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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr.

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Die Opposition während des letzten Wahlkampfes.

eit dem Bestehen des Reiches war die Zeit von der Auflösung
des vorigen Reichstags bis zur Wahl des neuen die sorgenvollste,
die das deutsche Volk durchlebt hat. Was sie in sich barg,
konnte erst ihr Ende zeigen. Der Verlauf der politischen Be¬
wegung in Deutschland aber mit besondrer Berücksichtigung der
Opposition war so: Nachdem Zentrum und Deutschfreisinnige ihrem römisch-
welsischen Fanatismus und ihrem Haß gegen den leitenden Staatsmann, endlich
ihrer doktrinären Verranntheit am Ende des verflossenen Reichstags mit dem
Versuch, das Reich durch Ablehnung der Militärvorlagc wehrlos zu machen,
beredten Ausdruck gegeben hatten, fingen sie nach der Auflösung sofort an, das
für den 21. Februar zu neuen Wahlen berufene deutsche Volk mit allen Mitteln,
besonders durch Vorspiegelung einer drohenden, wilden Reaktion zu schrecken.
Indem sie von beabsichtigter Verfassungsverletzung redeten, versuchten sie so
der Negierung zu der schweren Sorge um die Sicherheit des Vaterlandes auch
noch den innern Konflikt aufzubürden. Und so groß war die Gewissenlosigkeit
dieser Opposition, daß sie dies alles betrieb, während Pferde, Schwefeläther
für den neuen Sprengstoff und Bretter zu Baracken, die die französische Vorhut
an der deutschen Grenze aufnehmen sollten, für Frankreich gekauft und schleunigst
eingeführt wurden. Das alles wußte man in Deutschland mit Sicherheit,
aber Römlinge und Deutschfreisinnige wollten es nicht wissen. Erklärte doch
die "Vossische Zeitung" alle zur Beunruhigung geeigneten Meldungen, wie sie
aus Hamburg, aus Mecklenburg, aus dem Elsaß, aus der Schweiz mit vollster
Sicherheit kamen, für bloße Wcchlmanövcr und rühmte dagegen die französische
Friedfertigkeit. Während Richter und Windthorst mit Sophismen und Intriguen


Grenzboten HI. 1887. 14


Die Opposition während des letzten Wahlkampfes.

eit dem Bestehen des Reiches war die Zeit von der Auflösung
des vorigen Reichstags bis zur Wahl des neuen die sorgenvollste,
die das deutsche Volk durchlebt hat. Was sie in sich barg,
konnte erst ihr Ende zeigen. Der Verlauf der politischen Be¬
wegung in Deutschland aber mit besondrer Berücksichtigung der
Opposition war so: Nachdem Zentrum und Deutschfreisinnige ihrem römisch-
welsischen Fanatismus und ihrem Haß gegen den leitenden Staatsmann, endlich
ihrer doktrinären Verranntheit am Ende des verflossenen Reichstags mit dem
Versuch, das Reich durch Ablehnung der Militärvorlagc wehrlos zu machen,
beredten Ausdruck gegeben hatten, fingen sie nach der Auflösung sofort an, das
für den 21. Februar zu neuen Wahlen berufene deutsche Volk mit allen Mitteln,
besonders durch Vorspiegelung einer drohenden, wilden Reaktion zu schrecken.
Indem sie von beabsichtigter Verfassungsverletzung redeten, versuchten sie so
der Negierung zu der schweren Sorge um die Sicherheit des Vaterlandes auch
noch den innern Konflikt aufzubürden. Und so groß war die Gewissenlosigkeit
dieser Opposition, daß sie dies alles betrieb, während Pferde, Schwefeläther
für den neuen Sprengstoff und Bretter zu Baracken, die die französische Vorhut
an der deutschen Grenze aufnehmen sollten, für Frankreich gekauft und schleunigst
eingeführt wurden. Das alles wußte man in Deutschland mit Sicherheit,
aber Römlinge und Deutschfreisinnige wollten es nicht wissen. Erklärte doch
die „Vossische Zeitung" alle zur Beunruhigung geeigneten Meldungen, wie sie
aus Hamburg, aus Mecklenburg, aus dem Elsaß, aus der Schweiz mit vollster
Sicherheit kamen, für bloße Wcchlmanövcr und rühmte dagegen die französische
Friedfertigkeit. Während Richter und Windthorst mit Sophismen und Intriguen


Grenzboten HI. 1887. 14
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[0113] [Abbildung] Die Opposition während des letzten Wahlkampfes. eit dem Bestehen des Reiches war die Zeit von der Auflösung des vorigen Reichstags bis zur Wahl des neuen die sorgenvollste, die das deutsche Volk durchlebt hat. Was sie in sich barg, konnte erst ihr Ende zeigen. Der Verlauf der politischen Be¬ wegung in Deutschland aber mit besondrer Berücksichtigung der Opposition war so: Nachdem Zentrum und Deutschfreisinnige ihrem römisch- welsischen Fanatismus und ihrem Haß gegen den leitenden Staatsmann, endlich ihrer doktrinären Verranntheit am Ende des verflossenen Reichstags mit dem Versuch, das Reich durch Ablehnung der Militärvorlagc wehrlos zu machen, beredten Ausdruck gegeben hatten, fingen sie nach der Auflösung sofort an, das für den 21. Februar zu neuen Wahlen berufene deutsche Volk mit allen Mitteln, besonders durch Vorspiegelung einer drohenden, wilden Reaktion zu schrecken. Indem sie von beabsichtigter Verfassungsverletzung redeten, versuchten sie so der Negierung zu der schweren Sorge um die Sicherheit des Vaterlandes auch noch den innern Konflikt aufzubürden. Und so groß war die Gewissenlosigkeit dieser Opposition, daß sie dies alles betrieb, während Pferde, Schwefeläther für den neuen Sprengstoff und Bretter zu Baracken, die die französische Vorhut an der deutschen Grenze aufnehmen sollten, für Frankreich gekauft und schleunigst eingeführt wurden. Das alles wußte man in Deutschland mit Sicherheit, aber Römlinge und Deutschfreisinnige wollten es nicht wissen. Erklärte doch die „Vossische Zeitung" alle zur Beunruhigung geeigneten Meldungen, wie sie aus Hamburg, aus Mecklenburg, aus dem Elsaß, aus der Schweiz mit vollster Sicherheit kamen, für bloße Wcchlmanövcr und rühmte dagegen die französische Friedfertigkeit. Während Richter und Windthorst mit Sophismen und Intriguen Grenzboten HI. 1887. 14

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200778/113>, abgerufen am 28.04.2024.