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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal.

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Apostel der absoluten Gewerbefreiheit, Handelsfreiheit, Freizügigkeit, der allge¬
meinen "höhern" Bildung ein Loch hat, so soll der Krieg helfen. Die Me¬
dikamente will man nicht, folglich lvrrmri ot, iMem, Mögen die Thoren davor
bewahrt bleiben, ihr Rezept an sich selbst zu erproben!




Sie Geschichte der GotLhardbahn.

er heute auf sicherer Eiseuschieue in wenigen Stunden von den
herrliche" Ufern des Bierwaldstätter Sees nach den noch won¬
nigeren Gestaden der italienischen Seen hinüberfliegt, blickt mit
staunender Bewnndcuing auf das Werk, weiches durch Fels und
Hochgebirge hindurch diesen Weg gebahnt hat. Aber nur wenige
werden wohl eine genauere Vorstellung haben von dem ungeheuern Aufwande
an Menschengeist und Mcnschenkrnft, welcher nötig war, um dieses Riesenwerk
zu schaffen. Es liegt uns eine Geschichte der Gotthardbahn, dargestellt vo"
dem Archivar der Gvtthardgesellschaft Dr. Warner, in zwei starken Bänden
vor, von denen der erste (1880) die Begründung des Unternehmens, der
zweite (1885) den Bau der Bahn zum Gegenstande hat. Für die Leser dieser
Zeitschrift dürfte es von Interesse sein, wenn wir ihnen unter Benutzung dieser
Schrift in kurzen Züge" ein Bild der Geschichte vorführen.

Der Gotthardpaß als Verbindungsweg zwischen Italien und Deutschland
war dem Altertum noch nicht bekannt. Der große Se. Bernhard, der Julier
und der Sptügen waren die Pässe, welche die Römer vorzugsweise benutzten.
Erst um die Mitte des dreizehnten Jahrhunderts wird der Weg über den
Gotthard als Pilgerpfad genannt, um das Ende dieses Jahrhunderts auch der
Übergang von Waaren über denselben erwähnt. In einer Urkunde von 1309,
in welcher zuerst der Name "Se. Gotthard" vorkommt, wird auch schon der
"stäubenden Brücke" gedacht. Das war ein sechzig Meter langer, mit Ketten
am Felsen befestigter hölzerner Steg, welcher, über der tosenden Reuß schwebend,
durch den ungangbaren Felsenschlund den Weg vermittelte. Erst das im Jahre
1707 gesprengte Urner Loch machte denselben überflüssig. Der alte Weg über
den Gotthard war ein steilansteigender, holperiger Saumpfad, desfe" Überreste
noch jetzt vielfach zu sehen sind. Zuerst im Jahre 1775 wagte es ein Eng¬
länder, mit seinem Wagen über den Gotthard zu fahren, was ihm achtzehn
Karolin kostete. Es war ein Unternehmen, als ob man heute den Montblanc
besteigt. Später wurde dieses Unternehmen öfters wiederholt. Von Altdorf


Apostel der absoluten Gewerbefreiheit, Handelsfreiheit, Freizügigkeit, der allge¬
meinen „höhern" Bildung ein Loch hat, so soll der Krieg helfen. Die Me¬
dikamente will man nicht, folglich lvrrmri ot, iMem, Mögen die Thoren davor
bewahrt bleiben, ihr Rezept an sich selbst zu erproben!




Sie Geschichte der GotLhardbahn.

er heute auf sicherer Eiseuschieue in wenigen Stunden von den
herrliche» Ufern des Bierwaldstätter Sees nach den noch won¬
nigeren Gestaden der italienischen Seen hinüberfliegt, blickt mit
staunender Bewnndcuing auf das Werk, weiches durch Fels und
Hochgebirge hindurch diesen Weg gebahnt hat. Aber nur wenige
werden wohl eine genauere Vorstellung haben von dem ungeheuern Aufwande
an Menschengeist und Mcnschenkrnft, welcher nötig war, um dieses Riesenwerk
zu schaffen. Es liegt uns eine Geschichte der Gotthardbahn, dargestellt vo»
dem Archivar der Gvtthardgesellschaft Dr. Warner, in zwei starken Bänden
vor, von denen der erste (1880) die Begründung des Unternehmens, der
zweite (1885) den Bau der Bahn zum Gegenstande hat. Für die Leser dieser
Zeitschrift dürfte es von Interesse sein, wenn wir ihnen unter Benutzung dieser
Schrift in kurzen Züge» ein Bild der Geschichte vorführen.

Der Gotthardpaß als Verbindungsweg zwischen Italien und Deutschland
war dem Altertum noch nicht bekannt. Der große Se. Bernhard, der Julier
und der Sptügen waren die Pässe, welche die Römer vorzugsweise benutzten.
Erst um die Mitte des dreizehnten Jahrhunderts wird der Weg über den
Gotthard als Pilgerpfad genannt, um das Ende dieses Jahrhunderts auch der
Übergang von Waaren über denselben erwähnt. In einer Urkunde von 1309,
in welcher zuerst der Name „Se. Gotthard" vorkommt, wird auch schon der
„stäubenden Brücke" gedacht. Das war ein sechzig Meter langer, mit Ketten
am Felsen befestigter hölzerner Steg, welcher, über der tosenden Reuß schwebend,
durch den ungangbaren Felsenschlund den Weg vermittelte. Erst das im Jahre
1707 gesprengte Urner Loch machte denselben überflüssig. Der alte Weg über
den Gotthard war ein steilansteigender, holperiger Saumpfad, desfe» Überreste
noch jetzt vielfach zu sehen sind. Zuerst im Jahre 1775 wagte es ein Eng¬
länder, mit seinem Wagen über den Gotthard zu fahren, was ihm achtzehn
Karolin kostete. Es war ein Unternehmen, als ob man heute den Montblanc
besteigt. Später wurde dieses Unternehmen öfters wiederholt. Von Altdorf


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[0573] Apostel der absoluten Gewerbefreiheit, Handelsfreiheit, Freizügigkeit, der allge¬ meinen „höhern" Bildung ein Loch hat, so soll der Krieg helfen. Die Me¬ dikamente will man nicht, folglich lvrrmri ot, iMem, Mögen die Thoren davor bewahrt bleiben, ihr Rezept an sich selbst zu erproben! Sie Geschichte der GotLhardbahn. er heute auf sicherer Eiseuschieue in wenigen Stunden von den herrliche» Ufern des Bierwaldstätter Sees nach den noch won¬ nigeren Gestaden der italienischen Seen hinüberfliegt, blickt mit staunender Bewnndcuing auf das Werk, weiches durch Fels und Hochgebirge hindurch diesen Weg gebahnt hat. Aber nur wenige werden wohl eine genauere Vorstellung haben von dem ungeheuern Aufwande an Menschengeist und Mcnschenkrnft, welcher nötig war, um dieses Riesenwerk zu schaffen. Es liegt uns eine Geschichte der Gotthardbahn, dargestellt vo» dem Archivar der Gvtthardgesellschaft Dr. Warner, in zwei starken Bänden vor, von denen der erste (1880) die Begründung des Unternehmens, der zweite (1885) den Bau der Bahn zum Gegenstande hat. Für die Leser dieser Zeitschrift dürfte es von Interesse sein, wenn wir ihnen unter Benutzung dieser Schrift in kurzen Züge» ein Bild der Geschichte vorführen. Der Gotthardpaß als Verbindungsweg zwischen Italien und Deutschland war dem Altertum noch nicht bekannt. Der große Se. Bernhard, der Julier und der Sptügen waren die Pässe, welche die Römer vorzugsweise benutzten. Erst um die Mitte des dreizehnten Jahrhunderts wird der Weg über den Gotthard als Pilgerpfad genannt, um das Ende dieses Jahrhunderts auch der Übergang von Waaren über denselben erwähnt. In einer Urkunde von 1309, in welcher zuerst der Name „Se. Gotthard" vorkommt, wird auch schon der „stäubenden Brücke" gedacht. Das war ein sechzig Meter langer, mit Ketten am Felsen befestigter hölzerner Steg, welcher, über der tosenden Reuß schwebend, durch den ungangbaren Felsenschlund den Weg vermittelte. Erst das im Jahre 1707 gesprengte Urner Loch machte denselben überflüssig. Der alte Weg über den Gotthard war ein steilansteigender, holperiger Saumpfad, desfe» Überreste noch jetzt vielfach zu sehen sind. Zuerst im Jahre 1775 wagte es ein Eng¬ länder, mit seinem Wagen über den Gotthard zu fahren, was ihm achtzehn Karolin kostete. Es war ein Unternehmen, als ob man heute den Montblanc besteigt. Später wurde dieses Unternehmen öfters wiederholt. Von Altdorf

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_199353/573>, abgerufen am 29.04.2024.