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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr.

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Aus einem Kriegstagebuche.
(Schluß.)

ente waren weniger Franzosen in der Stadt sichtbar, es muß
etwas bei ihnen vorgehen. Auch bringt die Post wieder einige
Sachen und Briefe von Se. Johann zu uns herüber in mög¬
lichst privater Form. So kam eine lakonische Anfrage an mich:
,Lebt ihr noch?" Ich ersah daraus, daß man eine kurze
Zeitungsnotiz, die Franzosen hätten unsre Städte in Brand geschossen, doch
allzu wörtlich genommen hatte. Man behandelt uns im Gegenteil sehr
glimpflich, wie Leute, die man einst für sich gewinnen und behalten will. Man
hatte schon einen Maire für unsre Stadt im Auge, auch einen Direktor der
fiskalischen Saarkohleubergwerke, die an Frankreich übergehen sollten. Damit
wird es wohl nichts werden.

Soeben wird auf den Höhen in eigentümlicher Weise mit französischen
Signalen operirt. Einige wollen behaupten, die Franzosen seien im Begriff,
abzuziehen. Ein Mann, der von Umnak kam, wußte noch mehr zu erzählen
und begeisterte uns sehr. Er sagte, gestern Abend sei bei dem Obersten in U

nak eine Depesche angekommen, wonach die Franzosen in der Gegend von
Weißenburg eine Schlappe erlitten hätten. Darauf hätte der Oberst die Offi¬
ziere um sich versammelt, in aller Heimlichkeit. Und als die Offiziere wieder
entlassen worden seien, habe er zu seinem Quartierwirt gesagt: "Wir verlasse"
Umnak morgen. Wenn Sie mein Regiment noch einmal sehen wollen, müssen
Sie uns in Paris besuchen." Das war für uns wie Manna; eine wahre
Prophetie. Der Siegeszug nach Berlin war demnach aufgegeben worden. Wir
hatten geglaubt, die ersten Treffen würden für uns unglücklich sein. Nach dem,
was uns aus Umnak gemeldet worden ist, muß gleich das erste Treffen für
uns siegreich gewesen sein.




Aus einem Kriegstagebuche.
(Schluß.)

ente waren weniger Franzosen in der Stadt sichtbar, es muß
etwas bei ihnen vorgehen. Auch bringt die Post wieder einige
Sachen und Briefe von Se. Johann zu uns herüber in mög¬
lichst privater Form. So kam eine lakonische Anfrage an mich:
,Lebt ihr noch?" Ich ersah daraus, daß man eine kurze
Zeitungsnotiz, die Franzosen hätten unsre Städte in Brand geschossen, doch
allzu wörtlich genommen hatte. Man behandelt uns im Gegenteil sehr
glimpflich, wie Leute, die man einst für sich gewinnen und behalten will. Man
hatte schon einen Maire für unsre Stadt im Auge, auch einen Direktor der
fiskalischen Saarkohleubergwerke, die an Frankreich übergehen sollten. Damit
wird es wohl nichts werden.

Soeben wird auf den Höhen in eigentümlicher Weise mit französischen
Signalen operirt. Einige wollen behaupten, die Franzosen seien im Begriff,
abzuziehen. Ein Mann, der von Umnak kam, wußte noch mehr zu erzählen
und begeisterte uns sehr. Er sagte, gestern Abend sei bei dem Obersten in U

nak eine Depesche angekommen, wonach die Franzosen in der Gegend von
Weißenburg eine Schlappe erlitten hätten. Darauf hätte der Oberst die Offi¬
ziere um sich versammelt, in aller Heimlichkeit. Und als die Offiziere wieder
entlassen worden seien, habe er zu seinem Quartierwirt gesagt: „Wir verlasse»
Umnak morgen. Wenn Sie mein Regiment noch einmal sehen wollen, müssen
Sie uns in Paris besuchen." Das war für uns wie Manna; eine wahre
Prophetie. Der Siegeszug nach Berlin war demnach aufgegeben worden. Wir
hatten geglaubt, die ersten Treffen würden für uns unglücklich sein. Nach dem,
was uns aus Umnak gemeldet worden ist, muß gleich das erste Treffen für
uns siegreich gewesen sein.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200778/301>, abgerufen am 29.04.2024.