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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal.

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Aus der Chronik derer von Riffelshausen.

Der alte Abel seufzte tief eins und ging, ohne seine" Strauß zu vollenden,
neben der gnädigen Frau her.

Ach, Frau Hofmarschnllin, wie ich ihn hernachmals wiedergesehen habe,
Baron Georgen, dacht' ich doch, es wäre ein Geist. So ernst waren die Augen,
und so alt war er in den paar Wochen geworden, daß mir der Jammer die
Kehle zuschnürte. Es kam ihm gar zu hart an. So scheu war er geworden,
daß seine Freunde ihn garnicht mehr zu sehen kriegten. Dem schönen Rappen,
seinem Lieblinge, gab er ein giftiges Pulver ein. Alle Lust war aus, es kam
eine ganz andre Zeit für Siebenhofen. Ja, gnädige Frau, der liebe Gott schickt,
was er will, und weiß, warum; aber ich kaun mir nicht helfen: unserm Baron
hätt' ich ein andres Leben ausgesucht.

Guter Abel! -- Aber er hat auch später erfahren, daß man ein tüchtiger
Mensch sein kann --

Auch ohne wie so ein Wasserfall herumzutoben. Ja ja, der Mühlbach
wird auch eingezwängt, ehe er die Räder treiben keine! Die roten Nelken, von
denen er nie litt, daß eine abgeschnitten wurde, bevor sie welk war, haben auch
'reingemnszt ins Glas, das in seinem Zimmer stand, und der gnädigen Frau
will ich nur mal eine abschneiden nach der langen Geschichte; Varon Georg
hätte sicherlich nichts dagegen.

Therese dachte, als sie sich dem Hause zuwandte, daß solche Anhänglichkeit
"ihn" doch beglücken müsse.

Die alten Bäume rauschten leise in der Morgenluft; sie hemmten den Blick
nach oben; durch die Zweige aber sah hie und da ein Stückchen des blauen
Sommerhimmels, und die Töne der Kirchenglocken zogen klar und weich über
das stille Dorf.




Vieruudzrvanzigstes Aapitel.

Eine Viertelstunde später wandelte die gesamte Hausgenossenschaft zu der
alten Kirche. Voraus der Hofmarschall mit Frau und Schwester, hinterher
Trakelberg mit den Kindern, dann die Dienerschaft. Sie verteilten sich in den
mit Holzschnitzerei verzierten Kirchenständen, um ihre Aufmerksamkeit einer
donnernden Predigt des von Trübensee herübergekommenen Andermütz z" widmen.
Aber dem besten Willen zum Trotze geschah es, daß Niffclshansen darüber nach¬
sann, ob wohl Karl Grün mit dem ihm dnrch die Separation zufallende:, Stück
Sumpfboden sich zufrieden geben würde oder nicht, daß Cäcilie sich gewaltig
an den Worten des Predigers ärgerte und zum Schluß bedauerte, nicht ein
Strickzeug mit in die Kirche nehmen zu können, und daß Valer die Schändlich¬
keit soweit trieb, scheinbar über das Gesangbuch gebeugt einen heimlich auf¬
gestöberten Roman zu lesen. Therese allein folgte mit Andacht des Redners


Aus der Chronik derer von Riffelshausen.

Der alte Abel seufzte tief eins und ging, ohne seine» Strauß zu vollenden,
neben der gnädigen Frau her.

Ach, Frau Hofmarschnllin, wie ich ihn hernachmals wiedergesehen habe,
Baron Georgen, dacht' ich doch, es wäre ein Geist. So ernst waren die Augen,
und so alt war er in den paar Wochen geworden, daß mir der Jammer die
Kehle zuschnürte. Es kam ihm gar zu hart an. So scheu war er geworden,
daß seine Freunde ihn garnicht mehr zu sehen kriegten. Dem schönen Rappen,
seinem Lieblinge, gab er ein giftiges Pulver ein. Alle Lust war aus, es kam
eine ganz andre Zeit für Siebenhofen. Ja, gnädige Frau, der liebe Gott schickt,
was er will, und weiß, warum; aber ich kaun mir nicht helfen: unserm Baron
hätt' ich ein andres Leben ausgesucht.

Guter Abel! — Aber er hat auch später erfahren, daß man ein tüchtiger
Mensch sein kann —

Auch ohne wie so ein Wasserfall herumzutoben. Ja ja, der Mühlbach
wird auch eingezwängt, ehe er die Räder treiben keine! Die roten Nelken, von
denen er nie litt, daß eine abgeschnitten wurde, bevor sie welk war, haben auch
'reingemnszt ins Glas, das in seinem Zimmer stand, und der gnädigen Frau
will ich nur mal eine abschneiden nach der langen Geschichte; Varon Georg
hätte sicherlich nichts dagegen.

Therese dachte, als sie sich dem Hause zuwandte, daß solche Anhänglichkeit
„ihn" doch beglücken müsse.

Die alten Bäume rauschten leise in der Morgenluft; sie hemmten den Blick
nach oben; durch die Zweige aber sah hie und da ein Stückchen des blauen
Sommerhimmels, und die Töne der Kirchenglocken zogen klar und weich über
das stille Dorf.




Vieruudzrvanzigstes Aapitel.

Eine Viertelstunde später wandelte die gesamte Hausgenossenschaft zu der
alten Kirche. Voraus der Hofmarschall mit Frau und Schwester, hinterher
Trakelberg mit den Kindern, dann die Dienerschaft. Sie verteilten sich in den
mit Holzschnitzerei verzierten Kirchenständen, um ihre Aufmerksamkeit einer
donnernden Predigt des von Trübensee herübergekommenen Andermütz z» widmen.
Aber dem besten Willen zum Trotze geschah es, daß Niffclshansen darüber nach¬
sann, ob wohl Karl Grün mit dem ihm dnrch die Separation zufallende:, Stück
Sumpfboden sich zufrieden geben würde oder nicht, daß Cäcilie sich gewaltig
an den Worten des Predigers ärgerte und zum Schluß bedauerte, nicht ein
Strickzeug mit in die Kirche nehmen zu können, und daß Valer die Schändlich¬
keit soweit trieb, scheinbar über das Gesangbuch gebeugt einen heimlich auf¬
gestöberten Roman zu lesen. Therese allein folgte mit Andacht des Redners


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[0046] Aus der Chronik derer von Riffelshausen. Der alte Abel seufzte tief eins und ging, ohne seine» Strauß zu vollenden, neben der gnädigen Frau her. Ach, Frau Hofmarschnllin, wie ich ihn hernachmals wiedergesehen habe, Baron Georgen, dacht' ich doch, es wäre ein Geist. So ernst waren die Augen, und so alt war er in den paar Wochen geworden, daß mir der Jammer die Kehle zuschnürte. Es kam ihm gar zu hart an. So scheu war er geworden, daß seine Freunde ihn garnicht mehr zu sehen kriegten. Dem schönen Rappen, seinem Lieblinge, gab er ein giftiges Pulver ein. Alle Lust war aus, es kam eine ganz andre Zeit für Siebenhofen. Ja, gnädige Frau, der liebe Gott schickt, was er will, und weiß, warum; aber ich kaun mir nicht helfen: unserm Baron hätt' ich ein andres Leben ausgesucht. Guter Abel! — Aber er hat auch später erfahren, daß man ein tüchtiger Mensch sein kann — Auch ohne wie so ein Wasserfall herumzutoben. Ja ja, der Mühlbach wird auch eingezwängt, ehe er die Räder treiben keine! Die roten Nelken, von denen er nie litt, daß eine abgeschnitten wurde, bevor sie welk war, haben auch 'reingemnszt ins Glas, das in seinem Zimmer stand, und der gnädigen Frau will ich nur mal eine abschneiden nach der langen Geschichte; Varon Georg hätte sicherlich nichts dagegen. Therese dachte, als sie sich dem Hause zuwandte, daß solche Anhänglichkeit „ihn" doch beglücken müsse. Die alten Bäume rauschten leise in der Morgenluft; sie hemmten den Blick nach oben; durch die Zweige aber sah hie und da ein Stückchen des blauen Sommerhimmels, und die Töne der Kirchenglocken zogen klar und weich über das stille Dorf. Vieruudzrvanzigstes Aapitel. Eine Viertelstunde später wandelte die gesamte Hausgenossenschaft zu der alten Kirche. Voraus der Hofmarschall mit Frau und Schwester, hinterher Trakelberg mit den Kindern, dann die Dienerschaft. Sie verteilten sich in den mit Holzschnitzerei verzierten Kirchenständen, um ihre Aufmerksamkeit einer donnernden Predigt des von Trübensee herübergekommenen Andermütz z» widmen. Aber dem besten Willen zum Trotze geschah es, daß Niffclshansen darüber nach¬ sann, ob wohl Karl Grün mit dem ihm dnrch die Separation zufallende:, Stück Sumpfboden sich zufrieden geben würde oder nicht, daß Cäcilie sich gewaltig an den Worten des Predigers ärgerte und zum Schluß bedauerte, nicht ein Strickzeug mit in die Kirche nehmen zu können, und daß Valer die Schändlich¬ keit soweit trieb, scheinbar über das Gesangbuch gebeugt einen heimlich auf¬ gestöberten Roman zu lesen. Therese allein folgte mit Andacht des Redners

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_199353/46>, abgerufen am 21.09.2024.