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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.

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Anzengrubers Stornsteinhof.

Rentengüter beteiligt sein. Die Schwierigkeiten, welche ihr entgegenstehen, sind
nicht zu verkennen, wenn mal nnr an die Parzellirung großer Güter, die Her¬
stellung neuer Gebäude, neuer Wege, Schulen u. s, w, denkt. Es wird mancher
Fehler gemacht werden, mancher Verlust im einzelnen Falle eintreten, die be¬
sprochene Maßregel wird im großen erst, nachdem Erfahrungen gemacht sind,
vollendet werden. Aber nur ängstliche Gemüter können dumm von Versuchen
abraten. Daß der Staat Verluste an Kapital zu beklagen haben werde, läßt
sich ebenso wenig beweisen wie das Gegenteil, daß ihm pekuniärer Borten davou
erwachsen inerte. Wer rechnet ihm aber die Rentabilität einer neuen, Millionen
verschlingenden Eisenbahnlinie, eines Kanalbnnes auf Heller und Pfennig vor?
Obwohl es sich dabei nur um wirtschaftliche Interessen handelt, ist der Staat
doch bereit, Opfer zu bringen. Hier aber handelt es sich um weit Höheres,
um sozialpolitische und nationale Ziele. Eine kräftige, selbstbewußte Staats-
regierung muß daher den Versuch wagen. Wird sie mit gutem Beispiele voran¬
gehen und dadurch zugleich eine Gewähr für den Bestand des Rechtsverhältnisses
bieten, so werden Private, Korporationen, Stiftungen n. dergl., erkennen, daß
auch für sie die Errichtung von Rentengütern in vielen Fällen von Vorteil,
eine bequeme und "ideal sichere" Ausnutzung ihres Grundbesitzes ist.


w. Ruprecht.


Anzengrubers ^ternsteinhof.

er allmächtige Zug der Zeit drängt auch die dramatischen Dichter,
die sich unzweifelhafter Erfolge auf der Vühue rühmen dürfen,
zum Roman. Wenn wir de" jüngsten Literaturweiseu glauben
dürfen, die alle literarischen Erscheinungen und Wandlungen auf
eine Erwerbs- und Geldfrage zurückführen, so hätten wir anzu¬
nehmen, daß trotz der Tantieme die Nomanproduktion sich ausgiebiger belohne
als die dramatische Poesie. Da es indessen unter allen Umstünden eine freche Belei¬
digung eines wahrhaften Talents ist, seine Vorsätze und Leistungen lediglich auf
das Honorarmotiv zurückzuführen, so werden wir uns nach einem bessern Grunde
dasür umsehen müssen, daß der Dichter des "Meineidbauern" und des Schau¬
spiels "Der ledige Hof" neuerdings die Form der Erzählung und des Romans
bevorzugt. Wir glauben nicht fehlzugehen, wenn wir das ästhetische Glaubens¬
bekenntnis Anzengrubers als die Kraft ansehen, die ihn unwiderstehlich zum
Roman leibt. Anzengruber ist Naturalist, er gehört zu den Bekennern des


Anzengrubers Stornsteinhof.

Rentengüter beteiligt sein. Die Schwierigkeiten, welche ihr entgegenstehen, sind
nicht zu verkennen, wenn mal nnr an die Parzellirung großer Güter, die Her¬
stellung neuer Gebäude, neuer Wege, Schulen u. s, w, denkt. Es wird mancher
Fehler gemacht werden, mancher Verlust im einzelnen Falle eintreten, die be¬
sprochene Maßregel wird im großen erst, nachdem Erfahrungen gemacht sind,
vollendet werden. Aber nur ängstliche Gemüter können dumm von Versuchen
abraten. Daß der Staat Verluste an Kapital zu beklagen haben werde, läßt
sich ebenso wenig beweisen wie das Gegenteil, daß ihm pekuniärer Borten davou
erwachsen inerte. Wer rechnet ihm aber die Rentabilität einer neuen, Millionen
verschlingenden Eisenbahnlinie, eines Kanalbnnes auf Heller und Pfennig vor?
Obwohl es sich dabei nur um wirtschaftliche Interessen handelt, ist der Staat
doch bereit, Opfer zu bringen. Hier aber handelt es sich um weit Höheres,
um sozialpolitische und nationale Ziele. Eine kräftige, selbstbewußte Staats-
regierung muß daher den Versuch wagen. Wird sie mit gutem Beispiele voran¬
gehen und dadurch zugleich eine Gewähr für den Bestand des Rechtsverhältnisses
bieten, so werden Private, Korporationen, Stiftungen n. dergl., erkennen, daß
auch für sie die Errichtung von Rentengütern in vielen Fällen von Vorteil,
eine bequeme und „ideal sichere" Ausnutzung ihres Grundbesitzes ist.


w. Ruprecht.


Anzengrubers ^ternsteinhof.

er allmächtige Zug der Zeit drängt auch die dramatischen Dichter,
die sich unzweifelhafter Erfolge auf der Vühue rühmen dürfen,
zum Roman. Wenn wir de» jüngsten Literaturweiseu glauben
dürfen, die alle literarischen Erscheinungen und Wandlungen auf
eine Erwerbs- und Geldfrage zurückführen, so hätten wir anzu¬
nehmen, daß trotz der Tantieme die Nomanproduktion sich ausgiebiger belohne
als die dramatische Poesie. Da es indessen unter allen Umstünden eine freche Belei¬
digung eines wahrhaften Talents ist, seine Vorsätze und Leistungen lediglich auf
das Honorarmotiv zurückzuführen, so werden wir uns nach einem bessern Grunde
dasür umsehen müssen, daß der Dichter des „Meineidbauern" und des Schau¬
spiels „Der ledige Hof" neuerdings die Form der Erzählung und des Romans
bevorzugt. Wir glauben nicht fehlzugehen, wenn wir das ästhetische Glaubens¬
bekenntnis Anzengrubers als die Kraft ansehen, die ihn unwiderstehlich zum
Roman leibt. Anzengruber ist Naturalist, er gehört zu den Bekennern des


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[0408] Anzengrubers Stornsteinhof. Rentengüter beteiligt sein. Die Schwierigkeiten, welche ihr entgegenstehen, sind nicht zu verkennen, wenn mal nnr an die Parzellirung großer Güter, die Her¬ stellung neuer Gebäude, neuer Wege, Schulen u. s, w, denkt. Es wird mancher Fehler gemacht werden, mancher Verlust im einzelnen Falle eintreten, die be¬ sprochene Maßregel wird im großen erst, nachdem Erfahrungen gemacht sind, vollendet werden. Aber nur ängstliche Gemüter können dumm von Versuchen abraten. Daß der Staat Verluste an Kapital zu beklagen haben werde, läßt sich ebenso wenig beweisen wie das Gegenteil, daß ihm pekuniärer Borten davou erwachsen inerte. Wer rechnet ihm aber die Rentabilität einer neuen, Millionen verschlingenden Eisenbahnlinie, eines Kanalbnnes auf Heller und Pfennig vor? Obwohl es sich dabei nur um wirtschaftliche Interessen handelt, ist der Staat doch bereit, Opfer zu bringen. Hier aber handelt es sich um weit Höheres, um sozialpolitische und nationale Ziele. Eine kräftige, selbstbewußte Staats- regierung muß daher den Versuch wagen. Wird sie mit gutem Beispiele voran¬ gehen und dadurch zugleich eine Gewähr für den Bestand des Rechtsverhältnisses bieten, so werden Private, Korporationen, Stiftungen n. dergl., erkennen, daß auch für sie die Errichtung von Rentengütern in vielen Fällen von Vorteil, eine bequeme und „ideal sichere" Ausnutzung ihres Grundbesitzes ist. w. Ruprecht. Anzengrubers ^ternsteinhof. er allmächtige Zug der Zeit drängt auch die dramatischen Dichter, die sich unzweifelhafter Erfolge auf der Vühue rühmen dürfen, zum Roman. Wenn wir de» jüngsten Literaturweiseu glauben dürfen, die alle literarischen Erscheinungen und Wandlungen auf eine Erwerbs- und Geldfrage zurückführen, so hätten wir anzu¬ nehmen, daß trotz der Tantieme die Nomanproduktion sich ausgiebiger belohne als die dramatische Poesie. Da es indessen unter allen Umstünden eine freche Belei¬ digung eines wahrhaften Talents ist, seine Vorsätze und Leistungen lediglich auf das Honorarmotiv zurückzuführen, so werden wir uns nach einem bessern Grunde dasür umsehen müssen, daß der Dichter des „Meineidbauern" und des Schau¬ spiels „Der ledige Hof" neuerdings die Form der Erzählung und des Romans bevorzugt. Wir glauben nicht fehlzugehen, wenn wir das ästhetische Glaubens¬ bekenntnis Anzengrubers als die Kraft ansehen, die ihn unwiderstehlich zum Roman leibt. Anzengruber ist Naturalist, er gehört zu den Bekennern des

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_197423/408>, abgerufen am 19.05.2024.