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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr.

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Zwei Schriftstücke von Friedrich Rochlitz.

Haltung seiner Kinder von der öffentlichen Volksschule ersparten Schulgeld endlich
ermöglicht niemand die Benutzung einer Privatschule oder höhern Lehranstalt,
da bei allen diesen das Schulgeld sehr viel höher als bei den öffentlichen
Volksschulen ist. Und für wen wirklich die infolge der Aufhebung des Schul¬
geldes eintretende Erhöhung der Schulsteuern eine solche Rolle spielt, daß er
deshalb seine Kinder keine höhere Lehranstalt besuchen lassen kaun, der thut
auch sehr viel besser daran, dies zu unterlassen. Er würde sonst in der großen
Mehrzahl der Fälle seine Kinder nur zu geistigen Proletariern erziehen, sie in
Kreise bringen, in welchen sie sich ihrer Vermögensverhältnisse wegen stets beengt
und daher immer unzufrieden fühlen würden. (Schluß folgt.)




Zwei Schriftstücke von Friedrich Rochlitz.
2. Sein Testament.

chon vor 1839 hatte Rochlitz ein Testament gemacht und
wohl auch gerichtlich niedergelegt. Veränderungen der dama¬
ligen Umstände bewogen ihn aber, dieses Testament wieder zu¬
rückzuziehen und im Oktober und November 1839 ein neues
abzufassen, das er am 11. November bei dem Leipziger Stadt¬
gerichte niederlegte. Dieses nebst einem Kodizill, das er noch im Oktober
1842, also wenige Wochen vor seinem Tode, niederschrieb und das sich in seinein
Nachlaß vorfand -- wird in seinem vollen Wortlaute im folgenden mitgeteilt.

Mancher wird vielleicht fragen, ob es nicht genügt hätte, hier eine Aus¬
wahl aus den Bestimmungen des Testaments zu treffen, nur das kunst- und
literargeschichtlich merkwürdige mitzuteilen, alles übrige aber wegzulassen. Diese
Frage scheint auf den ersten Blick berechtigt. Dennoch schien es zweckmüßiger,
das Ganze unverkürzt mitzuteilen. Schon aus stilistischen Gründen. Es handelt
sich nicht um ein nach der Notarschablone jener Zeit abgefaßtes Schriftstück,
sondern um ein Erzeugnis aus Nvchlitzens Feder, das vom Anfang bis zum Ende
von ihm selbst niedergeschrieben ist, und das als ein wohlgegliedertes Ganze
auch verdient, nicht zerpflückt, sondern im Zusammenhange gelesen zu werden.
Aber auch um des Inhalts willen. Nicht nur, daß die Beziehungen zu Ver¬
wandten und Freunden, wie sie sich aus dem Testament ergeben, das, was
Biedermann von biographischen Notizen über Rochlitz beigebracht hat, willkommen
ergänzen: die ganze Persönlichkeit des Mannes, sein frommer Sinn, seine herz¬
liche Anhänglichkeit an die Seinigen, sein Wohlwollen, seine Gerechtigkeit, seine


Zwei Schriftstücke von Friedrich Rochlitz.

Haltung seiner Kinder von der öffentlichen Volksschule ersparten Schulgeld endlich
ermöglicht niemand die Benutzung einer Privatschule oder höhern Lehranstalt,
da bei allen diesen das Schulgeld sehr viel höher als bei den öffentlichen
Volksschulen ist. Und für wen wirklich die infolge der Aufhebung des Schul¬
geldes eintretende Erhöhung der Schulsteuern eine solche Rolle spielt, daß er
deshalb seine Kinder keine höhere Lehranstalt besuchen lassen kaun, der thut
auch sehr viel besser daran, dies zu unterlassen. Er würde sonst in der großen
Mehrzahl der Fälle seine Kinder nur zu geistigen Proletariern erziehen, sie in
Kreise bringen, in welchen sie sich ihrer Vermögensverhältnisse wegen stets beengt
und daher immer unzufrieden fühlen würden. (Schluß folgt.)




Zwei Schriftstücke von Friedrich Rochlitz.
2. Sein Testament.

chon vor 1839 hatte Rochlitz ein Testament gemacht und
wohl auch gerichtlich niedergelegt. Veränderungen der dama¬
ligen Umstände bewogen ihn aber, dieses Testament wieder zu¬
rückzuziehen und im Oktober und November 1839 ein neues
abzufassen, das er am 11. November bei dem Leipziger Stadt¬
gerichte niederlegte. Dieses nebst einem Kodizill, das er noch im Oktober
1842, also wenige Wochen vor seinem Tode, niederschrieb und das sich in seinein
Nachlaß vorfand — wird in seinem vollen Wortlaute im folgenden mitgeteilt.

Mancher wird vielleicht fragen, ob es nicht genügt hätte, hier eine Aus¬
wahl aus den Bestimmungen des Testaments zu treffen, nur das kunst- und
literargeschichtlich merkwürdige mitzuteilen, alles übrige aber wegzulassen. Diese
Frage scheint auf den ersten Blick berechtigt. Dennoch schien es zweckmüßiger,
das Ganze unverkürzt mitzuteilen. Schon aus stilistischen Gründen. Es handelt
sich nicht um ein nach der Notarschablone jener Zeit abgefaßtes Schriftstück,
sondern um ein Erzeugnis aus Nvchlitzens Feder, das vom Anfang bis zum Ende
von ihm selbst niedergeschrieben ist, und das als ein wohlgegliedertes Ganze
auch verdient, nicht zerpflückt, sondern im Zusammenhange gelesen zu werden.
Aber auch um des Inhalts willen. Nicht nur, daß die Beziehungen zu Ver¬
wandten und Freunden, wie sie sich aus dem Testament ergeben, das, was
Biedermann von biographischen Notizen über Rochlitz beigebracht hat, willkommen
ergänzen: die ganze Persönlichkeit des Mannes, sein frommer Sinn, seine herz¬
liche Anhänglichkeit an die Seinigen, sein Wohlwollen, seine Gerechtigkeit, seine


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[0527] Zwei Schriftstücke von Friedrich Rochlitz. Haltung seiner Kinder von der öffentlichen Volksschule ersparten Schulgeld endlich ermöglicht niemand die Benutzung einer Privatschule oder höhern Lehranstalt, da bei allen diesen das Schulgeld sehr viel höher als bei den öffentlichen Volksschulen ist. Und für wen wirklich die infolge der Aufhebung des Schul¬ geldes eintretende Erhöhung der Schulsteuern eine solche Rolle spielt, daß er deshalb seine Kinder keine höhere Lehranstalt besuchen lassen kaun, der thut auch sehr viel besser daran, dies zu unterlassen. Er würde sonst in der großen Mehrzahl der Fälle seine Kinder nur zu geistigen Proletariern erziehen, sie in Kreise bringen, in welchen sie sich ihrer Vermögensverhältnisse wegen stets beengt und daher immer unzufrieden fühlen würden. (Schluß folgt.) Zwei Schriftstücke von Friedrich Rochlitz. 2. Sein Testament. chon vor 1839 hatte Rochlitz ein Testament gemacht und wohl auch gerichtlich niedergelegt. Veränderungen der dama¬ ligen Umstände bewogen ihn aber, dieses Testament wieder zu¬ rückzuziehen und im Oktober und November 1839 ein neues abzufassen, das er am 11. November bei dem Leipziger Stadt¬ gerichte niederlegte. Dieses nebst einem Kodizill, das er noch im Oktober 1842, also wenige Wochen vor seinem Tode, niederschrieb und das sich in seinein Nachlaß vorfand — wird in seinem vollen Wortlaute im folgenden mitgeteilt. Mancher wird vielleicht fragen, ob es nicht genügt hätte, hier eine Aus¬ wahl aus den Bestimmungen des Testaments zu treffen, nur das kunst- und literargeschichtlich merkwürdige mitzuteilen, alles übrige aber wegzulassen. Diese Frage scheint auf den ersten Blick berechtigt. Dennoch schien es zweckmüßiger, das Ganze unverkürzt mitzuteilen. Schon aus stilistischen Gründen. Es handelt sich nicht um ein nach der Notarschablone jener Zeit abgefaßtes Schriftstück, sondern um ein Erzeugnis aus Nvchlitzens Feder, das vom Anfang bis zum Ende von ihm selbst niedergeschrieben ist, und das als ein wohlgegliedertes Ganze auch verdient, nicht zerpflückt, sondern im Zusammenhange gelesen zu werden. Aber auch um des Inhalts willen. Nicht nur, daß die Beziehungen zu Ver¬ wandten und Freunden, wie sie sich aus dem Testament ergeben, das, was Biedermann von biographischen Notizen über Rochlitz beigebracht hat, willkommen ergänzen: die ganze Persönlichkeit des Mannes, sein frommer Sinn, seine herz¬ liche Anhänglichkeit an die Seinigen, sein Wohlwollen, seine Gerechtigkeit, seine

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200778/527>, abgerufen am 29.04.2024.