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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal.

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Um eine Perle.

gegen ihren Geliebten gezeugt zu haben. Daß er ihr, was sie gegen'ihn aus¬
gesagt habe, im Jenseits nicht nachtrage, diese Beruhigung müsse ihr früher
oder später durch einen himmlischen Boten werden. Sonst gehe jener Wider¬
ruf über das Maß menschlicher, vor allem weiblicher Kräfte hinaus.!

Diesem Wunsche stimmte der Schutzpatron mit der Versicherung bei, was
in seinen Kräften stehe, solle zur Beruhigung des armen Fräuleins geschehen,
denn er wisse, daß sie eine fleißige Beterin sei, auch nicht wie so manche andre
Person über weltlichen Dingen das Kerzenspenden vergesse, worauf er seinem
ungeduldig scharrenden Rappen die Sporen gab und in eiuer Wolke von goldnem
Staube prächtig davousprcugte. Nach einer ehrerbietigen Berneignng gegen den
in der Wolke verschwindenden wandte sich nun die heilige Agata zu der Träu¬
mender, indem sie mit sanften Worten das soeben von ihnen als Gegenstand
ihrer Fürbitte für Florida beschlossene ihr klar machte, wobei am Halse des
Lämmleins ein hellklingendes Glöckchen die Worte der Heiligen mit freundlichen
Tönen begleitete. Die Träumende erwiederte dankbar, aber beklommen, sie habe
Engel bisher nie anders als auf Bildern und in Träumen gesehen; an
welchen Abzeichen sie einen solchen himmlischen Boten denn erkennen solle?
Hierauf antwortete die Heilige mit einem überirdischen Glänze in den Augen:
Du sahest und sprachest deren oft, ohne es zu ahnen. Sie dienen den Zwecken
der höchsten Liebe. Und ohne der Erstaunten Zeit zu neue" Fragen zu lassen,
fuhr sie fort: Suche nicht weiter in die Geheimnisse des Weltenlenkers einzu¬
dringen. Weil die Kinder dieser Erde körperliche Wesen sind, erscheint ihnen
die ganze Welt körperlich. Aber der Geist geht frei hindurch, und frei hin¬
durch, wie für den Gedanken keine räumliche Schranke besteht, gehen die Geister.
Sie setzte hinzu: Bereite dich in fleißigem Gebet auf die stumme Botschaft vor,
um die wir droben bitten werden, umso minder wird ihre Erscheinung dich
verwirren.

Die Worte der Heiligen waren leiser und immer leiser geworden, sie schien
verschwinden zu wollen. Der Träumender bemächtigte sich eine unsägliche Angst;
ach! rief sie, was kaun ich denn aber dazu thun, daß die Erscheinung mir
wirklich als solche zum Bewußtsein kommt?

Die Heilige machte eine unverständliche Handbewegung und dann war sie
samt ihren: weißen Lämmchen verschwunden. Auf eine flüchtige Sekunde zeigte
sich aber an der nämlichen Stelle eine lichtumflossene, weiß gekleidete Jünglings¬
gestalt mit geschlossenen, langbewimperteu Augen, und ihr war, als durchdringe
schon jetzt sie bei diesem Anblick ein Vorgefühl von dem tiefen Frieden, den
ihr einst dieselbe Lichterscheinung bereiten werde.

Florida erwachte. Sie hatte seit langem nicht so leichten Herzens die
Augen aufgeschlagen. Ich werde meinen Vater retten, jauchzte sie, und ein
himmlischer Bote wird als Zeichen, daß mein armer Freund mir verzieh, mir er¬
scheinen! Sie wiederholte sich alles Vernommene. Es ging, meinte sie, weit


Um eine Perle.

gegen ihren Geliebten gezeugt zu haben. Daß er ihr, was sie gegen'ihn aus¬
gesagt habe, im Jenseits nicht nachtrage, diese Beruhigung müsse ihr früher
oder später durch einen himmlischen Boten werden. Sonst gehe jener Wider¬
ruf über das Maß menschlicher, vor allem weiblicher Kräfte hinaus.!

Diesem Wunsche stimmte der Schutzpatron mit der Versicherung bei, was
in seinen Kräften stehe, solle zur Beruhigung des armen Fräuleins geschehen,
denn er wisse, daß sie eine fleißige Beterin sei, auch nicht wie so manche andre
Person über weltlichen Dingen das Kerzenspenden vergesse, worauf er seinem
ungeduldig scharrenden Rappen die Sporen gab und in eiuer Wolke von goldnem
Staube prächtig davousprcugte. Nach einer ehrerbietigen Berneignng gegen den
in der Wolke verschwindenden wandte sich nun die heilige Agata zu der Träu¬
mender, indem sie mit sanften Worten das soeben von ihnen als Gegenstand
ihrer Fürbitte für Florida beschlossene ihr klar machte, wobei am Halse des
Lämmleins ein hellklingendes Glöckchen die Worte der Heiligen mit freundlichen
Tönen begleitete. Die Träumende erwiederte dankbar, aber beklommen, sie habe
Engel bisher nie anders als auf Bildern und in Träumen gesehen; an
welchen Abzeichen sie einen solchen himmlischen Boten denn erkennen solle?
Hierauf antwortete die Heilige mit einem überirdischen Glänze in den Augen:
Du sahest und sprachest deren oft, ohne es zu ahnen. Sie dienen den Zwecken
der höchsten Liebe. Und ohne der Erstaunten Zeit zu neue» Fragen zu lassen,
fuhr sie fort: Suche nicht weiter in die Geheimnisse des Weltenlenkers einzu¬
dringen. Weil die Kinder dieser Erde körperliche Wesen sind, erscheint ihnen
die ganze Welt körperlich. Aber der Geist geht frei hindurch, und frei hin¬
durch, wie für den Gedanken keine räumliche Schranke besteht, gehen die Geister.
Sie setzte hinzu: Bereite dich in fleißigem Gebet auf die stumme Botschaft vor,
um die wir droben bitten werden, umso minder wird ihre Erscheinung dich
verwirren.

Die Worte der Heiligen waren leiser und immer leiser geworden, sie schien
verschwinden zu wollen. Der Träumender bemächtigte sich eine unsägliche Angst;
ach! rief sie, was kaun ich denn aber dazu thun, daß die Erscheinung mir
wirklich als solche zum Bewußtsein kommt?

Die Heilige machte eine unverständliche Handbewegung und dann war sie
samt ihren: weißen Lämmchen verschwunden. Auf eine flüchtige Sekunde zeigte
sich aber an der nämlichen Stelle eine lichtumflossene, weiß gekleidete Jünglings¬
gestalt mit geschlossenen, langbewimperteu Augen, und ihr war, als durchdringe
schon jetzt sie bei diesem Anblick ein Vorgefühl von dem tiefen Frieden, den
ihr einst dieselbe Lichterscheinung bereiten werde.

Florida erwachte. Sie hatte seit langem nicht so leichten Herzens die
Augen aufgeschlagen. Ich werde meinen Vater retten, jauchzte sie, und ein
himmlischer Bote wird als Zeichen, daß mein armer Freund mir verzieh, mir er¬
scheinen! Sie wiederholte sich alles Vernommene. Es ging, meinte sie, weit


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[0379] Um eine Perle. gegen ihren Geliebten gezeugt zu haben. Daß er ihr, was sie gegen'ihn aus¬ gesagt habe, im Jenseits nicht nachtrage, diese Beruhigung müsse ihr früher oder später durch einen himmlischen Boten werden. Sonst gehe jener Wider¬ ruf über das Maß menschlicher, vor allem weiblicher Kräfte hinaus.! Diesem Wunsche stimmte der Schutzpatron mit der Versicherung bei, was in seinen Kräften stehe, solle zur Beruhigung des armen Fräuleins geschehen, denn er wisse, daß sie eine fleißige Beterin sei, auch nicht wie so manche andre Person über weltlichen Dingen das Kerzenspenden vergesse, worauf er seinem ungeduldig scharrenden Rappen die Sporen gab und in eiuer Wolke von goldnem Staube prächtig davousprcugte. Nach einer ehrerbietigen Berneignng gegen den in der Wolke verschwindenden wandte sich nun die heilige Agata zu der Träu¬ mender, indem sie mit sanften Worten das soeben von ihnen als Gegenstand ihrer Fürbitte für Florida beschlossene ihr klar machte, wobei am Halse des Lämmleins ein hellklingendes Glöckchen die Worte der Heiligen mit freundlichen Tönen begleitete. Die Träumende erwiederte dankbar, aber beklommen, sie habe Engel bisher nie anders als auf Bildern und in Träumen gesehen; an welchen Abzeichen sie einen solchen himmlischen Boten denn erkennen solle? Hierauf antwortete die Heilige mit einem überirdischen Glänze in den Augen: Du sahest und sprachest deren oft, ohne es zu ahnen. Sie dienen den Zwecken der höchsten Liebe. Und ohne der Erstaunten Zeit zu neue» Fragen zu lassen, fuhr sie fort: Suche nicht weiter in die Geheimnisse des Weltenlenkers einzu¬ dringen. Weil die Kinder dieser Erde körperliche Wesen sind, erscheint ihnen die ganze Welt körperlich. Aber der Geist geht frei hindurch, und frei hin¬ durch, wie für den Gedanken keine räumliche Schranke besteht, gehen die Geister. Sie setzte hinzu: Bereite dich in fleißigem Gebet auf die stumme Botschaft vor, um die wir droben bitten werden, umso minder wird ihre Erscheinung dich verwirren. Die Worte der Heiligen waren leiser und immer leiser geworden, sie schien verschwinden zu wollen. Der Träumender bemächtigte sich eine unsägliche Angst; ach! rief sie, was kaun ich denn aber dazu thun, daß die Erscheinung mir wirklich als solche zum Bewußtsein kommt? Die Heilige machte eine unverständliche Handbewegung und dann war sie samt ihren: weißen Lämmchen verschwunden. Auf eine flüchtige Sekunde zeigte sich aber an der nämlichen Stelle eine lichtumflossene, weiß gekleidete Jünglings¬ gestalt mit geschlossenen, langbewimperteu Augen, und ihr war, als durchdringe schon jetzt sie bei diesem Anblick ein Vorgefühl von dem tiefen Frieden, den ihr einst dieselbe Lichterscheinung bereiten werde. Florida erwachte. Sie hatte seit langem nicht so leichten Herzens die Augen aufgeschlagen. Ich werde meinen Vater retten, jauchzte sie, und ein himmlischer Bote wird als Zeichen, daß mein armer Freund mir verzieh, mir er¬ scheinen! Sie wiederholte sich alles Vernommene. Es ging, meinte sie, weit

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_195390/379>, abgerufen am 21.05.2024.