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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.

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Camoens.
Roman von Adolf Stsrn. ^Fortsetzung.)

cite Männer lüfteten zugleich die breiten Hüte. Barretos Ge¬
sicht wandte sich frei und voll dem "eben ihm reitenden zu,
und Camoens erkannte in den Zügen des Freundes, welchen
Schmerz dies Gespräch in der Seele desselben erweckt hatte.
Umso peinlicher war es ihm, seine entgegengesetzte Meinung un¬
verhohlen kund geben zu müssen. Allein er fühlte, daß nichts Unausgesprochenes
zwischen ihm und dem großherzigen Manne bleiben dürfe, der ihm so arglos
und vertrauend sein Herz öffnete.

Ihr seid schon ein Jahrzehnt wieder in Portugal, Senhor Manuel, hub
er an, während sie nach einem kurzen Halt ihren Weg fortsetzten. Ihr steht
vielen Dingen näher als der arme Dichter, der in einem Winkel von Lissabon
Zuflucht gesucht hat! Aber Ihr sagt es selbst, daß mir dieses Land und
meines Volkes Schicksal mehr als mein eignes am Herzen liegen, und ich darf
Euch nicht verschweigen, daß ich bessere, ja daß ich die stolzesten Hoffnungen
hege! Wahr ists, daß ein neuer Geist den Hof, das Volk belebt, daß mich
mir vieles fremdartig schien, was ich bei der Heimkehr vorfand. Muß es
darum ein verderblicher Geist sein? Ist ein kleines heldenhaftes Volk nicht
am besten bewehrt, wenn es nicht nur in Christi Namen, sondern vom feurigsten
Glauben beseelt in den Kampf zieht? Schlägt Euch das Herz nicht auch
höher bei dem Gedanken, daß die Minarets von Marokko das Kreuz tragen
werden, und daß das glorreiche Banner Portugals über allen Häfen bis zur
großen Wüste wehen soll? Ihr wißt, daß ich mein Leben daran gesetzt habe
den Ruhm Portugals zu preisen! Ich wähnte, da ich in Indien an meinem
Gedicht schrieb, die Höhe für überschritten und unser bestes Heil der Ver¬
gangenheit angehörig. Da thut sich mit einemmale eine Zukunft auf, vor deren




Camoens.
Roman von Adolf Stsrn. ^Fortsetzung.)

cite Männer lüfteten zugleich die breiten Hüte. Barretos Ge¬
sicht wandte sich frei und voll dem »eben ihm reitenden zu,
und Camoens erkannte in den Zügen des Freundes, welchen
Schmerz dies Gespräch in der Seele desselben erweckt hatte.
Umso peinlicher war es ihm, seine entgegengesetzte Meinung un¬
verhohlen kund geben zu müssen. Allein er fühlte, daß nichts Unausgesprochenes
zwischen ihm und dem großherzigen Manne bleiben dürfe, der ihm so arglos
und vertrauend sein Herz öffnete.

Ihr seid schon ein Jahrzehnt wieder in Portugal, Senhor Manuel, hub
er an, während sie nach einem kurzen Halt ihren Weg fortsetzten. Ihr steht
vielen Dingen näher als der arme Dichter, der in einem Winkel von Lissabon
Zuflucht gesucht hat! Aber Ihr sagt es selbst, daß mir dieses Land und
meines Volkes Schicksal mehr als mein eignes am Herzen liegen, und ich darf
Euch nicht verschweigen, daß ich bessere, ja daß ich die stolzesten Hoffnungen
hege! Wahr ists, daß ein neuer Geist den Hof, das Volk belebt, daß mich
mir vieles fremdartig schien, was ich bei der Heimkehr vorfand. Muß es
darum ein verderblicher Geist sein? Ist ein kleines heldenhaftes Volk nicht
am besten bewehrt, wenn es nicht nur in Christi Namen, sondern vom feurigsten
Glauben beseelt in den Kampf zieht? Schlägt Euch das Herz nicht auch
höher bei dem Gedanken, daß die Minarets von Marokko das Kreuz tragen
werden, und daß das glorreiche Banner Portugals über allen Häfen bis zur
großen Wüste wehen soll? Ihr wißt, daß ich mein Leben daran gesetzt habe
den Ruhm Portugals zu preisen! Ich wähnte, da ich in Indien an meinem
Gedicht schrieb, die Höhe für überschritten und unser bestes Heil der Ver¬
gangenheit angehörig. Da thut sich mit einemmale eine Zukunft auf, vor deren


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[0142] [Abbildung] Camoens. Roman von Adolf Stsrn. ^Fortsetzung.) cite Männer lüfteten zugleich die breiten Hüte. Barretos Ge¬ sicht wandte sich frei und voll dem »eben ihm reitenden zu, und Camoens erkannte in den Zügen des Freundes, welchen Schmerz dies Gespräch in der Seele desselben erweckt hatte. Umso peinlicher war es ihm, seine entgegengesetzte Meinung un¬ verhohlen kund geben zu müssen. Allein er fühlte, daß nichts Unausgesprochenes zwischen ihm und dem großherzigen Manne bleiben dürfe, der ihm so arglos und vertrauend sein Herz öffnete. Ihr seid schon ein Jahrzehnt wieder in Portugal, Senhor Manuel, hub er an, während sie nach einem kurzen Halt ihren Weg fortsetzten. Ihr steht vielen Dingen näher als der arme Dichter, der in einem Winkel von Lissabon Zuflucht gesucht hat! Aber Ihr sagt es selbst, daß mir dieses Land und meines Volkes Schicksal mehr als mein eignes am Herzen liegen, und ich darf Euch nicht verschweigen, daß ich bessere, ja daß ich die stolzesten Hoffnungen hege! Wahr ists, daß ein neuer Geist den Hof, das Volk belebt, daß mich mir vieles fremdartig schien, was ich bei der Heimkehr vorfand. Muß es darum ein verderblicher Geist sein? Ist ein kleines heldenhaftes Volk nicht am besten bewehrt, wenn es nicht nur in Christi Namen, sondern vom feurigsten Glauben beseelt in den Kampf zieht? Schlägt Euch das Herz nicht auch höher bei dem Gedanken, daß die Minarets von Marokko das Kreuz tragen werden, und daß das glorreiche Banner Portugals über allen Häfen bis zur großen Wüste wehen soll? Ihr wißt, daß ich mein Leben daran gesetzt habe den Ruhm Portugals zu preisen! Ich wähnte, da ich in Indien an meinem Gedicht schrieb, die Höhe für überschritten und unser bestes Heil der Ver¬ gangenheit angehörig. Da thut sich mit einemmale eine Zukunft auf, vor deren

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_197423/142>, abgerufen am 19.05.2024.