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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal.

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Um eine perle.

Ma: befand sich wiederum nur erst in einem Vorraum, in einem großen,
fast leeren, matterleuchtetem Zimmer.

Eufemia lauschte nach rechts.

Das Fräulein ist noch bei ihrer Abendandacht, flüsterte sie, Gott hat es
so gewollt.

Geh hinein!

Während der Andacht? Eecellenza!

Auf der Stelle, aber laß die Thür offen, und wenn du das Frünlciu nicht
am Hilferufen verhinderst, bist du des Todes.

Wer kommt? hörte Giuseppe eine schwache Stimme im Nebengemach, Flo-
ridas Stimme, von der Krankheit noch matt und klanglos.

Thränen entstürzten seinen Angen, er warf Degen und Mantel von sich,
drängte Eufemin, welche eben die Thür behutsam öffnete, auf die Seite, sah
Florida am andern Ende des Zimmers vor ihrem Betpult knieen und lag im
nächsten Augenblicke zu ihren Füßen.




Neunzehntes 'Kapitel.

Sie hatte aufschreien wollen, vor Schreck, vor Angst, vor Freude -- aber
ihre Stimme hatte versagt, fast ohnmächtig sank sie in die Arme Ginscppes.

Keines von beiden redete, sie hielten sich umschlungen und hatten die Welt
ringsum vergessen.

Mit gefalteten Händen stand die Friaulerin an der Thür. Hinter ihr
drohte am Boden der blanke Degen. Vor ihr, unter der goldnen dreiarmigen
Ampel, welche über dem Gebetpnlt und dem darauf stehenden Bilde der N^lor
cloloroM schwebte, von dem Flackcrlichte der offen brennenden drei Flämmchen
spukhaft beleuchtet, trotzten die liebend Umschlungenen in verblendeter Leiden¬
schaft dem Zorn des Himmels wie dem Hansrechte des Gebieters dieser Räume.
Aufgeblättert am Boden lag das kleine Gebetbuch Floridas, der eine der elfen¬
beinernen Deckel desselben hatte sich im Fallen zur Hülste abgelöst, Hciligen-
bildchcn, wie sie lose zwischen den Blättern zu liegen pflegten, waren heraus¬
gefallen, und niemand nahm sie auf -- alles hatte plötzlich seine ehrwürdige
Bedeutung eingebüßt, war nur noch schlechter Plunder! Kein Wunder, mur¬
melte Eufemia zitternd in sich hinein, wenn das Schwert, welches die Brust
der Gottesmutter durchbohrte, die Züge der Gebenedeiten heute mit heftigeren
Schmerzensznckungeu erfüllt, als ich je gesehen habe.

Wo bin ich? stammelte Florida endlich, indem die über sie gekommene Be¬
täubung allmählich einem Dämmern des Bewußtseins wich. Sie versuchte ihr
Haupt anzurichten, und als Giuseppes Hände ihr sanft unterstützend zu Hilfe
kamen, rief sie: O bei ihm! Bei ihm! Bei dem Geliebten!

Giuseppe schloß ihr mit einem Kusse die Lippen. Dann sah er sich nach
Enfemia um. Gieb ans dem Korridor Acht, ob niemand uns bemerken wird,
raunte er ihr zu.

Sie wollte wenigstens noch erst das Gebetbuch und die Heiligenbilder auf¬
heben, aber seine Blicke jagten ihr das Blut aus den Wangen; so rasch sie es
vermochte, gehorchte sie, wenn auch mit Händeringen und schwerem Stöhnen.

Als sie hinaus war, erhob er sich hastig ans der knieenden Stellung und
riß die von ihm noch fest Umschlnngene mit empor.


Um eine perle.

Ma: befand sich wiederum nur erst in einem Vorraum, in einem großen,
fast leeren, matterleuchtetem Zimmer.

Eufemia lauschte nach rechts.

Das Fräulein ist noch bei ihrer Abendandacht, flüsterte sie, Gott hat es
so gewollt.

Geh hinein!

Während der Andacht? Eecellenza!

Auf der Stelle, aber laß die Thür offen, und wenn du das Frünlciu nicht
am Hilferufen verhinderst, bist du des Todes.

Wer kommt? hörte Giuseppe eine schwache Stimme im Nebengemach, Flo-
ridas Stimme, von der Krankheit noch matt und klanglos.

Thränen entstürzten seinen Angen, er warf Degen und Mantel von sich,
drängte Eufemin, welche eben die Thür behutsam öffnete, auf die Seite, sah
Florida am andern Ende des Zimmers vor ihrem Betpult knieen und lag im
nächsten Augenblicke zu ihren Füßen.




Neunzehntes 'Kapitel.

Sie hatte aufschreien wollen, vor Schreck, vor Angst, vor Freude — aber
ihre Stimme hatte versagt, fast ohnmächtig sank sie in die Arme Ginscppes.

Keines von beiden redete, sie hielten sich umschlungen und hatten die Welt
ringsum vergessen.

Mit gefalteten Händen stand die Friaulerin an der Thür. Hinter ihr
drohte am Boden der blanke Degen. Vor ihr, unter der goldnen dreiarmigen
Ampel, welche über dem Gebetpnlt und dem darauf stehenden Bilde der N^lor
cloloroM schwebte, von dem Flackcrlichte der offen brennenden drei Flämmchen
spukhaft beleuchtet, trotzten die liebend Umschlungenen in verblendeter Leiden¬
schaft dem Zorn des Himmels wie dem Hansrechte des Gebieters dieser Räume.
Aufgeblättert am Boden lag das kleine Gebetbuch Floridas, der eine der elfen¬
beinernen Deckel desselben hatte sich im Fallen zur Hülste abgelöst, Hciligen-
bildchcn, wie sie lose zwischen den Blättern zu liegen pflegten, waren heraus¬
gefallen, und niemand nahm sie auf — alles hatte plötzlich seine ehrwürdige
Bedeutung eingebüßt, war nur noch schlechter Plunder! Kein Wunder, mur¬
melte Eufemia zitternd in sich hinein, wenn das Schwert, welches die Brust
der Gottesmutter durchbohrte, die Züge der Gebenedeiten heute mit heftigeren
Schmerzensznckungeu erfüllt, als ich je gesehen habe.

Wo bin ich? stammelte Florida endlich, indem die über sie gekommene Be¬
täubung allmählich einem Dämmern des Bewußtseins wich. Sie versuchte ihr
Haupt anzurichten, und als Giuseppes Hände ihr sanft unterstützend zu Hilfe
kamen, rief sie: O bei ihm! Bei ihm! Bei dem Geliebten!

Giuseppe schloß ihr mit einem Kusse die Lippen. Dann sah er sich nach
Enfemia um. Gieb ans dem Korridor Acht, ob niemand uns bemerken wird,
raunte er ihr zu.

Sie wollte wenigstens noch erst das Gebetbuch und die Heiligenbilder auf¬
heben, aber seine Blicke jagten ihr das Blut aus den Wangen; so rasch sie es
vermochte, gehorchte sie, wenn auch mit Händeringen und schwerem Stöhnen.

Als sie hinaus war, erhob er sich hastig ans der knieenden Stellung und
riß die von ihm noch fest Umschlnngene mit empor.


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[0273] Um eine perle. Ma: befand sich wiederum nur erst in einem Vorraum, in einem großen, fast leeren, matterleuchtetem Zimmer. Eufemia lauschte nach rechts. Das Fräulein ist noch bei ihrer Abendandacht, flüsterte sie, Gott hat es so gewollt. Geh hinein! Während der Andacht? Eecellenza! Auf der Stelle, aber laß die Thür offen, und wenn du das Frünlciu nicht am Hilferufen verhinderst, bist du des Todes. Wer kommt? hörte Giuseppe eine schwache Stimme im Nebengemach, Flo- ridas Stimme, von der Krankheit noch matt und klanglos. Thränen entstürzten seinen Angen, er warf Degen und Mantel von sich, drängte Eufemin, welche eben die Thür behutsam öffnete, auf die Seite, sah Florida am andern Ende des Zimmers vor ihrem Betpult knieen und lag im nächsten Augenblicke zu ihren Füßen. Neunzehntes 'Kapitel. Sie hatte aufschreien wollen, vor Schreck, vor Angst, vor Freude — aber ihre Stimme hatte versagt, fast ohnmächtig sank sie in die Arme Ginscppes. Keines von beiden redete, sie hielten sich umschlungen und hatten die Welt ringsum vergessen. Mit gefalteten Händen stand die Friaulerin an der Thür. Hinter ihr drohte am Boden der blanke Degen. Vor ihr, unter der goldnen dreiarmigen Ampel, welche über dem Gebetpnlt und dem darauf stehenden Bilde der N^lor cloloroM schwebte, von dem Flackcrlichte der offen brennenden drei Flämmchen spukhaft beleuchtet, trotzten die liebend Umschlungenen in verblendeter Leiden¬ schaft dem Zorn des Himmels wie dem Hansrechte des Gebieters dieser Räume. Aufgeblättert am Boden lag das kleine Gebetbuch Floridas, der eine der elfen¬ beinernen Deckel desselben hatte sich im Fallen zur Hülste abgelöst, Hciligen- bildchcn, wie sie lose zwischen den Blättern zu liegen pflegten, waren heraus¬ gefallen, und niemand nahm sie auf — alles hatte plötzlich seine ehrwürdige Bedeutung eingebüßt, war nur noch schlechter Plunder! Kein Wunder, mur¬ melte Eufemia zitternd in sich hinein, wenn das Schwert, welches die Brust der Gottesmutter durchbohrte, die Züge der Gebenedeiten heute mit heftigeren Schmerzensznckungeu erfüllt, als ich je gesehen habe. Wo bin ich? stammelte Florida endlich, indem die über sie gekommene Be¬ täubung allmählich einem Dämmern des Bewußtseins wich. Sie versuchte ihr Haupt anzurichten, und als Giuseppes Hände ihr sanft unterstützend zu Hilfe kamen, rief sie: O bei ihm! Bei ihm! Bei dem Geliebten! Giuseppe schloß ihr mit einem Kusse die Lippen. Dann sah er sich nach Enfemia um. Gieb ans dem Korridor Acht, ob niemand uns bemerken wird, raunte er ihr zu. Sie wollte wenigstens noch erst das Gebetbuch und die Heiligenbilder auf¬ heben, aber seine Blicke jagten ihr das Blut aus den Wangen; so rasch sie es vermochte, gehorchte sie, wenn auch mit Händeringen und schwerem Stöhnen. Als sie hinaus war, erhob er sich hastig ans der knieenden Stellung und riß die von ihm noch fest Umschlnngene mit empor.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_195390/273>, abgerufen am 03.05.2024.