Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Das Goethe-Jahrbuch.
von H. Diintzer.

is vor acht Jahre" Professor L. Geiger i" Berlin zur Mitarbeit
an einem von ihm herauszugebenden Goethe-Jahrbuch auf¬
forderte, welches auch ein Sammelpunkt für ungedruckte Briefe
und Aktenstücke werden sollte, fand dieser Aufruf freudigen An¬
klang, da ein Goethe-Jahrbuch, das am Shakespeare-Jahrbuch ein
erwünschtes Vorbild fand, längst als Bedürfnis empfunden worden war, und nnr
ein Leiter gefehlt hatte, der mit umfassender Kenntnis von Goethes Leben und
Werken und der darauf bezüglichen Forschung ausgestattet war. Freilich hatte
sich auch Geiger auf diesem Gebiete noch keineswegs bewahrt; aber mau dürfte
erwarten, daß er die ihm abgehende Kenntnis im volle" Bewußtsein der über¬
nommene" Aufgabe sich zu erwerben suchen werde. Dabei siel es bedeutend
ins Gewicht, daß er einen leistungsfähige" Verleger gefunden hatte.

So erschien denn der erste Jahrgang würdig ausgestattet um nchtuudvier-
zigsten Todestage des Dichters. Nicht bloß Aufsätze waren dem Herausgeber
von den Vertretern verschiedner Richtungen zugegangen, er konnte auch mehr
als vierzig ungedruckte Briefe Goethes, einen Abdruck des Dramas "Prometheus"
uach der Handschrift und eine ganze Reihe Mitteilungen von Zeitgenossen über
den Dichter bringen. Dazu kamen Miscellen, freilich einzelne sehr leichte, eine
Chronik und die vollständige Bibliographie des Jahres, mit Regesten der Briefe
und dem Abdruck der im Laufe des Jahres zuerst erschienenen Gedichte.

Würdig schloß sich der zweite Jahrgang an, der einundvierzig Briefe an
Goethe und einen ans reichem Material beruhenden Aufsatz des Herausgebers
über Goethes Dvrnburger Aufenthalt nach dem Tode des Großherzogs enthielt.
Leider gab Geiger hier auch schon einzelne Briefe Goethes an Meyer; leider --
denn durch solche Zersplitterung wird die höchst erwünschte vollständige Heraus¬
gabe der auf der Grvßherzvglicheu Bibliothek befindliche" Briefe an Meyer, für
die sich schon der treffliche Oberbibliothekar Preller zu seiner Zeit bemüht hatte,
immer weniger möglich. Aber Geiger hat nicht sowohl den Vorteil der Wissen¬
schaft im Auge, wie die Leichtigkeit, die von ihn: gesammelten Briefe lohnend zu
verwerten. Wie hat er den Nachlaß Vertuchs verzettelt, sodaß es schwer hält,
ihn zusammenzubringen! In demselben Bande begann er anch schon, größere,
durch eine Reihe von Bänden sich erstreckende Aufsätze aufzunehmen, was uns
dem Zwecke des Jahrbuches nicht zu entsprechen scheint.


Das Goethe-Jahrbuch.
von H. Diintzer.

is vor acht Jahre» Professor L. Geiger i» Berlin zur Mitarbeit
an einem von ihm herauszugebenden Goethe-Jahrbuch auf¬
forderte, welches auch ein Sammelpunkt für ungedruckte Briefe
und Aktenstücke werden sollte, fand dieser Aufruf freudigen An¬
klang, da ein Goethe-Jahrbuch, das am Shakespeare-Jahrbuch ein
erwünschtes Vorbild fand, längst als Bedürfnis empfunden worden war, und nnr
ein Leiter gefehlt hatte, der mit umfassender Kenntnis von Goethes Leben und
Werken und der darauf bezüglichen Forschung ausgestattet war. Freilich hatte
sich auch Geiger auf diesem Gebiete noch keineswegs bewahrt; aber mau dürfte
erwarten, daß er die ihm abgehende Kenntnis im volle» Bewußtsein der über¬
nommene» Aufgabe sich zu erwerben suchen werde. Dabei siel es bedeutend
ins Gewicht, daß er einen leistungsfähige» Verleger gefunden hatte.

So erschien denn der erste Jahrgang würdig ausgestattet um nchtuudvier-
zigsten Todestage des Dichters. Nicht bloß Aufsätze waren dem Herausgeber
von den Vertretern verschiedner Richtungen zugegangen, er konnte auch mehr
als vierzig ungedruckte Briefe Goethes, einen Abdruck des Dramas „Prometheus"
uach der Handschrift und eine ganze Reihe Mitteilungen von Zeitgenossen über
den Dichter bringen. Dazu kamen Miscellen, freilich einzelne sehr leichte, eine
Chronik und die vollständige Bibliographie des Jahres, mit Regesten der Briefe
und dem Abdruck der im Laufe des Jahres zuerst erschienenen Gedichte.

Würdig schloß sich der zweite Jahrgang an, der einundvierzig Briefe an
Goethe und einen ans reichem Material beruhenden Aufsatz des Herausgebers
über Goethes Dvrnburger Aufenthalt nach dem Tode des Großherzogs enthielt.
Leider gab Geiger hier auch schon einzelne Briefe Goethes an Meyer; leider —
denn durch solche Zersplitterung wird die höchst erwünschte vollständige Heraus¬
gabe der auf der Grvßherzvglicheu Bibliothek befindliche» Briefe an Meyer, für
die sich schon der treffliche Oberbibliothekar Preller zu seiner Zeit bemüht hatte,
immer weniger möglich. Aber Geiger hat nicht sowohl den Vorteil der Wissen¬
schaft im Auge, wie die Leichtigkeit, die von ihn: gesammelten Briefe lohnend zu
verwerten. Wie hat er den Nachlaß Vertuchs verzettelt, sodaß es schwer hält,
ihn zusammenzubringen! In demselben Bande begann er anch schon, größere,
durch eine Reihe von Bänden sich erstreckende Aufsätze aufzunehmen, was uns
dem Zwecke des Jahrbuches nicht zu entsprechen scheint.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0085" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/200864"/>
          </div>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Das Goethe-Jahrbuch.<lb/><note type="byline"> von H. Diintzer.</note></head><lb/>
          <p xml:id="ID_246"> is vor acht Jahre» Professor L. Geiger i» Berlin zur Mitarbeit<lb/>
an einem von ihm herauszugebenden Goethe-Jahrbuch auf¬<lb/>
forderte, welches auch ein Sammelpunkt für ungedruckte Briefe<lb/>
und Aktenstücke werden sollte, fand dieser Aufruf freudigen An¬<lb/>
klang, da ein Goethe-Jahrbuch, das am Shakespeare-Jahrbuch ein<lb/>
erwünschtes Vorbild fand, längst als Bedürfnis empfunden worden war, und nnr<lb/>
ein Leiter gefehlt hatte, der mit umfassender Kenntnis von Goethes Leben und<lb/>
Werken und der darauf bezüglichen Forschung ausgestattet war. Freilich hatte<lb/>
sich auch Geiger auf diesem Gebiete noch keineswegs bewahrt; aber mau dürfte<lb/>
erwarten, daß er die ihm abgehende Kenntnis im volle» Bewußtsein der über¬<lb/>
nommene» Aufgabe sich zu erwerben suchen werde. Dabei siel es bedeutend<lb/>
ins Gewicht, daß er einen leistungsfähige» Verleger gefunden hatte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_247"> So erschien denn der erste Jahrgang würdig ausgestattet um nchtuudvier-<lb/>
zigsten Todestage des Dichters. Nicht bloß Aufsätze waren dem Herausgeber<lb/>
von den Vertretern verschiedner Richtungen zugegangen, er konnte auch mehr<lb/>
als vierzig ungedruckte Briefe Goethes, einen Abdruck des Dramas &#x201E;Prometheus"<lb/>
uach der Handschrift und eine ganze Reihe Mitteilungen von Zeitgenossen über<lb/>
den Dichter bringen. Dazu kamen Miscellen, freilich einzelne sehr leichte, eine<lb/>
Chronik und die vollständige Bibliographie des Jahres, mit Regesten der Briefe<lb/>
und dem Abdruck der im Laufe des Jahres zuerst erschienenen Gedichte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_248"> Würdig schloß sich der zweite Jahrgang an, der einundvierzig Briefe an<lb/>
Goethe und einen ans reichem Material beruhenden Aufsatz des Herausgebers<lb/>
über Goethes Dvrnburger Aufenthalt nach dem Tode des Großherzogs enthielt.<lb/>
Leider gab Geiger hier auch schon einzelne Briefe Goethes an Meyer; leider &#x2014;<lb/>
denn durch solche Zersplitterung wird die höchst erwünschte vollständige Heraus¬<lb/>
gabe der auf der Grvßherzvglicheu Bibliothek befindliche» Briefe an Meyer, für<lb/>
die sich schon der treffliche Oberbibliothekar Preller zu seiner Zeit bemüht hatte,<lb/>
immer weniger möglich. Aber Geiger hat nicht sowohl den Vorteil der Wissen¬<lb/>
schaft im Auge, wie die Leichtigkeit, die von ihn: gesammelten Briefe lohnend zu<lb/>
verwerten. Wie hat er den Nachlaß Vertuchs verzettelt, sodaß es schwer hält,<lb/>
ihn zusammenzubringen! In demselben Bande begann er anch schon, größere,<lb/>
durch eine Reihe von Bänden sich erstreckende Aufsätze aufzunehmen, was uns<lb/>
dem Zwecke des Jahrbuches nicht zu entsprechen scheint.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0085] Das Goethe-Jahrbuch. von H. Diintzer. is vor acht Jahre» Professor L. Geiger i» Berlin zur Mitarbeit an einem von ihm herauszugebenden Goethe-Jahrbuch auf¬ forderte, welches auch ein Sammelpunkt für ungedruckte Briefe und Aktenstücke werden sollte, fand dieser Aufruf freudigen An¬ klang, da ein Goethe-Jahrbuch, das am Shakespeare-Jahrbuch ein erwünschtes Vorbild fand, längst als Bedürfnis empfunden worden war, und nnr ein Leiter gefehlt hatte, der mit umfassender Kenntnis von Goethes Leben und Werken und der darauf bezüglichen Forschung ausgestattet war. Freilich hatte sich auch Geiger auf diesem Gebiete noch keineswegs bewahrt; aber mau dürfte erwarten, daß er die ihm abgehende Kenntnis im volle» Bewußtsein der über¬ nommene» Aufgabe sich zu erwerben suchen werde. Dabei siel es bedeutend ins Gewicht, daß er einen leistungsfähige» Verleger gefunden hatte. So erschien denn der erste Jahrgang würdig ausgestattet um nchtuudvier- zigsten Todestage des Dichters. Nicht bloß Aufsätze waren dem Herausgeber von den Vertretern verschiedner Richtungen zugegangen, er konnte auch mehr als vierzig ungedruckte Briefe Goethes, einen Abdruck des Dramas „Prometheus" uach der Handschrift und eine ganze Reihe Mitteilungen von Zeitgenossen über den Dichter bringen. Dazu kamen Miscellen, freilich einzelne sehr leichte, eine Chronik und die vollständige Bibliographie des Jahres, mit Regesten der Briefe und dem Abdruck der im Laufe des Jahres zuerst erschienenen Gedichte. Würdig schloß sich der zweite Jahrgang an, der einundvierzig Briefe an Goethe und einen ans reichem Material beruhenden Aufsatz des Herausgebers über Goethes Dvrnburger Aufenthalt nach dem Tode des Großherzogs enthielt. Leider gab Geiger hier auch schon einzelne Briefe Goethes an Meyer; leider — denn durch solche Zersplitterung wird die höchst erwünschte vollständige Heraus¬ gabe der auf der Grvßherzvglicheu Bibliothek befindliche» Briefe an Meyer, für die sich schon der treffliche Oberbibliothekar Preller zu seiner Zeit bemüht hatte, immer weniger möglich. Aber Geiger hat nicht sowohl den Vorteil der Wissen¬ schaft im Auge, wie die Leichtigkeit, die von ihn: gesammelten Briefe lohnend zu verwerten. Wie hat er den Nachlaß Vertuchs verzettelt, sodaß es schwer hält, ihn zusammenzubringen! In demselben Bande begann er anch schon, größere, durch eine Reihe von Bänden sich erstreckende Aufsätze aufzunehmen, was uns dem Zwecke des Jahrbuches nicht zu entsprechen scheint.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200778
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200778/85
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200778/85>, abgerufen am 28.04.2024.