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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal.

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Notiz.

bei dem Gedanken an das nunmehrige Loos Giuseppes kraftlos ihre Arme hatte
sinken lassen, gelang es der robusten Fricmlerin, endlich sich der Führung Flo-
ridas zu bemächtigen.

?vo0rv11i! rief sie mit einem mitleidigen Blicke nach den dicht verhängten
Schloßsenstern, indem sie die willenlos sich fugende ans dem ansteckenden Dunst¬
kreise des Schlosses fortzubringen bemüht war; wie sagte der alte Haudegen?
Die vajuolo wüteten drinnen wie toll? ^overslli, povorvlli! Vielleicht giebt
es Leute, die sich darüber freuen. Ich, Signorita, ich kann es nicht. Denn,
por 1'a.nor all Oio, was haben die Kinder verschuldet? Der kleine bläßliche
Prinz Lodovico und das niedliche kleine Prinzeßchen! M, iro, Signorita, ich
kann mich nicht freuen, so schlimm man auch ohnlängst erst dem gnädigen Herrn
Marcello mitgespielt hat und so viele bittre Thränen ich selbst auch Euretwegen,
mein gnädiges Fräulein, habe vergießen müssen. Freuen kann ich mich nicht.
Oder wissen wir, ob die Herzogin nicht für Euern gnädigen Herrn Vater manch
gutes Wort eingelegt hat? Sie ist eine Savoherin, und ich habe brave Leute
gekannt, die ans demselben Lande herstammten. Und dann der Herzog -- hat
er dem Vitaliano denn nicht den Laufpaß gegeben? Konnte er nicht noch ein
gütiger Herr werden? War man ihm denn nicht schon Dank schuldig dafür,
daß er das lüderliche Gesindel, die Komödiantinnen und Tänzerinnen, an die
Luft setzte? Hat er die Juden nicht wieder zum Tragen des gelben Abzeichens
angehalten? Wer weiß, ob sie aus Rache uicht die viMoto in das Schloß
eingeschwärzt haben! Leuten, die unsern Erlöser kreuzigten, so hörte ich noch
ohnlängst den Pater Patrieio in Sant' Andrea predigen, ist alles zuzutrauen,
wtw, wtto, wtw! (Fortsetzung folgt.)




Notiz.

Bildung und Schule. Mau sollte die Entscheidung über dasjenige, was
das Primäre und was das sekundäre ist, für eine in der Regel sehr selbstver¬
ständliche Sache halten. Und doch erkennt man bei näherem Zusehen leicht, daß
es oft recht schwer ist, zu bestimmen, was Wirkung und was Ursache ist. Hat
doch in jüngster Zeit ein berühmter Gelehrter (Professor Räuber) deu Satz auf¬
gestellt, daß uicht der Mensch deu Staat, sondern der Staat deu Menschen, wohl¬
verstanden, deu modernen Menschen gemacht habe; und wenn auch freilich die alte
manchesterliche Anschauung diesen Satz für einen alle Begriffe auf deu Kopf stel¬
lenden hält, so läßt er sich doch sehr wohl verfechte" und es lassen sich die durch¬
schlagendsten Gründe dafür anführen. Ueberhaupt aber giebt dieses Beispiel ein
gutes Bild von den Schwierigkeiten, welche schon die bloße Formulirung der Frage
nach dem Primärer und dem sekundären darbietet, und von den Zweifeln, in


Notiz.

bei dem Gedanken an das nunmehrige Loos Giuseppes kraftlos ihre Arme hatte
sinken lassen, gelang es der robusten Fricmlerin, endlich sich der Führung Flo-
ridas zu bemächtigen.

?vo0rv11i! rief sie mit einem mitleidigen Blicke nach den dicht verhängten
Schloßsenstern, indem sie die willenlos sich fugende ans dem ansteckenden Dunst¬
kreise des Schlosses fortzubringen bemüht war; wie sagte der alte Haudegen?
Die vajuolo wüteten drinnen wie toll? ^overslli, povorvlli! Vielleicht giebt
es Leute, die sich darüber freuen. Ich, Signorita, ich kann es nicht. Denn,
por 1'a.nor all Oio, was haben die Kinder verschuldet? Der kleine bläßliche
Prinz Lodovico und das niedliche kleine Prinzeßchen! M, iro, Signorita, ich
kann mich nicht freuen, so schlimm man auch ohnlängst erst dem gnädigen Herrn
Marcello mitgespielt hat und so viele bittre Thränen ich selbst auch Euretwegen,
mein gnädiges Fräulein, habe vergießen müssen. Freuen kann ich mich nicht.
Oder wissen wir, ob die Herzogin nicht für Euern gnädigen Herrn Vater manch
gutes Wort eingelegt hat? Sie ist eine Savoherin, und ich habe brave Leute
gekannt, die ans demselben Lande herstammten. Und dann der Herzog — hat
er dem Vitaliano denn nicht den Laufpaß gegeben? Konnte er nicht noch ein
gütiger Herr werden? War man ihm denn nicht schon Dank schuldig dafür,
daß er das lüderliche Gesindel, die Komödiantinnen und Tänzerinnen, an die
Luft setzte? Hat er die Juden nicht wieder zum Tragen des gelben Abzeichens
angehalten? Wer weiß, ob sie aus Rache uicht die viMoto in das Schloß
eingeschwärzt haben! Leuten, die unsern Erlöser kreuzigten, so hörte ich noch
ohnlängst den Pater Patrieio in Sant' Andrea predigen, ist alles zuzutrauen,
wtw, wtto, wtw! (Fortsetzung folgt.)




Notiz.

Bildung und Schule. Mau sollte die Entscheidung über dasjenige, was
das Primäre und was das sekundäre ist, für eine in der Regel sehr selbstver¬
ständliche Sache halten. Und doch erkennt man bei näherem Zusehen leicht, daß
es oft recht schwer ist, zu bestimmen, was Wirkung und was Ursache ist. Hat
doch in jüngster Zeit ein berühmter Gelehrter (Professor Räuber) deu Satz auf¬
gestellt, daß uicht der Mensch deu Staat, sondern der Staat deu Menschen, wohl¬
verstanden, deu modernen Menschen gemacht habe; und wenn auch freilich die alte
manchesterliche Anschauung diesen Satz für einen alle Begriffe auf deu Kopf stel¬
lenden hält, so läßt er sich doch sehr wohl verfechte» und es lassen sich die durch¬
schlagendsten Gründe dafür anführen. Ueberhaupt aber giebt dieses Beispiel ein
gutes Bild von den Schwierigkeiten, welche schon die bloße Formulirung der Frage
nach dem Primärer und dem sekundären darbietet, und von den Zweifeln, in


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[0291] Notiz. bei dem Gedanken an das nunmehrige Loos Giuseppes kraftlos ihre Arme hatte sinken lassen, gelang es der robusten Fricmlerin, endlich sich der Führung Flo- ridas zu bemächtigen. ?vo0rv11i! rief sie mit einem mitleidigen Blicke nach den dicht verhängten Schloßsenstern, indem sie die willenlos sich fugende ans dem ansteckenden Dunst¬ kreise des Schlosses fortzubringen bemüht war; wie sagte der alte Haudegen? Die vajuolo wüteten drinnen wie toll? ^overslli, povorvlli! Vielleicht giebt es Leute, die sich darüber freuen. Ich, Signorita, ich kann es nicht. Denn, por 1'a.nor all Oio, was haben die Kinder verschuldet? Der kleine bläßliche Prinz Lodovico und das niedliche kleine Prinzeßchen! M, iro, Signorita, ich kann mich nicht freuen, so schlimm man auch ohnlängst erst dem gnädigen Herrn Marcello mitgespielt hat und so viele bittre Thränen ich selbst auch Euretwegen, mein gnädiges Fräulein, habe vergießen müssen. Freuen kann ich mich nicht. Oder wissen wir, ob die Herzogin nicht für Euern gnädigen Herrn Vater manch gutes Wort eingelegt hat? Sie ist eine Savoherin, und ich habe brave Leute gekannt, die ans demselben Lande herstammten. Und dann der Herzog — hat er dem Vitaliano denn nicht den Laufpaß gegeben? Konnte er nicht noch ein gütiger Herr werden? War man ihm denn nicht schon Dank schuldig dafür, daß er das lüderliche Gesindel, die Komödiantinnen und Tänzerinnen, an die Luft setzte? Hat er die Juden nicht wieder zum Tragen des gelben Abzeichens angehalten? Wer weiß, ob sie aus Rache uicht die viMoto in das Schloß eingeschwärzt haben! Leuten, die unsern Erlöser kreuzigten, so hörte ich noch ohnlängst den Pater Patrieio in Sant' Andrea predigen, ist alles zuzutrauen, wtw, wtto, wtw! (Fortsetzung folgt.) Notiz. Bildung und Schule. Mau sollte die Entscheidung über dasjenige, was das Primäre und was das sekundäre ist, für eine in der Regel sehr selbstver¬ ständliche Sache halten. Und doch erkennt man bei näherem Zusehen leicht, daß es oft recht schwer ist, zu bestimmen, was Wirkung und was Ursache ist. Hat doch in jüngster Zeit ein berühmter Gelehrter (Professor Räuber) deu Satz auf¬ gestellt, daß uicht der Mensch deu Staat, sondern der Staat deu Menschen, wohl¬ verstanden, deu modernen Menschen gemacht habe; und wenn auch freilich die alte manchesterliche Anschauung diesen Satz für einen alle Begriffe auf deu Kopf stel¬ lenden hält, so läßt er sich doch sehr wohl verfechte» und es lassen sich die durch¬ schlagendsten Gründe dafür anführen. Ueberhaupt aber giebt dieses Beispiel ein gutes Bild von den Schwierigkeiten, welche schon die bloße Formulirung der Frage nach dem Primärer und dem sekundären darbietet, und von den Zweifeln, in

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099/291>, abgerufen am 30.04.2024.