Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Kleinere Mitteilungen.
Ein altes Studentenlied,

das als Einleitung zum sogenannten Cerevisspiel
gesungen wird, lautet:


Lsrsvisiarn bibavt Iiomillss,
^nimslia, ostora kontss,
^.höle, g>d bruns-no
(^utturs xotas "anas.
Lie bibitur hio.

Natürlich betont man nach dem Accent, sodaß Wortton und Verston zusammen¬
fallen. Sieht man jedoch genauer zu, so findet man, daß wenigstens der zweite
Teil ein regelrechter, nach der Quantität gemessener Pentameter ist. Der Rest
aber verwandelt sich mit Leichtigkeit in einen Hexameter, wenn man anstatt esro-
visiain setzt vlna,. Und so steht es zu lesen beim Moscherosch in den satirischen
Gedichten Philanders von Sittewald (Teil 2, zweites Gesicht, Bd. 1 u. 2, S. 793,
Frankfurt, 1647). Der Verfasser erzählt da ungefähr folgendes:

Vier durstige Franzosen kommen nach Deutschland, weil sie gehört haben, daß
die Deutschen nicht mehr imstande sind, rechtschaffen zu trinken, und deshalb mit
Erlaubnis des Königs eine Trinkschule errichten wollen. Nonsiour, sagen sie unter
anderm in ihrem Kauderwelsch, tour onso ouom oxpros von ?aris dar, tour onso
Z'sin vis, of.n so Aout vin von Min v?i von al I^oirs als Kranes u. s. w. Aber
kaum haben sie ihre Absicht verkündigt, als der eine von ihnen von einer plötz¬
lichen Ohnmacht ergriffen wird, dergestalt, daß er sein letztes Stündlein heran¬
nahen fühlt. Infolgedessen erklärt er in längerer Rede, daß er sich angesichts
des Todes mit seinem grimmigsten Feinde, dem Wasser, versöhnen wolle, und be¬
schließt seine Beichte mit folgendem Bekenntnis: "Auch war das mein liebster
Spruch, den ich gelernt hatte: Vina, bitume, iwwinss, Minmlia, estsra tonlos." Zum
Beweise aber, daß es ihm ernst ist mit seiner Reue, fordert er ein Glas Wasser,
um es, was er niemals gethan hat, zu trinken. "Indem er nun -- fügt der
Berichterstatter hinzu -- dasselbe Glas mit Wasser an den Mund satzte und so¬
bald nit eingetrunken hatte, gab er seinen Geist auff und starb." Dann widmet
ihm einer von den anwesenden Deutschen eine Grabschrift, die folgendermaßen lautet:


Hin ligt blutta bloß
Frippon a Frcmtzoß.
Werfen, was ar that?
War a guotar prassar,
Starb doch letzt am wassar,
Ist jo jammarschad!

Die Freunde, die das hören, fangen an zu lachen und erinnern sich, ähnliche
Grabschriften der eine in Pommern, der andre in Köln gelesen zu haben. Es
sind bekannte Verse, die wir als Curiosa noch hersetzen wollen. Der angeblich in
Pommern gefundene Spruch ist folgender:


Hie liegt begraben Herr Welcher,
Ein Pfarrherr geWest ist welcher;
Er hat gelebt in Tugend und Zucht,
Ist gestorben an der Wassersucht.
Schau doch, lieber Leser frei,
Ist das nicht schad? Ey, ep!

Kleinere Mitteilungen.
Ein altes Studentenlied,

das als Einleitung zum sogenannten Cerevisspiel
gesungen wird, lautet:


Lsrsvisiarn bibavt Iiomillss,
^nimslia, ostora kontss,
^.höle, g>d bruns-no
(^utturs xotas »anas.
Lie bibitur hio.

Natürlich betont man nach dem Accent, sodaß Wortton und Verston zusammen¬
fallen. Sieht man jedoch genauer zu, so findet man, daß wenigstens der zweite
Teil ein regelrechter, nach der Quantität gemessener Pentameter ist. Der Rest
aber verwandelt sich mit Leichtigkeit in einen Hexameter, wenn man anstatt esro-
visiain setzt vlna,. Und so steht es zu lesen beim Moscherosch in den satirischen
Gedichten Philanders von Sittewald (Teil 2, zweites Gesicht, Bd. 1 u. 2, S. 793,
Frankfurt, 1647). Der Verfasser erzählt da ungefähr folgendes:

Vier durstige Franzosen kommen nach Deutschland, weil sie gehört haben, daß
die Deutschen nicht mehr imstande sind, rechtschaffen zu trinken, und deshalb mit
Erlaubnis des Königs eine Trinkschule errichten wollen. Nonsiour, sagen sie unter
anderm in ihrem Kauderwelsch, tour onso ouom oxpros von ?aris dar, tour onso
Z'sin vis, of.n so Aout vin von Min v?i von al I^oirs als Kranes u. s. w. Aber
kaum haben sie ihre Absicht verkündigt, als der eine von ihnen von einer plötz¬
lichen Ohnmacht ergriffen wird, dergestalt, daß er sein letztes Stündlein heran¬
nahen fühlt. Infolgedessen erklärt er in längerer Rede, daß er sich angesichts
des Todes mit seinem grimmigsten Feinde, dem Wasser, versöhnen wolle, und be¬
schließt seine Beichte mit folgendem Bekenntnis: „Auch war das mein liebster
Spruch, den ich gelernt hatte: Vina, bitume, iwwinss, Minmlia, estsra tonlos." Zum
Beweise aber, daß es ihm ernst ist mit seiner Reue, fordert er ein Glas Wasser,
um es, was er niemals gethan hat, zu trinken. „Indem er nun — fügt der
Berichterstatter hinzu — dasselbe Glas mit Wasser an den Mund satzte und so¬
bald nit eingetrunken hatte, gab er seinen Geist auff und starb." Dann widmet
ihm einer von den anwesenden Deutschen eine Grabschrift, die folgendermaßen lautet:


Hin ligt blutta bloß
Frippon a Frcmtzoß.
Werfen, was ar that?
War a guotar prassar,
Starb doch letzt am wassar,
Ist jo jammarschad!

Die Freunde, die das hören, fangen an zu lachen und erinnern sich, ähnliche
Grabschriften der eine in Pommern, der andre in Köln gelesen zu haben. Es
sind bekannte Verse, die wir als Curiosa noch hersetzen wollen. Der angeblich in
Pommern gefundene Spruch ist folgender:


Hie liegt begraben Herr Welcher,
Ein Pfarrherr geWest ist welcher;
Er hat gelebt in Tugend und Zucht,
Ist gestorben an der Wassersucht.
Schau doch, lieber Leser frei,
Ist das nicht schad? Ey, ep!

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0154" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/200933"/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Kleinere Mitteilungen.</head><lb/>
          <div n="2">
            <head> Ein altes Studentenlied,</head>
            <p xml:id="ID_496" next="#ID_497"> das als Einleitung zum sogenannten Cerevisspiel<lb/>
gesungen wird, lautet:</p><lb/>
            <quote> Lsrsvisiarn bibavt Iiomillss,<lb/>
^nimslia, ostora kontss,<lb/>
^.höle, g&gt;d bruns-no<lb/>
(^utturs xotas »anas.<lb/>
Lie bibitur hio.</quote><lb/>
            <p xml:id="ID_497" prev="#ID_496"> Natürlich betont man nach dem Accent, sodaß Wortton und Verston zusammen¬<lb/>
fallen. Sieht man jedoch genauer zu, so findet man, daß wenigstens der zweite<lb/>
Teil ein regelrechter, nach der Quantität gemessener Pentameter ist. Der Rest<lb/>
aber verwandelt sich mit Leichtigkeit in einen Hexameter, wenn man anstatt esro-<lb/>
visiain setzt vlna,. Und so steht es zu lesen beim Moscherosch in den satirischen<lb/>
Gedichten Philanders von Sittewald (Teil 2, zweites Gesicht, Bd. 1 u. 2, S. 793,<lb/>
Frankfurt, 1647).  Der Verfasser erzählt da ungefähr folgendes:</p><lb/>
            <p xml:id="ID_498"> Vier durstige Franzosen kommen nach Deutschland, weil sie gehört haben, daß<lb/>
die Deutschen nicht mehr imstande sind, rechtschaffen zu trinken, und deshalb mit<lb/>
Erlaubnis des Königs eine Trinkschule errichten wollen. Nonsiour, sagen sie unter<lb/>
anderm in ihrem Kauderwelsch, tour onso ouom oxpros von ?aris dar, tour onso<lb/>
Z'sin vis, of.n so Aout vin von Min v?i von al I^oirs als Kranes u. s. w. Aber<lb/>
kaum haben sie ihre Absicht verkündigt, als der eine von ihnen von einer plötz¬<lb/>
lichen Ohnmacht ergriffen wird, dergestalt, daß er sein letztes Stündlein heran¬<lb/>
nahen fühlt. Infolgedessen erklärt er in längerer Rede, daß er sich angesichts<lb/>
des Todes mit seinem grimmigsten Feinde, dem Wasser, versöhnen wolle, und be¬<lb/>
schließt seine Beichte mit folgendem Bekenntnis: &#x201E;Auch war das mein liebster<lb/>
Spruch, den ich gelernt hatte: Vina, bitume, iwwinss, Minmlia, estsra tonlos." Zum<lb/>
Beweise aber, daß es ihm ernst ist mit seiner Reue, fordert er ein Glas Wasser,<lb/>
um es, was er niemals gethan hat, zu trinken. &#x201E;Indem er nun &#x2014; fügt der<lb/>
Berichterstatter hinzu &#x2014; dasselbe Glas mit Wasser an den Mund satzte und so¬<lb/>
bald nit eingetrunken hatte, gab er seinen Geist auff und starb." Dann widmet<lb/>
ihm einer von den anwesenden Deutschen eine Grabschrift, die folgendermaßen lautet:</p><lb/>
            <quote>
              <lg xml:id="POEMID_7" type="poem">
                <l> Hin ligt blutta bloß<lb/>
Frippon a Frcmtzoß.<lb/>
Werfen, was ar that?<lb/>
War a guotar prassar,<lb/>
Starb doch letzt am wassar,<lb/>
Ist jo jammarschad!</l>
              </lg>
            </quote><lb/>
            <p xml:id="ID_499" next="#ID_500"> Die Freunde, die das hören, fangen an zu lachen und erinnern sich, ähnliche<lb/>
Grabschriften der eine in Pommern, der andre in Köln gelesen zu haben. Es<lb/>
sind bekannte Verse, die wir als Curiosa noch hersetzen wollen. Der angeblich in<lb/>
Pommern gefundene Spruch ist folgender:</p><lb/>
            <quote>
              <lg xml:id="POEMID_8" type="poem">
                <l> Hie liegt begraben Herr Welcher,<lb/>
Ein Pfarrherr geWest ist welcher;<lb/>
Er hat gelebt in Tugend und Zucht,<lb/>
Ist gestorben an der Wassersucht.<lb/>
Schau doch, lieber Leser frei,<lb/>
Ist das nicht schad? Ey, ep!</l>
              </lg>
            </quote><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0154] Kleinere Mitteilungen. Ein altes Studentenlied, das als Einleitung zum sogenannten Cerevisspiel gesungen wird, lautet: Lsrsvisiarn bibavt Iiomillss, ^nimslia, ostora kontss, ^.höle, g>d bruns-no (^utturs xotas »anas. Lie bibitur hio. Natürlich betont man nach dem Accent, sodaß Wortton und Verston zusammen¬ fallen. Sieht man jedoch genauer zu, so findet man, daß wenigstens der zweite Teil ein regelrechter, nach der Quantität gemessener Pentameter ist. Der Rest aber verwandelt sich mit Leichtigkeit in einen Hexameter, wenn man anstatt esro- visiain setzt vlna,. Und so steht es zu lesen beim Moscherosch in den satirischen Gedichten Philanders von Sittewald (Teil 2, zweites Gesicht, Bd. 1 u. 2, S. 793, Frankfurt, 1647). Der Verfasser erzählt da ungefähr folgendes: Vier durstige Franzosen kommen nach Deutschland, weil sie gehört haben, daß die Deutschen nicht mehr imstande sind, rechtschaffen zu trinken, und deshalb mit Erlaubnis des Königs eine Trinkschule errichten wollen. Nonsiour, sagen sie unter anderm in ihrem Kauderwelsch, tour onso ouom oxpros von ?aris dar, tour onso Z'sin vis, of.n so Aout vin von Min v?i von al I^oirs als Kranes u. s. w. Aber kaum haben sie ihre Absicht verkündigt, als der eine von ihnen von einer plötz¬ lichen Ohnmacht ergriffen wird, dergestalt, daß er sein letztes Stündlein heran¬ nahen fühlt. Infolgedessen erklärt er in längerer Rede, daß er sich angesichts des Todes mit seinem grimmigsten Feinde, dem Wasser, versöhnen wolle, und be¬ schließt seine Beichte mit folgendem Bekenntnis: „Auch war das mein liebster Spruch, den ich gelernt hatte: Vina, bitume, iwwinss, Minmlia, estsra tonlos." Zum Beweise aber, daß es ihm ernst ist mit seiner Reue, fordert er ein Glas Wasser, um es, was er niemals gethan hat, zu trinken. „Indem er nun — fügt der Berichterstatter hinzu — dasselbe Glas mit Wasser an den Mund satzte und so¬ bald nit eingetrunken hatte, gab er seinen Geist auff und starb." Dann widmet ihm einer von den anwesenden Deutschen eine Grabschrift, die folgendermaßen lautet: Hin ligt blutta bloß Frippon a Frcmtzoß. Werfen, was ar that? War a guotar prassar, Starb doch letzt am wassar, Ist jo jammarschad! Die Freunde, die das hören, fangen an zu lachen und erinnern sich, ähnliche Grabschriften der eine in Pommern, der andre in Köln gelesen zu haben. Es sind bekannte Verse, die wir als Curiosa noch hersetzen wollen. Der angeblich in Pommern gefundene Spruch ist folgender: Hie liegt begraben Herr Welcher, Ein Pfarrherr geWest ist welcher; Er hat gelebt in Tugend und Zucht, Ist gestorben an der Wassersucht. Schau doch, lieber Leser frei, Ist das nicht schad? Ey, ep!

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200778
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200778/154
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200778/154>, abgerufen am 29.04.2024.