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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr.

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Goethes Frau.

sein will. Das Verfahren des Reichsstrafgesetzbuches, ihn in einem eignen Ab¬
schnitte zu behandeln, ist daher durchaus gerechtfertigt. Damit ist freilich noch
nicht erwiesen, ob die einzelnen Bestimmungen desselben nicht verbesserungsfähig
sind. Wir geben die Verbesserungsfähigkeit derselben, wenn anch im wesent¬
lichen nur in Bezug auf die Strafandrohungen, zu, müssen aber bestreiten, daß
ein dringendes Bedürfnis für Verbesserungen vorliege. Immer aber müßten
bei Veränderungen des Gesetzes die Grundsätze desselben festgehalten werden,
daß der Zweikampf kein Verbrechen gegen die Person, sondern ein Verbrechen
gegen den Staat, daß strafbar nicht der einzelne Angriff jedes Duellanten gegen
den andern ist, sondern allein ihr gemeinsamer Angriff gegen die Staatsgewalt.


Heinrich Freih. von Zedlitz.


Goethes Frau.

on der Parteien Gunst und Haß verwirrt, schwankt das Cha¬
rakterbild von Goethes Frau in der deutschen Literaturgeschichte.
Nur daß die Partei der Mißgünstigen erheblich überwiegt. Neuer¬
dings mehren sich aber doch die Stimmen, welche verlangen, daß
ein nun bald hundertjähriges Unrecht an dieser Frau wieder gut
gemacht werde. Im Frühjahre 1888 sind hundert Jahre verflossen, seitdem
der große Goethe seine "kleine Freundin" fand, und seit diesen hundert Jahren
ist dieses Wesen von Berufenen und Unberufenen, von Frommen und Welt¬
kindern, von Männern und Frauen mit Vorwürfen und Verleumdungen über¬
schüttet worden, so überschüttet worden, daß es schwere Mühe kostet, die Arme
unter diesem Berge wieder herauszugrabcn. Der erste, der sich dieser Mühe
in neuerer Zeit unterzog, war ein bmerischer Gymnasiallehrer I. Herzfelder,
der eine kleine Monographie veröffentlicht hat: Christiane Vulpius. Eine Studie
zu Goethes Leben. (München, M. Rieger, 1884.) Er hat im Anschluß an
die von Riemer und Keil eingenommene Stellung zum erstenmale das Thema
monographisch behandelt und alle einschlägigen Beweisstellen mit großem Fleiße
gesammelt. So groß dies Verdienst ist, so ist es doch von noch größerem
Werte, daß sich neuerdings gerade Frauen ihrer vielverleumdeten Schwester an¬
genommen haben: so geschah dies im vorigen Jahre durch die bekannte Roman¬
schriftstellerin Emma Brauns in einer Reihe von Aufsätzen " Christiane von
Goethe" in der "Saale-Zeitung" (Ur. 103 bis 115). Auch die neueste Publi¬
kation über diesen Gegenstand dürfte, obwohl der Herausgeber nicht genannt
ist, von einer Frau herrühren. Die mit Fleiß und Sorgfalt ausgearbeitete,


Goethes Frau.

sein will. Das Verfahren des Reichsstrafgesetzbuches, ihn in einem eignen Ab¬
schnitte zu behandeln, ist daher durchaus gerechtfertigt. Damit ist freilich noch
nicht erwiesen, ob die einzelnen Bestimmungen desselben nicht verbesserungsfähig
sind. Wir geben die Verbesserungsfähigkeit derselben, wenn anch im wesent¬
lichen nur in Bezug auf die Strafandrohungen, zu, müssen aber bestreiten, daß
ein dringendes Bedürfnis für Verbesserungen vorliege. Immer aber müßten
bei Veränderungen des Gesetzes die Grundsätze desselben festgehalten werden,
daß der Zweikampf kein Verbrechen gegen die Person, sondern ein Verbrechen
gegen den Staat, daß strafbar nicht der einzelne Angriff jedes Duellanten gegen
den andern ist, sondern allein ihr gemeinsamer Angriff gegen die Staatsgewalt.


Heinrich Freih. von Zedlitz.


Goethes Frau.

on der Parteien Gunst und Haß verwirrt, schwankt das Cha¬
rakterbild von Goethes Frau in der deutschen Literaturgeschichte.
Nur daß die Partei der Mißgünstigen erheblich überwiegt. Neuer¬
dings mehren sich aber doch die Stimmen, welche verlangen, daß
ein nun bald hundertjähriges Unrecht an dieser Frau wieder gut
gemacht werde. Im Frühjahre 1888 sind hundert Jahre verflossen, seitdem
der große Goethe seine „kleine Freundin" fand, und seit diesen hundert Jahren
ist dieses Wesen von Berufenen und Unberufenen, von Frommen und Welt¬
kindern, von Männern und Frauen mit Vorwürfen und Verleumdungen über¬
schüttet worden, so überschüttet worden, daß es schwere Mühe kostet, die Arme
unter diesem Berge wieder herauszugrabcn. Der erste, der sich dieser Mühe
in neuerer Zeit unterzog, war ein bmerischer Gymnasiallehrer I. Herzfelder,
der eine kleine Monographie veröffentlicht hat: Christiane Vulpius. Eine Studie
zu Goethes Leben. (München, M. Rieger, 1884.) Er hat im Anschluß an
die von Riemer und Keil eingenommene Stellung zum erstenmale das Thema
monographisch behandelt und alle einschlägigen Beweisstellen mit großem Fleiße
gesammelt. So groß dies Verdienst ist, so ist es doch von noch größerem
Werte, daß sich neuerdings gerade Frauen ihrer vielverleumdeten Schwester an¬
genommen haben: so geschah dies im vorigen Jahre durch die bekannte Roman¬
schriftstellerin Emma Brauns in einer Reihe von Aufsätzen „ Christiane von
Goethe" in der „Saale-Zeitung" (Ur. 103 bis 115). Auch die neueste Publi¬
kation über diesen Gegenstand dürfte, obwohl der Herausgeber nicht genannt
ist, von einer Frau herrühren. Die mit Fleiß und Sorgfalt ausgearbeitete,


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[0471] Goethes Frau. sein will. Das Verfahren des Reichsstrafgesetzbuches, ihn in einem eignen Ab¬ schnitte zu behandeln, ist daher durchaus gerechtfertigt. Damit ist freilich noch nicht erwiesen, ob die einzelnen Bestimmungen desselben nicht verbesserungsfähig sind. Wir geben die Verbesserungsfähigkeit derselben, wenn anch im wesent¬ lichen nur in Bezug auf die Strafandrohungen, zu, müssen aber bestreiten, daß ein dringendes Bedürfnis für Verbesserungen vorliege. Immer aber müßten bei Veränderungen des Gesetzes die Grundsätze desselben festgehalten werden, daß der Zweikampf kein Verbrechen gegen die Person, sondern ein Verbrechen gegen den Staat, daß strafbar nicht der einzelne Angriff jedes Duellanten gegen den andern ist, sondern allein ihr gemeinsamer Angriff gegen die Staatsgewalt. Heinrich Freih. von Zedlitz. Goethes Frau. on der Parteien Gunst und Haß verwirrt, schwankt das Cha¬ rakterbild von Goethes Frau in der deutschen Literaturgeschichte. Nur daß die Partei der Mißgünstigen erheblich überwiegt. Neuer¬ dings mehren sich aber doch die Stimmen, welche verlangen, daß ein nun bald hundertjähriges Unrecht an dieser Frau wieder gut gemacht werde. Im Frühjahre 1888 sind hundert Jahre verflossen, seitdem der große Goethe seine „kleine Freundin" fand, und seit diesen hundert Jahren ist dieses Wesen von Berufenen und Unberufenen, von Frommen und Welt¬ kindern, von Männern und Frauen mit Vorwürfen und Verleumdungen über¬ schüttet worden, so überschüttet worden, daß es schwere Mühe kostet, die Arme unter diesem Berge wieder herauszugrabcn. Der erste, der sich dieser Mühe in neuerer Zeit unterzog, war ein bmerischer Gymnasiallehrer I. Herzfelder, der eine kleine Monographie veröffentlicht hat: Christiane Vulpius. Eine Studie zu Goethes Leben. (München, M. Rieger, 1884.) Er hat im Anschluß an die von Riemer und Keil eingenommene Stellung zum erstenmale das Thema monographisch behandelt und alle einschlägigen Beweisstellen mit großem Fleiße gesammelt. So groß dies Verdienst ist, so ist es doch von noch größerem Werte, daß sich neuerdings gerade Frauen ihrer vielverleumdeten Schwester an¬ genommen haben: so geschah dies im vorigen Jahre durch die bekannte Roman¬ schriftstellerin Emma Brauns in einer Reihe von Aufsätzen „ Christiane von Goethe" in der „Saale-Zeitung" (Ur. 103 bis 115). Auch die neueste Publi¬ kation über diesen Gegenstand dürfte, obwohl der Herausgeber nicht genannt ist, von einer Frau herrühren. Die mit Fleiß und Sorgfalt ausgearbeitete,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200778/471>, abgerufen am 29.04.2024.