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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal.

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Notizen.

mit der andern Hand die Spende demütig annahm, ohne doch zu wissen, ob
er für den Dukaten nun die Geschichte in dieser oder jener Auffassung zu Ende
erzählen solle.

Ein buntbcbänderter Läufer, wie die vornehmeren Advokaten Norditaliens
damals deren zu halten pflegten, machte der Verlegenheit des Scrivano ein
Ende. Er hatte oft in dem Zodiaeo-Gäßchen Bestellungen des Signor Andrea
auszurichten gehabt und war im Augenblicke, als Florida sich von dem Scrivano
verabschieden wollte, vorübergeeilt, in der Hand einen für die Tochter des Ver¬
urteilten bestimmten Brief, den er schon seit dem frühen Morgen vergebens in
ganz Mantua herumgetragen hatte.

IMuo! rief er, indem er, die Adressatin des Briefes erkennend, mit einer
leichten Kniebeugung und einem graziösen Lüpfen seines Federbaretts vor sie
hintrat und ihr das Schreiben nach damaliger Sitte ans dem Handrücken wie
auf einem Teller überreichte; endlich! -- Florida war erschrocken zurück¬
gefahren. Alles erschreckte sie. Aber sie faßte sich, erbrach den Brief und
durchflog seinen Inhalt, scheinbar ohne alle Erregung, während ihr blasses
Gesicht doch sich purpurn färbte."

Indem sie ihren Schleier dann wieder vorzog und das von dem Serivcmo
inzwischen petschirte Schreiben dem Läufer sür seineu Herrn übergab, sagte sie:
Es ist gut, Pedro; hier ist die Antwort. Tummle dich.

Und auch hier einen Dueato spendend, den Pedro ehrerbietig küßte und
dann eiusäckelte, entfernte sie sich mit festen Schritten, als habe nie eine Dame
Mantuas ihren Weg klarer vor sich gesehen, als diese Märtyrerin ihres kind¬
lichen Pflichtgefühls. (Fortsetzung folgt.)




Notizen.
Ein PostVerein für Zentraleuropa.

Zu den schöpferischen Ideen großen
Stils, deren Verwirklichung dem Fürsten Bismarck nach wiederholt von ihm ge¬
thanen Aeußerungen schon seit lauger Zeit als ein erstrebenswertes Ziel vorgeschwebt
hat, gehört auch ein handelspolitisches Projekt ersten Ranges, nämlich das einer
engern wirtschaftlichen Vereinigung der sämtlichen Staaten Zentralenropas, und
zwar war es speziell das Gebiet des Zollwesens, auf welches sich dieser Plnu
richtete, in dem Sinne, daß analog dem zwischen den verschiednen deutschen Staaten
allmählich zustande gekommenen Zollverein ein zentraleuropäischcr Zollbund ge¬
gründet würde, welcher durch den Wegfall der Zollschranken zwischen dein deutsche"
Reiche und den andern Staaten Mitteleuropas eine große Kosteuersparnis, be¬
ziehentlich eine bedeutende Steigerung des Reincrträgnisses der nur noch für die Auszen-
greuze des neuen Zolllmudes aufrecht zu erhaltenden Zollverwaltung für alle unes
der Kopfzahl an der Verteilung beteiligten Staaten zur Folge haben würde.

Es giebt aber noch ein andres wirtschaftliches Gebiet, auf welchem ein engerer
Zusammenschluß der Staaten Zentralenropas große Vorteile bieten würde, nämlich
das des PostWesens. Es würde sich hierbei darum handeln, innerhalb des Welt¬
postvereins eine Anzahl von Vcreinsgliedern, welche durch ihre geographische Lage
schou von der Natur zu einer engern Gemeinschaft bestimmt zu sein scheinen, noch
fester miteinander zu verknüpfen, als dies durch die Einrichtungen des Welt-


Notizen.

mit der andern Hand die Spende demütig annahm, ohne doch zu wissen, ob
er für den Dukaten nun die Geschichte in dieser oder jener Auffassung zu Ende
erzählen solle.

Ein buntbcbänderter Läufer, wie die vornehmeren Advokaten Norditaliens
damals deren zu halten pflegten, machte der Verlegenheit des Scrivano ein
Ende. Er hatte oft in dem Zodiaeo-Gäßchen Bestellungen des Signor Andrea
auszurichten gehabt und war im Augenblicke, als Florida sich von dem Scrivano
verabschieden wollte, vorübergeeilt, in der Hand einen für die Tochter des Ver¬
urteilten bestimmten Brief, den er schon seit dem frühen Morgen vergebens in
ganz Mantua herumgetragen hatte.

IMuo! rief er, indem er, die Adressatin des Briefes erkennend, mit einer
leichten Kniebeugung und einem graziösen Lüpfen seines Federbaretts vor sie
hintrat und ihr das Schreiben nach damaliger Sitte ans dem Handrücken wie
auf einem Teller überreichte; endlich! — Florida war erschrocken zurück¬
gefahren. Alles erschreckte sie. Aber sie faßte sich, erbrach den Brief und
durchflog seinen Inhalt, scheinbar ohne alle Erregung, während ihr blasses
Gesicht doch sich purpurn färbte."

Indem sie ihren Schleier dann wieder vorzog und das von dem Serivcmo
inzwischen petschirte Schreiben dem Läufer sür seineu Herrn übergab, sagte sie:
Es ist gut, Pedro; hier ist die Antwort. Tummle dich.

Und auch hier einen Dueato spendend, den Pedro ehrerbietig küßte und
dann eiusäckelte, entfernte sie sich mit festen Schritten, als habe nie eine Dame
Mantuas ihren Weg klarer vor sich gesehen, als diese Märtyrerin ihres kind¬
lichen Pflichtgefühls. (Fortsetzung folgt.)




Notizen.
Ein PostVerein für Zentraleuropa.

Zu den schöpferischen Ideen großen
Stils, deren Verwirklichung dem Fürsten Bismarck nach wiederholt von ihm ge¬
thanen Aeußerungen schon seit lauger Zeit als ein erstrebenswertes Ziel vorgeschwebt
hat, gehört auch ein handelspolitisches Projekt ersten Ranges, nämlich das einer
engern wirtschaftlichen Vereinigung der sämtlichen Staaten Zentralenropas, und
zwar war es speziell das Gebiet des Zollwesens, auf welches sich dieser Plnu
richtete, in dem Sinne, daß analog dem zwischen den verschiednen deutschen Staaten
allmählich zustande gekommenen Zollverein ein zentraleuropäischcr Zollbund ge¬
gründet würde, welcher durch den Wegfall der Zollschranken zwischen dein deutsche»
Reiche und den andern Staaten Mitteleuropas eine große Kosteuersparnis, be¬
ziehentlich eine bedeutende Steigerung des Reincrträgnisses der nur noch für die Auszen-
greuze des neuen Zolllmudes aufrecht zu erhaltenden Zollverwaltung für alle unes
der Kopfzahl an der Verteilung beteiligten Staaten zur Folge haben würde.

Es giebt aber noch ein andres wirtschaftliches Gebiet, auf welchem ein engerer
Zusammenschluß der Staaten Zentralenropas große Vorteile bieten würde, nämlich
das des PostWesens. Es würde sich hierbei darum handeln, innerhalb des Welt¬
postvereins eine Anzahl von Vcreinsgliedern, welche durch ihre geographische Lage
schou von der Natur zu einer engern Gemeinschaft bestimmt zu sein scheinen, noch
fester miteinander zu verknüpfen, als dies durch die Einrichtungen des Welt-


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[0385] Notizen. mit der andern Hand die Spende demütig annahm, ohne doch zu wissen, ob er für den Dukaten nun die Geschichte in dieser oder jener Auffassung zu Ende erzählen solle. Ein buntbcbänderter Läufer, wie die vornehmeren Advokaten Norditaliens damals deren zu halten pflegten, machte der Verlegenheit des Scrivano ein Ende. Er hatte oft in dem Zodiaeo-Gäßchen Bestellungen des Signor Andrea auszurichten gehabt und war im Augenblicke, als Florida sich von dem Scrivano verabschieden wollte, vorübergeeilt, in der Hand einen für die Tochter des Ver¬ urteilten bestimmten Brief, den er schon seit dem frühen Morgen vergebens in ganz Mantua herumgetragen hatte. IMuo! rief er, indem er, die Adressatin des Briefes erkennend, mit einer leichten Kniebeugung und einem graziösen Lüpfen seines Federbaretts vor sie hintrat und ihr das Schreiben nach damaliger Sitte ans dem Handrücken wie auf einem Teller überreichte; endlich! — Florida war erschrocken zurück¬ gefahren. Alles erschreckte sie. Aber sie faßte sich, erbrach den Brief und durchflog seinen Inhalt, scheinbar ohne alle Erregung, während ihr blasses Gesicht doch sich purpurn färbte." Indem sie ihren Schleier dann wieder vorzog und das von dem Serivcmo inzwischen petschirte Schreiben dem Läufer sür seineu Herrn übergab, sagte sie: Es ist gut, Pedro; hier ist die Antwort. Tummle dich. Und auch hier einen Dueato spendend, den Pedro ehrerbietig küßte und dann eiusäckelte, entfernte sie sich mit festen Schritten, als habe nie eine Dame Mantuas ihren Weg klarer vor sich gesehen, als diese Märtyrerin ihres kind¬ lichen Pflichtgefühls. (Fortsetzung folgt.) Notizen. Ein PostVerein für Zentraleuropa. Zu den schöpferischen Ideen großen Stils, deren Verwirklichung dem Fürsten Bismarck nach wiederholt von ihm ge¬ thanen Aeußerungen schon seit lauger Zeit als ein erstrebenswertes Ziel vorgeschwebt hat, gehört auch ein handelspolitisches Projekt ersten Ranges, nämlich das einer engern wirtschaftlichen Vereinigung der sämtlichen Staaten Zentralenropas, und zwar war es speziell das Gebiet des Zollwesens, auf welches sich dieser Plnu richtete, in dem Sinne, daß analog dem zwischen den verschiednen deutschen Staaten allmählich zustande gekommenen Zollverein ein zentraleuropäischcr Zollbund ge¬ gründet würde, welcher durch den Wegfall der Zollschranken zwischen dein deutsche» Reiche und den andern Staaten Mitteleuropas eine große Kosteuersparnis, be¬ ziehentlich eine bedeutende Steigerung des Reincrträgnisses der nur noch für die Auszen- greuze des neuen Zolllmudes aufrecht zu erhaltenden Zollverwaltung für alle unes der Kopfzahl an der Verteilung beteiligten Staaten zur Folge haben würde. Es giebt aber noch ein andres wirtschaftliches Gebiet, auf welchem ein engerer Zusammenschluß der Staaten Zentralenropas große Vorteile bieten würde, nämlich das des PostWesens. Es würde sich hierbei darum handeln, innerhalb des Welt¬ postvereins eine Anzahl von Vcreinsgliedern, welche durch ihre geographische Lage schou von der Natur zu einer engern Gemeinschaft bestimmt zu sein scheinen, noch fester miteinander zu verknüpfen, als dies durch die Einrichtungen des Welt-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_195390/385>, abgerufen am 03.05.2024.