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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr.

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Der Kampf des Zentrums gegen die Staatsschuld

Welche Folgen aber auf sozialem Gebiete an diese Maßregel sich knüpfen
würden, braucht eigentlich kaum des Näheren erörtert zu werden. So edel, so
human und so segensreich die zum Wohle der arbeitenden Bevölkerung wirkenden
Gesetze sind, welche die Kranken- und Unfallversicherung betreffen, und denen
sich hoffentlich bald die Invaliden- und Altcrsversorgungsversicherung anschließen
wird, noch viel wichtiger und mehr soziale Gefahren ablenkend werden alle
Maßregeln des Staates sein, die in Wiederbelebung der mosaischen Gesetzgebung
eine richtige Verteilung des Grund und Bodens herbeiführen, das Interesse
an der Landwirtschaft wieder beleben, ihr die überschüssigen Elemente zuführen,
und deutlich vor Augen stellen, daß die richtige, gleichmäßige Beteiligung der
Bevölkerung an der Kultur des Bodens die wichtigste Sorge des Staates sein
und bleiben muß. Auch die jetzt so brennend gewordene Frage des ständigen
Sinkens der landwirtschaftlichen Produkte hängt hiermit zusammen. Es ist
klar, daß der Schaffung einer dichteren ländlichen, ackerbautreibenden, an
der Konsumtion mehr als bis jetzt teilnehmenden Bevölkerung auch eine Stei¬
gerung des Wertes der ländlichen Produkte auf dem Fuße folgen wird. Von
der richtigen Lösung der landwirtschaftlichen Frage, das lehrt die Geschichte
von Anbeginn an, hängt das Wohl und Wehe des Staates ab. Die, wie
oben befürwortet, deshalb in den Haushaltsetat jährlich einzustellenden, zu
Vesiedelungszwecken dienenden Millionen würden in Zukunft dem Staate
einen unberechenbaren Vorteil bringen. Die Sache ist des Schweißes der
(D Edeln wert!




Der Kampf des Zentrums gegen die Staatsschule.

eit Jahren hat Dr. Windthorst angekündigt, das; der Kulturkampf
nur scheinbar sich bloß um die Freiheit der Kirche -- er meint
damit immer die römische Kirche -- bewege, die Kirche habe noch
einen andern Kampf mit dem Staate auszufechten, deu Kampf
um die Schule. Es war selbstverständlich, daß dieser Kampf sich
um denselben Begriff kirchlicher Freiheit drehen sollte, der bei diesen Herren
einmal eingeführt ist. Denn es ist bekannt, daß diese Freiheit nicht darin
besteht, von andern in Ruhe gelassen zu werden, sondern darin, über die andern
zu herrschen nach den Grundsätzen des mittelalterlichen Rechtes, im Namen
der heiligen Kirche, die etwas viel höheres ist als der Staat.

Das Zentrum rechnet in diesem bevorstehenden Schulkampfe auf ähnliche
Erfolge, wie sie in dem Kirchenkampfe über den deutschen Staat errungen worden


Der Kampf des Zentrums gegen die Staatsschuld

Welche Folgen aber auf sozialem Gebiete an diese Maßregel sich knüpfen
würden, braucht eigentlich kaum des Näheren erörtert zu werden. So edel, so
human und so segensreich die zum Wohle der arbeitenden Bevölkerung wirkenden
Gesetze sind, welche die Kranken- und Unfallversicherung betreffen, und denen
sich hoffentlich bald die Invaliden- und Altcrsversorgungsversicherung anschließen
wird, noch viel wichtiger und mehr soziale Gefahren ablenkend werden alle
Maßregeln des Staates sein, die in Wiederbelebung der mosaischen Gesetzgebung
eine richtige Verteilung des Grund und Bodens herbeiführen, das Interesse
an der Landwirtschaft wieder beleben, ihr die überschüssigen Elemente zuführen,
und deutlich vor Augen stellen, daß die richtige, gleichmäßige Beteiligung der
Bevölkerung an der Kultur des Bodens die wichtigste Sorge des Staates sein
und bleiben muß. Auch die jetzt so brennend gewordene Frage des ständigen
Sinkens der landwirtschaftlichen Produkte hängt hiermit zusammen. Es ist
klar, daß der Schaffung einer dichteren ländlichen, ackerbautreibenden, an
der Konsumtion mehr als bis jetzt teilnehmenden Bevölkerung auch eine Stei¬
gerung des Wertes der ländlichen Produkte auf dem Fuße folgen wird. Von
der richtigen Lösung der landwirtschaftlichen Frage, das lehrt die Geschichte
von Anbeginn an, hängt das Wohl und Wehe des Staates ab. Die, wie
oben befürwortet, deshalb in den Haushaltsetat jährlich einzustellenden, zu
Vesiedelungszwecken dienenden Millionen würden in Zukunft dem Staate
einen unberechenbaren Vorteil bringen. Die Sache ist des Schweißes der
(D Edeln wert!




Der Kampf des Zentrums gegen die Staatsschule.

eit Jahren hat Dr. Windthorst angekündigt, das; der Kulturkampf
nur scheinbar sich bloß um die Freiheit der Kirche — er meint
damit immer die römische Kirche — bewege, die Kirche habe noch
einen andern Kampf mit dem Staate auszufechten, deu Kampf
um die Schule. Es war selbstverständlich, daß dieser Kampf sich
um denselben Begriff kirchlicher Freiheit drehen sollte, der bei diesen Herren
einmal eingeführt ist. Denn es ist bekannt, daß diese Freiheit nicht darin
besteht, von andern in Ruhe gelassen zu werden, sondern darin, über die andern
zu herrschen nach den Grundsätzen des mittelalterlichen Rechtes, im Namen
der heiligen Kirche, die etwas viel höheres ist als der Staat.

Das Zentrum rechnet in diesem bevorstehenden Schulkampfe auf ähnliche
Erfolge, wie sie in dem Kirchenkampfe über den deutschen Staat errungen worden


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[0613] Der Kampf des Zentrums gegen die Staatsschuld Welche Folgen aber auf sozialem Gebiete an diese Maßregel sich knüpfen würden, braucht eigentlich kaum des Näheren erörtert zu werden. So edel, so human und so segensreich die zum Wohle der arbeitenden Bevölkerung wirkenden Gesetze sind, welche die Kranken- und Unfallversicherung betreffen, und denen sich hoffentlich bald die Invaliden- und Altcrsversorgungsversicherung anschließen wird, noch viel wichtiger und mehr soziale Gefahren ablenkend werden alle Maßregeln des Staates sein, die in Wiederbelebung der mosaischen Gesetzgebung eine richtige Verteilung des Grund und Bodens herbeiführen, das Interesse an der Landwirtschaft wieder beleben, ihr die überschüssigen Elemente zuführen, und deutlich vor Augen stellen, daß die richtige, gleichmäßige Beteiligung der Bevölkerung an der Kultur des Bodens die wichtigste Sorge des Staates sein und bleiben muß. Auch die jetzt so brennend gewordene Frage des ständigen Sinkens der landwirtschaftlichen Produkte hängt hiermit zusammen. Es ist klar, daß der Schaffung einer dichteren ländlichen, ackerbautreibenden, an der Konsumtion mehr als bis jetzt teilnehmenden Bevölkerung auch eine Stei¬ gerung des Wertes der ländlichen Produkte auf dem Fuße folgen wird. Von der richtigen Lösung der landwirtschaftlichen Frage, das lehrt die Geschichte von Anbeginn an, hängt das Wohl und Wehe des Staates ab. Die, wie oben befürwortet, deshalb in den Haushaltsetat jährlich einzustellenden, zu Vesiedelungszwecken dienenden Millionen würden in Zukunft dem Staate einen unberechenbaren Vorteil bringen. Die Sache ist des Schweißes der (D Edeln wert! Der Kampf des Zentrums gegen die Staatsschule. eit Jahren hat Dr. Windthorst angekündigt, das; der Kulturkampf nur scheinbar sich bloß um die Freiheit der Kirche — er meint damit immer die römische Kirche — bewege, die Kirche habe noch einen andern Kampf mit dem Staate auszufechten, deu Kampf um die Schule. Es war selbstverständlich, daß dieser Kampf sich um denselben Begriff kirchlicher Freiheit drehen sollte, der bei diesen Herren einmal eingeführt ist. Denn es ist bekannt, daß diese Freiheit nicht darin besteht, von andern in Ruhe gelassen zu werden, sondern darin, über die andern zu herrschen nach den Grundsätzen des mittelalterlichen Rechtes, im Namen der heiligen Kirche, die etwas viel höheres ist als der Staat. Das Zentrum rechnet in diesem bevorstehenden Schulkampfe auf ähnliche Erfolge, wie sie in dem Kirchenkampfe über den deutschen Staat errungen worden

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200778/613>, abgerufen am 29.04.2024.