Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite

Republikaners die Armut die einzige war, die er diesem Namensbruder hinter¬
lassen hatte. Sonst sind auch die Heiligennamen sehr verbreitet, die Diann,
Basil, Nikola und insbesondre Georg; das schlechteste Dorf hat eine diesem
Drachenritter gewidmete Kapelle. Leider ist die Nationaltracht mehr und mehr
im Verschwinden, und doch war sie unendlich malerisch und kleidsam. König
Otto und Königin Amalie sind dem Fez, der Fustanella und dem goldgestickten
Spencer lange tren geblieben, aber mit der neuen Dynastie ist alle Romantik
verschwunden. Vereinzelt begegnet man noch Europäern darin. Zwei Regimenter
Grcnzmiliz tragen sogar noch die alte Uniform. Am meisten hat sich der weib¬
liche Kopfputz mit den kurzen Locken und dem rings um die Stirn geschlungner
Zopf erhalten. Die Inselgriechen sind der Mode der Pumphosen treu geblieben,
die von der Hüfte bis unter das Knie fallend oft ein ganzes Baumwollenstück
von zehn Metern messen. Man kann sich des Lachens nicht enthalten, einen
solchen Matrosen, der den Befehl erhält, auf den höchsten Mastkorb zu steigen,
mit beiden Händen die Hosen zwischen den Beinen durchziehen und hinten in
einen kolossalen Knoten zusammenbinden zu sehen. So geht er hinauf wie eine
Katze; kommt er herunter, so knöpft er wieder auf, schüttelt sich und drapirt kokett
seinen Faltenwurf. Die Pumphosen sind übrigens auch bei den Türken ein be¬
liebtes Kleidungsstück, und ihre Einführung datirt von einer Begebenheit im Leben
des Propheten. Mohammed wurde in der Wüste von einem Orkan überrascht
und wußte nicht, wohin sich wenden. Er betete zu Allah um Rettung, und dieser
schickte zwei Windhosen, die ihn in die Höhe hoben und an einen sichern Platz
niedersetzten. Die illustrirte Zeitung "Über Land und Meer" brachte davon
neulich eine bildliche Darstellung, welche die Zensur in Konstantinopel so frivol
und gotteslästerlich faud, daß sie dem Blatte den Eingang verboten hat. Der
Wechsel der Mode hat seine politischen Gründe, man will mit allen Erinnerungen
aus der türkischen Herrschaft brechen und hängt sich auch an Äußerlichkeiten.
Doch giebt es noch immer Männer und Frauen, die der Nivellirung der
Pariser Kleiderkünstler nicht zum Opfer gefallen sind und an der Voreltern
Mode festhalten. Für die Stickereien in Seide und Gold mit Perlen und Edel¬
steinen kann man schon eine ganze Garderobe in Salon- und Ballkleidern an¬
schaffen, ohne damit auch nur entfernt den gleichen Effekt zu erreichen. Allein
was die Phantasie und Launen der Damen nicht befriedigt, das ist die UnVer¬
änderlichkeit, denn ein solcher Anzug dauert für das Leben und bleibt immer
derselbe, während unsre Zeit für jedes Jahr und jede Saison Neuigkeiten ver¬
langt. Gegen die weibliche Eitelkeit hat aber auch der Patriotismus schweren
Stand.




Republikaners die Armut die einzige war, die er diesem Namensbruder hinter¬
lassen hatte. Sonst sind auch die Heiligennamen sehr verbreitet, die Diann,
Basil, Nikola und insbesondre Georg; das schlechteste Dorf hat eine diesem
Drachenritter gewidmete Kapelle. Leider ist die Nationaltracht mehr und mehr
im Verschwinden, und doch war sie unendlich malerisch und kleidsam. König
Otto und Königin Amalie sind dem Fez, der Fustanella und dem goldgestickten
Spencer lange tren geblieben, aber mit der neuen Dynastie ist alle Romantik
verschwunden. Vereinzelt begegnet man noch Europäern darin. Zwei Regimenter
Grcnzmiliz tragen sogar noch die alte Uniform. Am meisten hat sich der weib¬
liche Kopfputz mit den kurzen Locken und dem rings um die Stirn geschlungner
Zopf erhalten. Die Inselgriechen sind der Mode der Pumphosen treu geblieben,
die von der Hüfte bis unter das Knie fallend oft ein ganzes Baumwollenstück
von zehn Metern messen. Man kann sich des Lachens nicht enthalten, einen
solchen Matrosen, der den Befehl erhält, auf den höchsten Mastkorb zu steigen,
mit beiden Händen die Hosen zwischen den Beinen durchziehen und hinten in
einen kolossalen Knoten zusammenbinden zu sehen. So geht er hinauf wie eine
Katze; kommt er herunter, so knöpft er wieder auf, schüttelt sich und drapirt kokett
seinen Faltenwurf. Die Pumphosen sind übrigens auch bei den Türken ein be¬
liebtes Kleidungsstück, und ihre Einführung datirt von einer Begebenheit im Leben
des Propheten. Mohammed wurde in der Wüste von einem Orkan überrascht
und wußte nicht, wohin sich wenden. Er betete zu Allah um Rettung, und dieser
schickte zwei Windhosen, die ihn in die Höhe hoben und an einen sichern Platz
niedersetzten. Die illustrirte Zeitung „Über Land und Meer" brachte davon
neulich eine bildliche Darstellung, welche die Zensur in Konstantinopel so frivol
und gotteslästerlich faud, daß sie dem Blatte den Eingang verboten hat. Der
Wechsel der Mode hat seine politischen Gründe, man will mit allen Erinnerungen
aus der türkischen Herrschaft brechen und hängt sich auch an Äußerlichkeiten.
Doch giebt es noch immer Männer und Frauen, die der Nivellirung der
Pariser Kleiderkünstler nicht zum Opfer gefallen sind und an der Voreltern
Mode festhalten. Für die Stickereien in Seide und Gold mit Perlen und Edel¬
steinen kann man schon eine ganze Garderobe in Salon- und Ballkleidern an¬
schaffen, ohne damit auch nur entfernt den gleichen Effekt zu erreichen. Allein
was die Phantasie und Launen der Damen nicht befriedigt, das ist die UnVer¬
änderlichkeit, denn ein solcher Anzug dauert für das Leben und bleibt immer
derselbe, während unsre Zeit für jedes Jahr und jede Saison Neuigkeiten ver¬
langt. Gegen die weibliche Eitelkeit hat aber auch der Patriotismus schweren
Stand.




<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0141" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/197565"/>
          <fw type="header" place="top"/><lb/>
          <p xml:id="ID_403" prev="#ID_402"> Republikaners die Armut die einzige war, die er diesem Namensbruder hinter¬<lb/>
lassen hatte. Sonst sind auch die Heiligennamen sehr verbreitet, die Diann,<lb/>
Basil, Nikola und insbesondre Georg; das schlechteste Dorf hat eine diesem<lb/>
Drachenritter gewidmete Kapelle. Leider ist die Nationaltracht mehr und mehr<lb/>
im Verschwinden, und doch war sie unendlich malerisch und kleidsam. König<lb/>
Otto und Königin Amalie sind dem Fez, der Fustanella und dem goldgestickten<lb/>
Spencer lange tren geblieben, aber mit der neuen Dynastie ist alle Romantik<lb/>
verschwunden. Vereinzelt begegnet man noch Europäern darin. Zwei Regimenter<lb/>
Grcnzmiliz tragen sogar noch die alte Uniform. Am meisten hat sich der weib¬<lb/>
liche Kopfputz mit den kurzen Locken und dem rings um die Stirn geschlungner<lb/>
Zopf erhalten. Die Inselgriechen sind der Mode der Pumphosen treu geblieben,<lb/>
die von der Hüfte bis unter das Knie fallend oft ein ganzes Baumwollenstück<lb/>
von zehn Metern messen. Man kann sich des Lachens nicht enthalten, einen<lb/>
solchen Matrosen, der den Befehl erhält, auf den höchsten Mastkorb zu steigen,<lb/>
mit beiden Händen die Hosen zwischen den Beinen durchziehen und hinten in<lb/>
einen kolossalen Knoten zusammenbinden zu sehen. So geht er hinauf wie eine<lb/>
Katze; kommt er herunter, so knöpft er wieder auf, schüttelt sich und drapirt kokett<lb/>
seinen Faltenwurf. Die Pumphosen sind übrigens auch bei den Türken ein be¬<lb/>
liebtes Kleidungsstück, und ihre Einführung datirt von einer Begebenheit im Leben<lb/>
des Propheten. Mohammed wurde in der Wüste von einem Orkan überrascht<lb/>
und wußte nicht, wohin sich wenden. Er betete zu Allah um Rettung, und dieser<lb/>
schickte zwei Windhosen, die ihn in die Höhe hoben und an einen sichern Platz<lb/>
niedersetzten. Die illustrirte Zeitung &#x201E;Über Land und Meer" brachte davon<lb/>
neulich eine bildliche Darstellung, welche die Zensur in Konstantinopel so frivol<lb/>
und gotteslästerlich faud, daß sie dem Blatte den Eingang verboten hat. Der<lb/>
Wechsel der Mode hat seine politischen Gründe, man will mit allen Erinnerungen<lb/>
aus der türkischen Herrschaft brechen und hängt sich auch an Äußerlichkeiten.<lb/>
Doch giebt es noch immer Männer und Frauen, die der Nivellirung der<lb/>
Pariser Kleiderkünstler nicht zum Opfer gefallen sind und an der Voreltern<lb/>
Mode festhalten. Für die Stickereien in Seide und Gold mit Perlen und Edel¬<lb/>
steinen kann man schon eine ganze Garderobe in Salon- und Ballkleidern an¬<lb/>
schaffen, ohne damit auch nur entfernt den gleichen Effekt zu erreichen. Allein<lb/>
was die Phantasie und Launen der Damen nicht befriedigt, das ist die UnVer¬<lb/>
änderlichkeit, denn ein solcher Anzug dauert für das Leben und bleibt immer<lb/>
derselbe, während unsre Zeit für jedes Jahr und jede Saison Neuigkeiten ver¬<lb/>
langt. Gegen die weibliche Eitelkeit hat aber auch der Patriotismus schweren<lb/>
Stand.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0141] Republikaners die Armut die einzige war, die er diesem Namensbruder hinter¬ lassen hatte. Sonst sind auch die Heiligennamen sehr verbreitet, die Diann, Basil, Nikola und insbesondre Georg; das schlechteste Dorf hat eine diesem Drachenritter gewidmete Kapelle. Leider ist die Nationaltracht mehr und mehr im Verschwinden, und doch war sie unendlich malerisch und kleidsam. König Otto und Königin Amalie sind dem Fez, der Fustanella und dem goldgestickten Spencer lange tren geblieben, aber mit der neuen Dynastie ist alle Romantik verschwunden. Vereinzelt begegnet man noch Europäern darin. Zwei Regimenter Grcnzmiliz tragen sogar noch die alte Uniform. Am meisten hat sich der weib¬ liche Kopfputz mit den kurzen Locken und dem rings um die Stirn geschlungner Zopf erhalten. Die Inselgriechen sind der Mode der Pumphosen treu geblieben, die von der Hüfte bis unter das Knie fallend oft ein ganzes Baumwollenstück von zehn Metern messen. Man kann sich des Lachens nicht enthalten, einen solchen Matrosen, der den Befehl erhält, auf den höchsten Mastkorb zu steigen, mit beiden Händen die Hosen zwischen den Beinen durchziehen und hinten in einen kolossalen Knoten zusammenbinden zu sehen. So geht er hinauf wie eine Katze; kommt er herunter, so knöpft er wieder auf, schüttelt sich und drapirt kokett seinen Faltenwurf. Die Pumphosen sind übrigens auch bei den Türken ein be¬ liebtes Kleidungsstück, und ihre Einführung datirt von einer Begebenheit im Leben des Propheten. Mohammed wurde in der Wüste von einem Orkan überrascht und wußte nicht, wohin sich wenden. Er betete zu Allah um Rettung, und dieser schickte zwei Windhosen, die ihn in die Höhe hoben und an einen sichern Platz niedersetzten. Die illustrirte Zeitung „Über Land und Meer" brachte davon neulich eine bildliche Darstellung, welche die Zensur in Konstantinopel so frivol und gotteslästerlich faud, daß sie dem Blatte den Eingang verboten hat. Der Wechsel der Mode hat seine politischen Gründe, man will mit allen Erinnerungen aus der türkischen Herrschaft brechen und hängt sich auch an Äußerlichkeiten. Doch giebt es noch immer Männer und Frauen, die der Nivellirung der Pariser Kleiderkünstler nicht zum Opfer gefallen sind und an der Voreltern Mode festhalten. Für die Stickereien in Seide und Gold mit Perlen und Edel¬ steinen kann man schon eine ganze Garderobe in Salon- und Ballkleidern an¬ schaffen, ohne damit auch nur entfernt den gleichen Effekt zu erreichen. Allein was die Phantasie und Launen der Damen nicht befriedigt, das ist die UnVer¬ änderlichkeit, denn ein solcher Anzug dauert für das Leben und bleibt immer derselbe, während unsre Zeit für jedes Jahr und jede Saison Neuigkeiten ver¬ langt. Gegen die weibliche Eitelkeit hat aber auch der Patriotismus schweren Stand.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_197423
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_197423/141
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_197423/141>, abgerufen am 10.06.2024.