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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr.

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Gespenster.

Wieder. Schmorrs Augen öffneten sich bald dafür, daß die höchste Meisterschaft
und Vortrefflichkeit nicht für die ihr folgende äußere Nachahmung und die ent-
geistigte Virtuosität verantwortlich gemacht werden dürfen und daß sie muster-
giltig bleiben müssen, weil sie mustergiltig sind. Auf der andern Seite ist es
Thorheit, zu vergesse", daß die Gruppe der jungen Künstler in Nom mit den
ihr dargebotenen Ratschlägen und Fingerzeigen nichts anfangen konnte. Wenn es
in der Einleitung zu der vorerwähnten Sammlung von Meyers kleinen Schriften
heißt, im Laufe der Zeit seien die ewig geltenden Wahrheiten, welche die Wei-
marischen Kunstfreunde aufgestellt haben, doch zur Geltung gekommen, oder der
Herausgeber betont, daß heute jeder den Meyerschen Satz unterschreiben werde,
daß ein Gemälde "darum nicht erbaulicher und vaterländischer sei, weil die An-
ordnung kunstlos, die Anordnung und die Wirkung von Licht und Schatten
fehlerhaft, das Kolorit des Fleisches eintönig, das Ganze flach und unfreund¬
lich ausfalle," so wird freilich niemand Widerspruch erheben. Cornelius, Schuvrr
und ihre besten Genossen aber waren sich bewußt, daß nicht die technische Un-
behilflichkeit und die Unzulänglichkeit des Naturstudiums sie zu den älteren
Bildern zurückzog, sondern der Hauch der Wahrheit, der Unmittelbarkeit, der
schlichten Hingebung an den Vorwurf, der sie aus denselben anwehte und cr-
anickte. Und in welchem Lichte mußten den jungen, ihrer Kräfte, ihrer höhern An¬
schauung sich bewußten Künstlern eine Kunstkritik erscheinen, die ihnen "den strengen
Ernst und die fast ängstliche Sorgfalt in der Nachbildung antiker Formell,
welche der berühmte Rafael Mengs zu Tage gelegt," die ihnen wieder und
wieder "Meister" wie Marou, Unterberger, Wilhelm Tischbein anpries! Es
konnte doch wahrlich nicht allein darauf ankommen, daß die Werke der Antike
und der Hochrenaissance als die vorzüglichsten erkannt und anerkannt, sondern
auch darauf, wie sie für die Gegenwart erfaßt und genützt wurden, und in diesem
Sinne sind auch die bezüglichen Äußerungen in Schmorrs Briefen ans Italien
aufzufassen. (Schluß folgt.)




Gespenster.
Lin Gespräch.

Wollen wir heute Schlittschuh laufen, Helene?


swald.

Nein.


Helene.

N Oswald. ein? Und das so kurzweg! Und dabei das herr¬
lichste Wetter, die prächtigste Bahn!

Helene. Ich werde überhaupt nie wieder mit einem Leutnant
Schlittschuh laufen.


Oswald.

Na, es kann doch keiner gleich Oberst sein.


Grenzbvwi I. 1887.41
Gespenster.

Wieder. Schmorrs Augen öffneten sich bald dafür, daß die höchste Meisterschaft
und Vortrefflichkeit nicht für die ihr folgende äußere Nachahmung und die ent-
geistigte Virtuosität verantwortlich gemacht werden dürfen und daß sie muster-
giltig bleiben müssen, weil sie mustergiltig sind. Auf der andern Seite ist es
Thorheit, zu vergesse», daß die Gruppe der jungen Künstler in Nom mit den
ihr dargebotenen Ratschlägen und Fingerzeigen nichts anfangen konnte. Wenn es
in der Einleitung zu der vorerwähnten Sammlung von Meyers kleinen Schriften
heißt, im Laufe der Zeit seien die ewig geltenden Wahrheiten, welche die Wei-
marischen Kunstfreunde aufgestellt haben, doch zur Geltung gekommen, oder der
Herausgeber betont, daß heute jeder den Meyerschen Satz unterschreiben werde,
daß ein Gemälde „darum nicht erbaulicher und vaterländischer sei, weil die An-
ordnung kunstlos, die Anordnung und die Wirkung von Licht und Schatten
fehlerhaft, das Kolorit des Fleisches eintönig, das Ganze flach und unfreund¬
lich ausfalle," so wird freilich niemand Widerspruch erheben. Cornelius, Schuvrr
und ihre besten Genossen aber waren sich bewußt, daß nicht die technische Un-
behilflichkeit und die Unzulänglichkeit des Naturstudiums sie zu den älteren
Bildern zurückzog, sondern der Hauch der Wahrheit, der Unmittelbarkeit, der
schlichten Hingebung an den Vorwurf, der sie aus denselben anwehte und cr-
anickte. Und in welchem Lichte mußten den jungen, ihrer Kräfte, ihrer höhern An¬
schauung sich bewußten Künstlern eine Kunstkritik erscheinen, die ihnen „den strengen
Ernst und die fast ängstliche Sorgfalt in der Nachbildung antiker Formell,
welche der berühmte Rafael Mengs zu Tage gelegt," die ihnen wieder und
wieder „Meister" wie Marou, Unterberger, Wilhelm Tischbein anpries! Es
konnte doch wahrlich nicht allein darauf ankommen, daß die Werke der Antike
und der Hochrenaissance als die vorzüglichsten erkannt und anerkannt, sondern
auch darauf, wie sie für die Gegenwart erfaßt und genützt wurden, und in diesem
Sinne sind auch die bezüglichen Äußerungen in Schmorrs Briefen ans Italien
aufzufassen. (Schluß folgt.)




Gespenster.
Lin Gespräch.

Wollen wir heute Schlittschuh laufen, Helene?


swald.

Nein.


Helene.

N Oswald. ein? Und das so kurzweg! Und dabei das herr¬
lichste Wetter, die prächtigste Bahn!

Helene. Ich werde überhaupt nie wieder mit einem Leutnant
Schlittschuh laufen.


Oswald.

Na, es kann doch keiner gleich Oberst sein.


Grenzbvwi I. 1887.41
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[0329] Gespenster. Wieder. Schmorrs Augen öffneten sich bald dafür, daß die höchste Meisterschaft und Vortrefflichkeit nicht für die ihr folgende äußere Nachahmung und die ent- geistigte Virtuosität verantwortlich gemacht werden dürfen und daß sie muster- giltig bleiben müssen, weil sie mustergiltig sind. Auf der andern Seite ist es Thorheit, zu vergesse», daß die Gruppe der jungen Künstler in Nom mit den ihr dargebotenen Ratschlägen und Fingerzeigen nichts anfangen konnte. Wenn es in der Einleitung zu der vorerwähnten Sammlung von Meyers kleinen Schriften heißt, im Laufe der Zeit seien die ewig geltenden Wahrheiten, welche die Wei- marischen Kunstfreunde aufgestellt haben, doch zur Geltung gekommen, oder der Herausgeber betont, daß heute jeder den Meyerschen Satz unterschreiben werde, daß ein Gemälde „darum nicht erbaulicher und vaterländischer sei, weil die An- ordnung kunstlos, die Anordnung und die Wirkung von Licht und Schatten fehlerhaft, das Kolorit des Fleisches eintönig, das Ganze flach und unfreund¬ lich ausfalle," so wird freilich niemand Widerspruch erheben. Cornelius, Schuvrr und ihre besten Genossen aber waren sich bewußt, daß nicht die technische Un- behilflichkeit und die Unzulänglichkeit des Naturstudiums sie zu den älteren Bildern zurückzog, sondern der Hauch der Wahrheit, der Unmittelbarkeit, der schlichten Hingebung an den Vorwurf, der sie aus denselben anwehte und cr- anickte. Und in welchem Lichte mußten den jungen, ihrer Kräfte, ihrer höhern An¬ schauung sich bewußten Künstlern eine Kunstkritik erscheinen, die ihnen „den strengen Ernst und die fast ängstliche Sorgfalt in der Nachbildung antiker Formell, welche der berühmte Rafael Mengs zu Tage gelegt," die ihnen wieder und wieder „Meister" wie Marou, Unterberger, Wilhelm Tischbein anpries! Es konnte doch wahrlich nicht allein darauf ankommen, daß die Werke der Antike und der Hochrenaissance als die vorzüglichsten erkannt und anerkannt, sondern auch darauf, wie sie für die Gegenwart erfaßt und genützt wurden, und in diesem Sinne sind auch die bezüglichen Äußerungen in Schmorrs Briefen ans Italien aufzufassen. (Schluß folgt.) Gespenster. Lin Gespräch. Wollen wir heute Schlittschuh laufen, Helene? swald. Nein. Helene. N Oswald. ein? Und das so kurzweg! Und dabei das herr¬ lichste Wetter, die prächtigste Bahn! Helene. Ich werde überhaupt nie wieder mit einem Leutnant Schlittschuh laufen. Oswald. Na, es kann doch keiner gleich Oberst sein. Grenzbvwi I. 1887.41

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200104/329>, abgerufen am 06.05.2024.