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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal.

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Aus der Chronik derer von Riffelshcmsen.

tot; Mathilde und ich sind imstande, auf unsern Anteil am väterlichen Ver¬
mögen zu Vaters Gunsten zu verzichten, und das Gut hat Aussicht, sich sehr
zu heben, wenn mir jetzt Frieden bekommen.

Wie unverständig ist ein solcher Verzicht von Ihrer Seite! Glauben Sie,
daß Ihr Bruder Ihnen das Opfer jemals danken Mird? Was liegt Ihnen
daran, daß zwei Menschen ihre. Launen befriedigen, während es tausend andern
in demselben Falle versagt bleibt? Monika paßt auch garnicht zu Ihrem Bruder!
Er soll sich eine Frau suchen, die ihn in Ordnung hält, das thut nus Männern
not! Eine Frau, die ihm das Haus rein hält und seine Kinder zu Ehren-
männern erzieht; eine Frau, die sich nicht sogleich den Tod wünscht, wenn er
übellaunig nach Hause kommt, die nicht Zärtlichkeiten verlangt, sonder" Achtung,
kurzum, eine Frau wie Sie.

Er hatte mit Bitterkeit gesprochen. Julie hielt seinem finstern Blicke
Stand mit einer eigentümlichen Mischung von Mut und Angst.

Ich kann Sie nicht überzeugen, Graf; ich will Sie bitten! Es liegt in Ihrer
Hand, meinen einzigen Wunsch zu erfüllen.

Er sah sie an mit einem eigentümlichen Aufleuchten der Augen. O, Sie
wußten, was Sie thaten, als Sie selbst hierherkamen! Sie wußten, daß Sie,
und Sie allein, mich zwingen konnten. Ich gebe nach. Verheiraten Sie, wen
Sie wollen; aber kommen Sie nicht wieder in die Höhle des Löwen -- ich bin
kein Riffclshauseu!

Sie war sehr blaß geworden. Als er geendet hatte, stand sie auf, und er
geleitete sie schweigend die breite Marmvrtreppe hinunter. In der dunkeln
Halle befanden sich zu ihrer Erleichterung mehrere Diener. An der Thür ver¬
abschiedete er sich förmlich.




Achtnndvierzigstes Aapitel.

Noch an demselben Tage stattete Julie dem Onkel ausführlichen Bericht
ab. Schweigend und mit gesenktem Kavfe hörte sie Georg bis zu Ende an.

Wie kommst du aber dazu, dein Erbteil dem Bruder zu überlassen? fragte
er endlich.

Ich brauche nichts. Wenn Valerian meiner nicht mehr bedarf, gehe ich,
mit deiner Erlaubnis, in ein Krankenhaus. Dort hoffe ich für meine Kräfte
gute Verwendung zu finden.

Er sah ihr forschend in die Augen. Ist das dem Wunsch?

Ja, Onkel.

Gut. Wir wollen Petri fragen, ob er dir die körperliche Brauchbarkeit
für diesen anstrengenden Beruf zuspricht.
'

Hiermit war die Sache erledigt. Wie weit der Onkel damit zufrieden war,
vermochte Julie nicht herauszufinden.

Ein paar Tage später zog das junge Paar Richter nach Trübcnsee hinüber,
wo unter freundschaftlicher Mitwirkung der Familie Schefflingen das alte Pfarr¬
haus von oben bis unter neu hergerichtet wurde. Schesflingeus hatten gute
Nachrichten von Einnahm, der es sich zur Zeit in einem französischen Schlosse
recht wohl sein ließ.

Indessen ging es unter Petris Leitung und Juliens Pflege mit Vaters


Grenzboren IV. 188<>. 83
Aus der Chronik derer von Riffelshcmsen.

tot; Mathilde und ich sind imstande, auf unsern Anteil am väterlichen Ver¬
mögen zu Vaters Gunsten zu verzichten, und das Gut hat Aussicht, sich sehr
zu heben, wenn mir jetzt Frieden bekommen.

Wie unverständig ist ein solcher Verzicht von Ihrer Seite! Glauben Sie,
daß Ihr Bruder Ihnen das Opfer jemals danken Mird? Was liegt Ihnen
daran, daß zwei Menschen ihre. Launen befriedigen, während es tausend andern
in demselben Falle versagt bleibt? Monika paßt auch garnicht zu Ihrem Bruder!
Er soll sich eine Frau suchen, die ihn in Ordnung hält, das thut nus Männern
not! Eine Frau, die ihm das Haus rein hält und seine Kinder zu Ehren-
männern erzieht; eine Frau, die sich nicht sogleich den Tod wünscht, wenn er
übellaunig nach Hause kommt, die nicht Zärtlichkeiten verlangt, sonder» Achtung,
kurzum, eine Frau wie Sie.

Er hatte mit Bitterkeit gesprochen. Julie hielt seinem finstern Blicke
Stand mit einer eigentümlichen Mischung von Mut und Angst.

Ich kann Sie nicht überzeugen, Graf; ich will Sie bitten! Es liegt in Ihrer
Hand, meinen einzigen Wunsch zu erfüllen.

Er sah sie an mit einem eigentümlichen Aufleuchten der Augen. O, Sie
wußten, was Sie thaten, als Sie selbst hierherkamen! Sie wußten, daß Sie,
und Sie allein, mich zwingen konnten. Ich gebe nach. Verheiraten Sie, wen
Sie wollen; aber kommen Sie nicht wieder in die Höhle des Löwen — ich bin
kein Riffclshauseu!

Sie war sehr blaß geworden. Als er geendet hatte, stand sie auf, und er
geleitete sie schweigend die breite Marmvrtreppe hinunter. In der dunkeln
Halle befanden sich zu ihrer Erleichterung mehrere Diener. An der Thür ver¬
abschiedete er sich förmlich.




Achtnndvierzigstes Aapitel.

Noch an demselben Tage stattete Julie dem Onkel ausführlichen Bericht
ab. Schweigend und mit gesenktem Kavfe hörte sie Georg bis zu Ende an.

Wie kommst du aber dazu, dein Erbteil dem Bruder zu überlassen? fragte
er endlich.

Ich brauche nichts. Wenn Valerian meiner nicht mehr bedarf, gehe ich,
mit deiner Erlaubnis, in ein Krankenhaus. Dort hoffe ich für meine Kräfte
gute Verwendung zu finden.

Er sah ihr forschend in die Augen. Ist das dem Wunsch?

Ja, Onkel.

Gut. Wir wollen Petri fragen, ob er dir die körperliche Brauchbarkeit
für diesen anstrengenden Beruf zuspricht.
'

Hiermit war die Sache erledigt. Wie weit der Onkel damit zufrieden war,
vermochte Julie nicht herauszufinden.

Ein paar Tage später zog das junge Paar Richter nach Trübcnsee hinüber,
wo unter freundschaftlicher Mitwirkung der Familie Schefflingen das alte Pfarr¬
haus von oben bis unter neu hergerichtet wurde. Schesflingeus hatten gute
Nachrichten von Einnahm, der es sich zur Zeit in einem französischen Schlosse
recht wohl sein ließ.

Indessen ging es unter Petris Leitung und Juliens Pflege mit Vaters


Grenzboren IV. 188<>. 83
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[0665] Aus der Chronik derer von Riffelshcmsen. tot; Mathilde und ich sind imstande, auf unsern Anteil am väterlichen Ver¬ mögen zu Vaters Gunsten zu verzichten, und das Gut hat Aussicht, sich sehr zu heben, wenn mir jetzt Frieden bekommen. Wie unverständig ist ein solcher Verzicht von Ihrer Seite! Glauben Sie, daß Ihr Bruder Ihnen das Opfer jemals danken Mird? Was liegt Ihnen daran, daß zwei Menschen ihre. Launen befriedigen, während es tausend andern in demselben Falle versagt bleibt? Monika paßt auch garnicht zu Ihrem Bruder! Er soll sich eine Frau suchen, die ihn in Ordnung hält, das thut nus Männern not! Eine Frau, die ihm das Haus rein hält und seine Kinder zu Ehren- männern erzieht; eine Frau, die sich nicht sogleich den Tod wünscht, wenn er übellaunig nach Hause kommt, die nicht Zärtlichkeiten verlangt, sonder» Achtung, kurzum, eine Frau wie Sie. Er hatte mit Bitterkeit gesprochen. Julie hielt seinem finstern Blicke Stand mit einer eigentümlichen Mischung von Mut und Angst. Ich kann Sie nicht überzeugen, Graf; ich will Sie bitten! Es liegt in Ihrer Hand, meinen einzigen Wunsch zu erfüllen. Er sah sie an mit einem eigentümlichen Aufleuchten der Augen. O, Sie wußten, was Sie thaten, als Sie selbst hierherkamen! Sie wußten, daß Sie, und Sie allein, mich zwingen konnten. Ich gebe nach. Verheiraten Sie, wen Sie wollen; aber kommen Sie nicht wieder in die Höhle des Löwen — ich bin kein Riffclshauseu! Sie war sehr blaß geworden. Als er geendet hatte, stand sie auf, und er geleitete sie schweigend die breite Marmvrtreppe hinunter. In der dunkeln Halle befanden sich zu ihrer Erleichterung mehrere Diener. An der Thür ver¬ abschiedete er sich förmlich. Achtnndvierzigstes Aapitel. Noch an demselben Tage stattete Julie dem Onkel ausführlichen Bericht ab. Schweigend und mit gesenktem Kavfe hörte sie Georg bis zu Ende an. Wie kommst du aber dazu, dein Erbteil dem Bruder zu überlassen? fragte er endlich. Ich brauche nichts. Wenn Valerian meiner nicht mehr bedarf, gehe ich, mit deiner Erlaubnis, in ein Krankenhaus. Dort hoffe ich für meine Kräfte gute Verwendung zu finden. Er sah ihr forschend in die Augen. Ist das dem Wunsch? Ja, Onkel. Gut. Wir wollen Petri fragen, ob er dir die körperliche Brauchbarkeit für diesen anstrengenden Beruf zuspricht. ' Hiermit war die Sache erledigt. Wie weit der Onkel damit zufrieden war, vermochte Julie nicht herauszufinden. Ein paar Tage später zog das junge Paar Richter nach Trübcnsee hinüber, wo unter freundschaftlicher Mitwirkung der Familie Schefflingen das alte Pfarr¬ haus von oben bis unter neu hergerichtet wurde. Schesflingeus hatten gute Nachrichten von Einnahm, der es sich zur Zeit in einem französischen Schlosse recht wohl sein ließ. Indessen ging es unter Petris Leitung und Juliens Pflege mit Vaters Grenzboren IV. 188<>. 83

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_199353/665>, abgerufen am 29.04.2024.