von Sachverstän¬
digen gesunden wird. Vielfach hört man selbst von Leuten, denen man nach
ihrer Lebensstellung wohl eine gute Einsicht in die öffentlichen Angelegenheiten
zutrauen sollte, die Fragen aufwerfen: Was ist denn eigentlich ein Verwaltungs¬
gericht, was sind das für Sachen, über welche dort Recht gesprochen wird,
warum können denn diese nicht ebenfalls bei dem Amtsgerichte oder Landgerichte
erledigt werden? und staunend steht der rechtsuchende Staatsbürger da, wenn
ihm nach langwierigem Prozessiren eröffnet wird, daß er bei dem Amtsrichter


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[0082] Die Verwaltungsgerichtsbarkeit in Preußen. von Aarl paroy. L-ÜNK roixudlioiw suproma. Isx ostn. ^^ ssKAhG 'ÄMö MUMZ^ WM it einer der bedeutenderen politischen Zeitungen waren neulich folgende Sätze zu lesen: 1. Das Wort „Verwaltungsgericht" enthält einen Widerspruch in sich selbst, denn eine Verwaltungsbehörde kann nicht richten, und ein Gericht kann nicht verwalten. 2> Die Verwaltungsgerichtsbarkcit ist ein modernes, lediglich aus theoretischen Erwägungen hervorgegangenes Produkt unpraktischer Gelehrsamkeit. 3. Auch in Fragen des öffentlichen Rechtes muß der sogenannte ordentliche Richter zuständig sein, sodaß für die Verwaltungsgerichte kein Raum weiter bleibt. Diese drei Sätze müssen einer gesonderten Betrachtung schon deshalb unter¬ zogen werden, weil sie durchaus verschiednen Ursprunges sind, denn der erste soll von einem großen Staatsmanne herrühren, wird aber wohl — wie am Schlüsse dieser Betrachtung gezeigt werden soll — etwas anders gelautet haben oder doch etwas anders zu verstehen sein; der zweite ist ein Zusatz von Nicht- kennern und bedarf in der Hauptsache der Berichtigung, und der dritte kann unter Umständen als eine Konsequenz des ersten angesehen werden, jedenfalls aber hat man seinen Ursprung in dem ersten zu suchen; beide stehen und fallen miteinander. Der erste Satz beruht auf einer schlichten und natürlichen Wahrheit, welche nur durch eine langjährige Übung entgegenstehender Anschauungen ver¬ dunkelt worden ist. Diese Wahrheit entspricht — obwohl sie in unserm Zeit¬ alter nicht mehr aufrecht zu erhalten ist — so sehr unsrer vaterländischen Ge¬ schichte und demi tiefeingewurzclten Rechtsbewußtsein der regierten Bevölkerung, daß ein Verständnis für das Wesen und die Aufgabe der Verwaltungsgerichte auch jetzt noch nur bei einer verhältnismäßig kleinen Zahl von Sachverstän¬ digen gesunden wird. Vielfach hört man selbst von Leuten, denen man nach ihrer Lebensstellung wohl eine gute Einsicht in die öffentlichen Angelegenheiten zutrauen sollte, die Fragen aufwerfen: Was ist denn eigentlich ein Verwaltungs¬ gericht, was sind das für Sachen, über welche dort Recht gesprochen wird, warum können denn diese nicht ebenfalls bei dem Amtsgerichte oder Landgerichte erledigt werden? und staunend steht der rechtsuchende Staatsbürger da, wenn ihm nach langwierigem Prozessiren eröffnet wird, daß er bei dem Amtsrichter

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/82>, abgerufen am 30.04.2024.