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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr.

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Die Lage der Prozeßkostenfrage.

schaft Von "Söhnen des hochherzigen Albions" jene Figur der neuen Heloise
erzeugt hat. Jetzt dürfte die Schule von deutschen Staatsmännern, welche in die
Politik, um rin Palmerston zu reden, romantische Vorstellungen von Englands
Freundschaft übertrug, mit einem gewichtigen, theologisch angehauchten Herrn
ausgestorben sein, der 1875 in einem Privatgespräch ein dauerndes Schutz- und
Trutzbündnis zwischen Deutschland und dem evangelischen England als sein Ideal
bezeichnete und es übel vermerkte, als ihm in bescheidner Form entgegnet wurde,
daß England sich nur auf zeitweilige Bündnisse zur Erreichung einzelner Zwecke
einzulassen Pflege und sich an Kriegshändeln in Mitteleuropa überhaupt nicht
mehr beteiligen werde; auch das in London oft ausgesprochene Wort in Betreff
Antwerpens werde man eintretenden Falls dort schwerlich gut machen. Die
deutsche Politik, dessen können wir sicher sein, wird auch künftig die Engländer
für das nehmen, was sie sind, und von ihnen nichts andres erwarten, als was
das englische Interesse, so oder so verstanden, erheischt.




Die Lage der Prozeßkostenfrage.

er Versuch der Verbündeten Regierungen, durch deu jüngst dem
Reichstage vorgelegten Gesetzentwurf über Verminderung einiger
Anwaltsgcbühren eine geringe Erleichterung in der Prozeßkosten¬
last herbeizuführen, ist von der deutschen Rechtsanwaltschaft glück-
. lich abgeschlagen worden. In dem Hefte Ur. 33 dieser Zeitschrift
hat der Berichterstatter der Kommission, der im Reichstage die Bearbeitung
des Entwurfs übertragen worden war, über diesen Gegenstand bereits eine aus¬
führliche Mitteilung veröffentlicht. Gern erkennen wir an, daß er in dieser
kritischen Angelegenheit sich ein gewisses Maß von Unbefangenheit bewahrt hat.
Es zeigt sich dies namentlich in der Art und Weise, wie er die aus Anwalts-
krcisen hervorgetretene, wenig maßvolle Bekämpfung des Entwurfs beurteilt.
Auch sind manche der von ihm angeregten Gedanken wohl beachtungswert.
Gleichwohl halten wir eine nochmalige Besprechung der Angelegenheit aus einem
etwas weiteren Gesichtskreise für geboten.

Die Kommission hat ihre Thätigkeit mit dem Antrage geschlossen, den
Entwurf abzulehnen und statt dessen eine Resolution zu fassen, die wir nur
als eine höchst wunderliche bezeichnen können. Der Reichstag hat denn auch
vorgezogen, diesen Bericht nicht weiter in Beratung zu nehmen. Dieses Er¬
gebnis war schon nach der Wahl der Kommission vorauszusehen. In den
Parlamenten bildet die Kommissionsbcrufung die unscheinbarste Form, in welcher


Die Lage der Prozeßkostenfrage.

schaft Von „Söhnen des hochherzigen Albions" jene Figur der neuen Heloise
erzeugt hat. Jetzt dürfte die Schule von deutschen Staatsmännern, welche in die
Politik, um rin Palmerston zu reden, romantische Vorstellungen von Englands
Freundschaft übertrug, mit einem gewichtigen, theologisch angehauchten Herrn
ausgestorben sein, der 1875 in einem Privatgespräch ein dauerndes Schutz- und
Trutzbündnis zwischen Deutschland und dem evangelischen England als sein Ideal
bezeichnete und es übel vermerkte, als ihm in bescheidner Form entgegnet wurde,
daß England sich nur auf zeitweilige Bündnisse zur Erreichung einzelner Zwecke
einzulassen Pflege und sich an Kriegshändeln in Mitteleuropa überhaupt nicht
mehr beteiligen werde; auch das in London oft ausgesprochene Wort in Betreff
Antwerpens werde man eintretenden Falls dort schwerlich gut machen. Die
deutsche Politik, dessen können wir sicher sein, wird auch künftig die Engländer
für das nehmen, was sie sind, und von ihnen nichts andres erwarten, als was
das englische Interesse, so oder so verstanden, erheischt.




Die Lage der Prozeßkostenfrage.

er Versuch der Verbündeten Regierungen, durch deu jüngst dem
Reichstage vorgelegten Gesetzentwurf über Verminderung einiger
Anwaltsgcbühren eine geringe Erleichterung in der Prozeßkosten¬
last herbeizuführen, ist von der deutschen Rechtsanwaltschaft glück-
. lich abgeschlagen worden. In dem Hefte Ur. 33 dieser Zeitschrift
hat der Berichterstatter der Kommission, der im Reichstage die Bearbeitung
des Entwurfs übertragen worden war, über diesen Gegenstand bereits eine aus¬
führliche Mitteilung veröffentlicht. Gern erkennen wir an, daß er in dieser
kritischen Angelegenheit sich ein gewisses Maß von Unbefangenheit bewahrt hat.
Es zeigt sich dies namentlich in der Art und Weise, wie er die aus Anwalts-
krcisen hervorgetretene, wenig maßvolle Bekämpfung des Entwurfs beurteilt.
Auch sind manche der von ihm angeregten Gedanken wohl beachtungswert.
Gleichwohl halten wir eine nochmalige Besprechung der Angelegenheit aus einem
etwas weiteren Gesichtskreise für geboten.

Die Kommission hat ihre Thätigkeit mit dem Antrage geschlossen, den
Entwurf abzulehnen und statt dessen eine Resolution zu fassen, die wir nur
als eine höchst wunderliche bezeichnen können. Der Reichstag hat denn auch
vorgezogen, diesen Bericht nicht weiter in Beratung zu nehmen. Dieses Er¬
gebnis war schon nach der Wahl der Kommission vorauszusehen. In den
Parlamenten bildet die Kommissionsbcrufung die unscheinbarste Form, in welcher


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[0562] Die Lage der Prozeßkostenfrage. schaft Von „Söhnen des hochherzigen Albions" jene Figur der neuen Heloise erzeugt hat. Jetzt dürfte die Schule von deutschen Staatsmännern, welche in die Politik, um rin Palmerston zu reden, romantische Vorstellungen von Englands Freundschaft übertrug, mit einem gewichtigen, theologisch angehauchten Herrn ausgestorben sein, der 1875 in einem Privatgespräch ein dauerndes Schutz- und Trutzbündnis zwischen Deutschland und dem evangelischen England als sein Ideal bezeichnete und es übel vermerkte, als ihm in bescheidner Form entgegnet wurde, daß England sich nur auf zeitweilige Bündnisse zur Erreichung einzelner Zwecke einzulassen Pflege und sich an Kriegshändeln in Mitteleuropa überhaupt nicht mehr beteiligen werde; auch das in London oft ausgesprochene Wort in Betreff Antwerpens werde man eintretenden Falls dort schwerlich gut machen. Die deutsche Politik, dessen können wir sicher sein, wird auch künftig die Engländer für das nehmen, was sie sind, und von ihnen nichts andres erwarten, als was das englische Interesse, so oder so verstanden, erheischt. Die Lage der Prozeßkostenfrage. er Versuch der Verbündeten Regierungen, durch deu jüngst dem Reichstage vorgelegten Gesetzentwurf über Verminderung einiger Anwaltsgcbühren eine geringe Erleichterung in der Prozeßkosten¬ last herbeizuführen, ist von der deutschen Rechtsanwaltschaft glück- . lich abgeschlagen worden. In dem Hefte Ur. 33 dieser Zeitschrift hat der Berichterstatter der Kommission, der im Reichstage die Bearbeitung des Entwurfs übertragen worden war, über diesen Gegenstand bereits eine aus¬ führliche Mitteilung veröffentlicht. Gern erkennen wir an, daß er in dieser kritischen Angelegenheit sich ein gewisses Maß von Unbefangenheit bewahrt hat. Es zeigt sich dies namentlich in der Art und Weise, wie er die aus Anwalts- krcisen hervorgetretene, wenig maßvolle Bekämpfung des Entwurfs beurteilt. Auch sind manche der von ihm angeregten Gedanken wohl beachtungswert. Gleichwohl halten wir eine nochmalige Besprechung der Angelegenheit aus einem etwas weiteren Gesichtskreise für geboten. Die Kommission hat ihre Thätigkeit mit dem Antrage geschlossen, den Entwurf abzulehnen und statt dessen eine Resolution zu fassen, die wir nur als eine höchst wunderliche bezeichnen können. Der Reichstag hat denn auch vorgezogen, diesen Bericht nicht weiter in Beratung zu nehmen. Dieses Er¬ gebnis war schon nach der Wahl der Kommission vorauszusehen. In den Parlamenten bildet die Kommissionsbcrufung die unscheinbarste Form, in welcher

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200778/562>, abgerufen am 29.04.2024.