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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal.

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Aus der Chronik derer von Riffelshcmsen,

Worten, und auch sie mir, indem sie denselben ihren eignen demütigen und
liebevollen Sinn unterlegte.

Als mau mit den Scharen der festlich gekleideten Dorfbewohner die Kirche
verließ, bemerkte Therese, die Predigt sei doch recht schön gewesen.

Gewiß, sagte der Hofmarschall; das heißt, deine Tante Leontine pflegte
zu sagen, daß man auch aus der schlechtesten Predigt etwas Gutes mit uach
Hause nehmen könne.

Da bin ich durchaus nicht Ihrer Meinung, eiferte Cäcilie; ich habe mich
heute wieder recht über den alten Schreier geärgert. Soll das eine Auslegung
des Wortes Gottes sein? Wir sind doch keine Verbrecherkolonie! Aber glaubt
es mir nur, er wird die Leute noch aus der Kirche predigen, wie er es in
Trübensee schon gethan hat; denn nicht einmal schlafen können sie bei dem
Lärme. So alt wie er ist, wäre er gewiß längst den Weg alles Fleisches ge¬
gangen, wenn nicht Wut und Jähzorn ihn ans Leben klammerten!

Aber beste Cäcilie!

Ja, beste Cüeilie! Es ist doch, wie ich sage. Doch nnn werde ich dir
rasch zu einem kräftigen Frühstück verhelfen, Bohemund; der Wagen wird gleich
da sein. Der gute Andermütz konnte einmal wieder kein Ende finden.

Als bald darauf des Hofmarschalls Wagen davonrollte, kam Herr Trakel-
berg zu Therese.

Ich kann nicht leugnen, sagte er, daß es meinem Herzen wohlthun würde,
meinen in dem Herrn geliebten Bruder, den Pastor Kübelak in Moosdorf,
einmal wieder mit Angen zu schauen.

Aber der schattenlose Weg nach Moosdvrf wird heute angreifend sein!
meinte Therese.

Sollte ich mich scheuen, der Freundschaft einige Schweißtropfen zum Opfer
zu bringen? O, gnädige Frau, wie oft, wie sehr oft werden erbärmlichen
Zwecken weit größere Opfer gebracht!

Hiergegen ließ sich nichts sagen, und Herr Trakelberg ging davon, von
den Kindern ein Stück Weges begleitet.

Kaum aber hatte sich Therese ans Klavier gesetzt, als die Crispine
hereintrat.

Ach gnädige Frau, das gnädige Fräul'n hatten mir erlaubt, heute nach
Dettemb (Nicderdettenheim) zu gehen zu meiner Muhme, der ihr Ander-
geschwisterkindsvetter Hochzeit macht, und ob die gnädige Frau was dawider
Hütten?

Dies war nicht der Fall. Crispine machte sich fröhlich auf den Weg.
Schade, sagte sie zu Minna, daß ich unsre Früuleius nicht tanzen sehen kann!
Wenn's eben nicht der Andergeschwisterkindsvetter wär', ich bliebe hier.

Ach du! lachte die Minna, meinst wohl, ich wüßte nicht, daß dein Schatz
auch in Niederdettemb ist?


Aus der Chronik derer von Riffelshcmsen,

Worten, und auch sie mir, indem sie denselben ihren eignen demütigen und
liebevollen Sinn unterlegte.

Als mau mit den Scharen der festlich gekleideten Dorfbewohner die Kirche
verließ, bemerkte Therese, die Predigt sei doch recht schön gewesen.

Gewiß, sagte der Hofmarschall; das heißt, deine Tante Leontine pflegte
zu sagen, daß man auch aus der schlechtesten Predigt etwas Gutes mit uach
Hause nehmen könne.

Da bin ich durchaus nicht Ihrer Meinung, eiferte Cäcilie; ich habe mich
heute wieder recht über den alten Schreier geärgert. Soll das eine Auslegung
des Wortes Gottes sein? Wir sind doch keine Verbrecherkolonie! Aber glaubt
es mir nur, er wird die Leute noch aus der Kirche predigen, wie er es in
Trübensee schon gethan hat; denn nicht einmal schlafen können sie bei dem
Lärme. So alt wie er ist, wäre er gewiß längst den Weg alles Fleisches ge¬
gangen, wenn nicht Wut und Jähzorn ihn ans Leben klammerten!

Aber beste Cäcilie!

Ja, beste Cüeilie! Es ist doch, wie ich sage. Doch nnn werde ich dir
rasch zu einem kräftigen Frühstück verhelfen, Bohemund; der Wagen wird gleich
da sein. Der gute Andermütz konnte einmal wieder kein Ende finden.

Als bald darauf des Hofmarschalls Wagen davonrollte, kam Herr Trakel-
berg zu Therese.

Ich kann nicht leugnen, sagte er, daß es meinem Herzen wohlthun würde,
meinen in dem Herrn geliebten Bruder, den Pastor Kübelak in Moosdorf,
einmal wieder mit Angen zu schauen.

Aber der schattenlose Weg nach Moosdvrf wird heute angreifend sein!
meinte Therese.

Sollte ich mich scheuen, der Freundschaft einige Schweißtropfen zum Opfer
zu bringen? O, gnädige Frau, wie oft, wie sehr oft werden erbärmlichen
Zwecken weit größere Opfer gebracht!

Hiergegen ließ sich nichts sagen, und Herr Trakelberg ging davon, von
den Kindern ein Stück Weges begleitet.

Kaum aber hatte sich Therese ans Klavier gesetzt, als die Crispine
hereintrat.

Ach gnädige Frau, das gnädige Fräul'n hatten mir erlaubt, heute nach
Dettemb (Nicderdettenheim) zu gehen zu meiner Muhme, der ihr Ander-
geschwisterkindsvetter Hochzeit macht, und ob die gnädige Frau was dawider
Hütten?

Dies war nicht der Fall. Crispine machte sich fröhlich auf den Weg.
Schade, sagte sie zu Minna, daß ich unsre Früuleius nicht tanzen sehen kann!
Wenn's eben nicht der Andergeschwisterkindsvetter wär', ich bliebe hier.

Ach du! lachte die Minna, meinst wohl, ich wüßte nicht, daß dein Schatz
auch in Niederdettemb ist?


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_199353/47>, abgerufen am 16.05.2024.