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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal.

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Max Duncker.

zu bilden, mußte zunächst dem Deutschtume im Süden, wo Slovenen und
Italiener es gefährdeten, zu Gute kommen; denn daß die Staatssprache, die
insbesondre Josef für den verwickelten Organismus seines Reiches zur Geltung
zu bringen suchte, die deutsche sein mußte, litt damals keinen Zweifel. Dem
Kaiser war es aber nicht bloß Mittel zum Zweck, er stand ihm auch mit dem
Herzen nahe, er war seit Jahrhunderten wieder der erste österreichische Herrscher,
der "stolz darauf war, ein Deutscher zu sein." Wie er seine Absichten nicht
erreichte und wie nach seinem Hingange die alte Absperrung gegen den deutschen
Geist und die alte Überwachung und Niederhaltung aller freieren Regungen von
neuem begannen und bis gegen die Mitte unsers Jahrhunderts fortwährten, ist
sattsam bekannt, und über das, was sich weiter entwickelte, werden wir in einem
spätern Artikel berichten, nachdem wir zunächst noch einen Rückblick auf die Ge¬
schicke der Deutschen in den österreichischen Sudeten- und Karpathcnländern ge¬
than haben werden.




Max Duncker.

s ist sehr erklärlich, daß in der Mehrzahl der Skizzen, welche
das Wesen und den Lebensgang des Mannes gezeichnet habe",
dessen Andenken auch die folgenden Blätter festhalten sollen, der
Ausgang von der Thatsache genommen ist, daß Duncker seinem
Lehrer Raute und seinem Berufsgenossen Waitz so schnell im Tode
gefolgt ist. In der That ist der Verlust, welchen die historische Wissenschaft
durch das Abscheiden solcher Koryphäen erlitten hat, ein fast unersetzlicher,
zumal der wenig früher Heimgegangene I. G. Drossen von dieser Dreizahl
nicht getrennt zu denken ist. Gleichwohl sondert sich Duncker und mit ihm
Drossen von Ranke und Waitz nicht unerheblich; sie bilden eine Gruppe für
sich, die ihre eignen Wege ging und das engere Zusammengehören auch im
täglichen Verkehr zur Anschauung brachte. Beide waren ausgerüstet mit einer
allmählich selten werdenden philologischen Bildung, beide sind die berufensten
Darsteller des Griechentums, der eine für die Anfänge, der andre für den
Ausgang geworden. Und doch lag bei beiden das Herzeusinteresse anderswo,
es war dem Erstarken und dem Glänze des vaterländischen Staates zugewandt;
sie haben einen direkten Einfluß auch auf die Gegenwart ausüben wollen und
sind nicht nur Historiker, sondern auch Politiker gewesen.

Max Wolfgang Duncker war am 15. Oktober 1811 in Berlin geboren.
Sein Vater hatte seit 1809 mit Pierre Humblot zusammen die Fröhlichsche


Grenzboten IV. 1336. 46
Max Duncker.

zu bilden, mußte zunächst dem Deutschtume im Süden, wo Slovenen und
Italiener es gefährdeten, zu Gute kommen; denn daß die Staatssprache, die
insbesondre Josef für den verwickelten Organismus seines Reiches zur Geltung
zu bringen suchte, die deutsche sein mußte, litt damals keinen Zweifel. Dem
Kaiser war es aber nicht bloß Mittel zum Zweck, er stand ihm auch mit dem
Herzen nahe, er war seit Jahrhunderten wieder der erste österreichische Herrscher,
der „stolz darauf war, ein Deutscher zu sein." Wie er seine Absichten nicht
erreichte und wie nach seinem Hingange die alte Absperrung gegen den deutschen
Geist und die alte Überwachung und Niederhaltung aller freieren Regungen von
neuem begannen und bis gegen die Mitte unsers Jahrhunderts fortwährten, ist
sattsam bekannt, und über das, was sich weiter entwickelte, werden wir in einem
spätern Artikel berichten, nachdem wir zunächst noch einen Rückblick auf die Ge¬
schicke der Deutschen in den österreichischen Sudeten- und Karpathcnländern ge¬
than haben werden.




Max Duncker.

s ist sehr erklärlich, daß in der Mehrzahl der Skizzen, welche
das Wesen und den Lebensgang des Mannes gezeichnet habe»,
dessen Andenken auch die folgenden Blätter festhalten sollen, der
Ausgang von der Thatsache genommen ist, daß Duncker seinem
Lehrer Raute und seinem Berufsgenossen Waitz so schnell im Tode
gefolgt ist. In der That ist der Verlust, welchen die historische Wissenschaft
durch das Abscheiden solcher Koryphäen erlitten hat, ein fast unersetzlicher,
zumal der wenig früher Heimgegangene I. G. Drossen von dieser Dreizahl
nicht getrennt zu denken ist. Gleichwohl sondert sich Duncker und mit ihm
Drossen von Ranke und Waitz nicht unerheblich; sie bilden eine Gruppe für
sich, die ihre eignen Wege ging und das engere Zusammengehören auch im
täglichen Verkehr zur Anschauung brachte. Beide waren ausgerüstet mit einer
allmählich selten werdenden philologischen Bildung, beide sind die berufensten
Darsteller des Griechentums, der eine für die Anfänge, der andre für den
Ausgang geworden. Und doch lag bei beiden das Herzeusinteresse anderswo,
es war dem Erstarken und dem Glänze des vaterländischen Staates zugewandt;
sie haben einen direkten Einfluß auch auf die Gegenwart ausüben wollen und
sind nicht nur Historiker, sondern auch Politiker gewesen.

Max Wolfgang Duncker war am 15. Oktober 1811 in Berlin geboren.
Sein Vater hatte seit 1809 mit Pierre Humblot zusammen die Fröhlichsche


Grenzboten IV. 1336. 46
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[0369] Max Duncker. zu bilden, mußte zunächst dem Deutschtume im Süden, wo Slovenen und Italiener es gefährdeten, zu Gute kommen; denn daß die Staatssprache, die insbesondre Josef für den verwickelten Organismus seines Reiches zur Geltung zu bringen suchte, die deutsche sein mußte, litt damals keinen Zweifel. Dem Kaiser war es aber nicht bloß Mittel zum Zweck, er stand ihm auch mit dem Herzen nahe, er war seit Jahrhunderten wieder der erste österreichische Herrscher, der „stolz darauf war, ein Deutscher zu sein." Wie er seine Absichten nicht erreichte und wie nach seinem Hingange die alte Absperrung gegen den deutschen Geist und die alte Überwachung und Niederhaltung aller freieren Regungen von neuem begannen und bis gegen die Mitte unsers Jahrhunderts fortwährten, ist sattsam bekannt, und über das, was sich weiter entwickelte, werden wir in einem spätern Artikel berichten, nachdem wir zunächst noch einen Rückblick auf die Ge¬ schicke der Deutschen in den österreichischen Sudeten- und Karpathcnländern ge¬ than haben werden. Max Duncker. s ist sehr erklärlich, daß in der Mehrzahl der Skizzen, welche das Wesen und den Lebensgang des Mannes gezeichnet habe», dessen Andenken auch die folgenden Blätter festhalten sollen, der Ausgang von der Thatsache genommen ist, daß Duncker seinem Lehrer Raute und seinem Berufsgenossen Waitz so schnell im Tode gefolgt ist. In der That ist der Verlust, welchen die historische Wissenschaft durch das Abscheiden solcher Koryphäen erlitten hat, ein fast unersetzlicher, zumal der wenig früher Heimgegangene I. G. Drossen von dieser Dreizahl nicht getrennt zu denken ist. Gleichwohl sondert sich Duncker und mit ihm Drossen von Ranke und Waitz nicht unerheblich; sie bilden eine Gruppe für sich, die ihre eignen Wege ging und das engere Zusammengehören auch im täglichen Verkehr zur Anschauung brachte. Beide waren ausgerüstet mit einer allmählich selten werdenden philologischen Bildung, beide sind die berufensten Darsteller des Griechentums, der eine für die Anfänge, der andre für den Ausgang geworden. Und doch lag bei beiden das Herzeusinteresse anderswo, es war dem Erstarken und dem Glänze des vaterländischen Staates zugewandt; sie haben einen direkten Einfluß auch auf die Gegenwart ausüben wollen und sind nicht nur Historiker, sondern auch Politiker gewesen. Max Wolfgang Duncker war am 15. Oktober 1811 in Berlin geboren. Sein Vater hatte seit 1809 mit Pierre Humblot zusammen die Fröhlichsche Grenzboten IV. 1336. 46

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_199353/369>, abgerufen am 29.04.2024.