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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal.

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Um eine Perle.

Fünf Tage von den siebzehn Fristtagen waren über diese Verhandlungen
schon verstrichen. In zwölf Tagen von Mantua nach Rom und von Rom
wieder zurück nach Mantua zu gelangen, konnte in jener Zeit für keine ganz
geringe Leistung gelten, denn nur ein Teil des Weges hatte gut geebnete
Straßen; an Näubervolk und bewaffneten Wegelagerern war auch kein Mangel,
und kamen gar noch elementare Ereignisse störend dazu -- Austreten von
Flüsse", Wegtreiben von Brücken und ähnliches --, so hatte die päpstliche Bot¬
schaft keine Aussicht, zur rechten Zeit nach Mantua zu gelangen.

Auch ist wahrscheinlich nie ein Sendling, um jenes Breve herbeizuschaffen,
von dem Legaten an den Papst abgefertigt worden; konnte der menschenkundige
Mann sich doch sagen, daß der erste, nun von Florida gethane Schritt unter
dem Druck der wachsenden Beängstigung die weiteren Schritte schon von selbst
nach sich ziehen werde, und daß es nur darauf ankomme, ihre spröde Natur
sich nach und nach in die neue Lage finden zu lassen.




Linundzwanzigstes Aapitel.

So standen die Sachen, als Florida durch einen Traum in große Ver¬
wirrung gestürzt wurde, in noch größere, als ihre gemarterte Seele, angesichts
des Zwiespalts zwischen der Liebe zu ihrem Vater und dem Schmerze um den
von ihm Erschlagenen, schon empfand.

Ihr träumte -- und offenbar rekapitulirte ihr Geist in diesem Traume die
ihr unverständlich gebliebenen Teile so mancher Rede des päpstlichen Legaten --
ihr träumte, wenige Schritte von ihrem Bette entfernt halte der heilige Aloysius
von Gouzagci Zwiesprache mit der heiligen Agata. Er hatte einen langen, weißen
Bart, ritt einen feurigen, immer mit dem rechten Vorderfuße scharrenden Rappen
und sagte, er habe als voraussichtlich dereinstige Schutzpatron von Mantua seit
geraumer Zeit lebhafte Betrübnis über die Unkirchlichkeit und die weltliche
Prunksucht der regierenden Gonzagas empfunden, nicht minder über das wüste
Leben der entarteten Seitenzweige dieses einst so ruhmwürdigen Geschlechts; er
halte in seinem Herzen darum zu den ganz anders gearteten Buonacolsis und
zürne der Tochter Marcellos, daß sie, die doch offenbar durch teuflische Ver¬
zauberung in die Schlinge des Veronesers geraten sei, diese Quelle ihrer frevel¬
haften Bethörung nicht eingestehen wolle. Als Schutzpatronin der Jungfrauen
sowie der Malteser wollte dagegen Sand' Agata, welche ein weißes Lämmlein
an einem silberdnrchwnkten Bande führte und wie die Herzensgüte selbst aus¬
sah, sowohl Florida wie ihren Entführer, der ja dem Malteserorden angehöre, mit
Nachsicht beurteilt wisse". Sie erwartete zwar auch, daß der alte Marcello
durch einen Widerruf seiner Tochter gerettet werde, wünschte aber, die Tochter
möge nicht für alle Folgezeit der Gewissensbedrängnis preisgegeben werden,


Um eine Perle.

Fünf Tage von den siebzehn Fristtagen waren über diese Verhandlungen
schon verstrichen. In zwölf Tagen von Mantua nach Rom und von Rom
wieder zurück nach Mantua zu gelangen, konnte in jener Zeit für keine ganz
geringe Leistung gelten, denn nur ein Teil des Weges hatte gut geebnete
Straßen; an Näubervolk und bewaffneten Wegelagerern war auch kein Mangel,
und kamen gar noch elementare Ereignisse störend dazu — Austreten von
Flüsse», Wegtreiben von Brücken und ähnliches —, so hatte die päpstliche Bot¬
schaft keine Aussicht, zur rechten Zeit nach Mantua zu gelangen.

Auch ist wahrscheinlich nie ein Sendling, um jenes Breve herbeizuschaffen,
von dem Legaten an den Papst abgefertigt worden; konnte der menschenkundige
Mann sich doch sagen, daß der erste, nun von Florida gethane Schritt unter
dem Druck der wachsenden Beängstigung die weiteren Schritte schon von selbst
nach sich ziehen werde, und daß es nur darauf ankomme, ihre spröde Natur
sich nach und nach in die neue Lage finden zu lassen.




Linundzwanzigstes Aapitel.

So standen die Sachen, als Florida durch einen Traum in große Ver¬
wirrung gestürzt wurde, in noch größere, als ihre gemarterte Seele, angesichts
des Zwiespalts zwischen der Liebe zu ihrem Vater und dem Schmerze um den
von ihm Erschlagenen, schon empfand.

Ihr träumte — und offenbar rekapitulirte ihr Geist in diesem Traume die
ihr unverständlich gebliebenen Teile so mancher Rede des päpstlichen Legaten —
ihr träumte, wenige Schritte von ihrem Bette entfernt halte der heilige Aloysius
von Gouzagci Zwiesprache mit der heiligen Agata. Er hatte einen langen, weißen
Bart, ritt einen feurigen, immer mit dem rechten Vorderfuße scharrenden Rappen
und sagte, er habe als voraussichtlich dereinstige Schutzpatron von Mantua seit
geraumer Zeit lebhafte Betrübnis über die Unkirchlichkeit und die weltliche
Prunksucht der regierenden Gonzagas empfunden, nicht minder über das wüste
Leben der entarteten Seitenzweige dieses einst so ruhmwürdigen Geschlechts; er
halte in seinem Herzen darum zu den ganz anders gearteten Buonacolsis und
zürne der Tochter Marcellos, daß sie, die doch offenbar durch teuflische Ver¬
zauberung in die Schlinge des Veronesers geraten sei, diese Quelle ihrer frevel¬
haften Bethörung nicht eingestehen wolle. Als Schutzpatronin der Jungfrauen
sowie der Malteser wollte dagegen Sand' Agata, welche ein weißes Lämmlein
an einem silberdnrchwnkten Bande führte und wie die Herzensgüte selbst aus¬
sah, sowohl Florida wie ihren Entführer, der ja dem Malteserorden angehöre, mit
Nachsicht beurteilt wisse». Sie erwartete zwar auch, daß der alte Marcello
durch einen Widerruf seiner Tochter gerettet werde, wünschte aber, die Tochter
möge nicht für alle Folgezeit der Gewissensbedrängnis preisgegeben werden,


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[0378] Um eine Perle. Fünf Tage von den siebzehn Fristtagen waren über diese Verhandlungen schon verstrichen. In zwölf Tagen von Mantua nach Rom und von Rom wieder zurück nach Mantua zu gelangen, konnte in jener Zeit für keine ganz geringe Leistung gelten, denn nur ein Teil des Weges hatte gut geebnete Straßen; an Näubervolk und bewaffneten Wegelagerern war auch kein Mangel, und kamen gar noch elementare Ereignisse störend dazu — Austreten von Flüsse», Wegtreiben von Brücken und ähnliches —, so hatte die päpstliche Bot¬ schaft keine Aussicht, zur rechten Zeit nach Mantua zu gelangen. Auch ist wahrscheinlich nie ein Sendling, um jenes Breve herbeizuschaffen, von dem Legaten an den Papst abgefertigt worden; konnte der menschenkundige Mann sich doch sagen, daß der erste, nun von Florida gethane Schritt unter dem Druck der wachsenden Beängstigung die weiteren Schritte schon von selbst nach sich ziehen werde, und daß es nur darauf ankomme, ihre spröde Natur sich nach und nach in die neue Lage finden zu lassen. Linundzwanzigstes Aapitel. So standen die Sachen, als Florida durch einen Traum in große Ver¬ wirrung gestürzt wurde, in noch größere, als ihre gemarterte Seele, angesichts des Zwiespalts zwischen der Liebe zu ihrem Vater und dem Schmerze um den von ihm Erschlagenen, schon empfand. Ihr träumte — und offenbar rekapitulirte ihr Geist in diesem Traume die ihr unverständlich gebliebenen Teile so mancher Rede des päpstlichen Legaten — ihr träumte, wenige Schritte von ihrem Bette entfernt halte der heilige Aloysius von Gouzagci Zwiesprache mit der heiligen Agata. Er hatte einen langen, weißen Bart, ritt einen feurigen, immer mit dem rechten Vorderfuße scharrenden Rappen und sagte, er habe als voraussichtlich dereinstige Schutzpatron von Mantua seit geraumer Zeit lebhafte Betrübnis über die Unkirchlichkeit und die weltliche Prunksucht der regierenden Gonzagas empfunden, nicht minder über das wüste Leben der entarteten Seitenzweige dieses einst so ruhmwürdigen Geschlechts; er halte in seinem Herzen darum zu den ganz anders gearteten Buonacolsis und zürne der Tochter Marcellos, daß sie, die doch offenbar durch teuflische Ver¬ zauberung in die Schlinge des Veronesers geraten sei, diese Quelle ihrer frevel¬ haften Bethörung nicht eingestehen wolle. Als Schutzpatronin der Jungfrauen sowie der Malteser wollte dagegen Sand' Agata, welche ein weißes Lämmlein an einem silberdnrchwnkten Bande führte und wie die Herzensgüte selbst aus¬ sah, sowohl Florida wie ihren Entführer, der ja dem Malteserorden angehöre, mit Nachsicht beurteilt wisse». Sie erwartete zwar auch, daß der alte Marcello durch einen Widerruf seiner Tochter gerettet werde, wünschte aber, die Tochter möge nicht für alle Folgezeit der Gewissensbedrängnis preisgegeben werden,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_195390/378>, abgerufen am 03.05.2024.