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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr.

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Ein jnngdeutscher Phrasenheld.

gegeben werden soll. Ernster Fleiß muß an die Stelle der jetzt herrschenden
Leichtfertigkeit treten und strenge Gewissenhaftigkeit jede tückische Parteilichkeit
ausschließen. So möge das Jahrbuch zu Ehren deutscher Wissenschaft und zur
Förderung gründlicher Goetheforschung fröhlich gedeihen!




Gin jungdeutscher Phrasenheld.

c>M^>, isas "große Werk" des angeblich Talentvollsten des "jungen Deutsch¬
lands" liegt vor mir.*) Hermann Conradi (geb. 1862 zu Jcsz-
nitz i. A., der Sohn eines Agenten in Magdeburg) veröffentlichte
seine ersten leidlichen Artikel als Gymnasiast in einem Magde¬
burger Blatte und gab dann als blutjunger Student in Berlin
(mit einem Herrn Bohne) zwei wertlose "Faschingsbreviere," später eine tolle
Skizzcnsammlung "Brutalitäten" in dem Sozialistenverlage von Schabelitz in
Zürich und kürzlich ein Bündchen revolutionärer Gedichte "Lieder eines Sünders"
heraus. Der sogenannte Roman "Phrasen," den der fnnfnndzwanzigjährige
Leipziger Student geschrieben hat, soll den Prolog bilden zu einem umfang¬
reichen Werke, dessen Hnnptteile: "Ein moderner Erlöser," "Die Heimathlosen"
und "Das letzte Ideal" heißen und dem als Epilog ein "Jnselgürtcl kleinerer
Schriften" folgen soll. Das Ganze will (nach den "Vorgedanken" zu den
"Phrasen") das Herrn Conradi "aufgegangene, von ihm erlebte und erschaffene,
in mancher Hinsicht noch zu erlebende und zu erschaffende Ideen- und Bilder-
gefüge verarbeiten und vermünzen" und "die Entwicklung eines nicht ganz
alltäglichen Menschen von einer extrem individualistisch-ästhetischen Weltanschauung
aus durch eine sozial-ethische hindurch zu einer eventuell dritten hin vollenden."

Wie heißt es doch in der "Preciosa"?


Herrlich! Etwas dunkel zwar,
Aber 's klingt recht wunderbar!

Mit den einzelnen Bänden wird uns der Verfasser also nach und nach beglücken,
wenn anders der Verleger flott weiter vorschießt und bei dem vermutlich recht
schwachen Absatz dieser literarischen Erzeugnisse nicht schon vorher der Sache
überdrüssig wird.


Phrasen. Roman von Hermann Conradi. Leipzig, Wilhelm Friedrich, 1887.
"78 Seiten.
Ein jnngdeutscher Phrasenheld.

gegeben werden soll. Ernster Fleiß muß an die Stelle der jetzt herrschenden
Leichtfertigkeit treten und strenge Gewissenhaftigkeit jede tückische Parteilichkeit
ausschließen. So möge das Jahrbuch zu Ehren deutscher Wissenschaft und zur
Förderung gründlicher Goetheforschung fröhlich gedeihen!




Gin jungdeutscher Phrasenheld.

c>M^>, isas „große Werk" des angeblich Talentvollsten des „jungen Deutsch¬
lands" liegt vor mir.*) Hermann Conradi (geb. 1862 zu Jcsz-
nitz i. A., der Sohn eines Agenten in Magdeburg) veröffentlichte
seine ersten leidlichen Artikel als Gymnasiast in einem Magde¬
burger Blatte und gab dann als blutjunger Student in Berlin
(mit einem Herrn Bohne) zwei wertlose „Faschingsbreviere," später eine tolle
Skizzcnsammlung „Brutalitäten" in dem Sozialistenverlage von Schabelitz in
Zürich und kürzlich ein Bündchen revolutionärer Gedichte „Lieder eines Sünders"
heraus. Der sogenannte Roman „Phrasen," den der fnnfnndzwanzigjährige
Leipziger Student geschrieben hat, soll den Prolog bilden zu einem umfang¬
reichen Werke, dessen Hnnptteile: „Ein moderner Erlöser," „Die Heimathlosen"
und „Das letzte Ideal" heißen und dem als Epilog ein „Jnselgürtcl kleinerer
Schriften" folgen soll. Das Ganze will (nach den „Vorgedanken" zu den
„Phrasen") das Herrn Conradi „aufgegangene, von ihm erlebte und erschaffene,
in mancher Hinsicht noch zu erlebende und zu erschaffende Ideen- und Bilder-
gefüge verarbeiten und vermünzen" und „die Entwicklung eines nicht ganz
alltäglichen Menschen von einer extrem individualistisch-ästhetischen Weltanschauung
aus durch eine sozial-ethische hindurch zu einer eventuell dritten hin vollenden."

Wie heißt es doch in der „Preciosa"?


Herrlich! Etwas dunkel zwar,
Aber 's klingt recht wunderbar!

Mit den einzelnen Bänden wird uns der Verfasser also nach und nach beglücken,
wenn anders der Verleger flott weiter vorschießt und bei dem vermutlich recht
schwachen Absatz dieser literarischen Erzeugnisse nicht schon vorher der Sache
überdrüssig wird.


Phrasen. Roman von Hermann Conradi. Leipzig, Wilhelm Friedrich, 1887.
»78 Seiten.
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[0094] Ein jnngdeutscher Phrasenheld. gegeben werden soll. Ernster Fleiß muß an die Stelle der jetzt herrschenden Leichtfertigkeit treten und strenge Gewissenhaftigkeit jede tückische Parteilichkeit ausschließen. So möge das Jahrbuch zu Ehren deutscher Wissenschaft und zur Förderung gründlicher Goetheforschung fröhlich gedeihen! Gin jungdeutscher Phrasenheld. c>M^>, isas „große Werk" des angeblich Talentvollsten des „jungen Deutsch¬ lands" liegt vor mir.*) Hermann Conradi (geb. 1862 zu Jcsz- nitz i. A., der Sohn eines Agenten in Magdeburg) veröffentlichte seine ersten leidlichen Artikel als Gymnasiast in einem Magde¬ burger Blatte und gab dann als blutjunger Student in Berlin (mit einem Herrn Bohne) zwei wertlose „Faschingsbreviere," später eine tolle Skizzcnsammlung „Brutalitäten" in dem Sozialistenverlage von Schabelitz in Zürich und kürzlich ein Bündchen revolutionärer Gedichte „Lieder eines Sünders" heraus. Der sogenannte Roman „Phrasen," den der fnnfnndzwanzigjährige Leipziger Student geschrieben hat, soll den Prolog bilden zu einem umfang¬ reichen Werke, dessen Hnnptteile: „Ein moderner Erlöser," „Die Heimathlosen" und „Das letzte Ideal" heißen und dem als Epilog ein „Jnselgürtcl kleinerer Schriften" folgen soll. Das Ganze will (nach den „Vorgedanken" zu den „Phrasen") das Herrn Conradi „aufgegangene, von ihm erlebte und erschaffene, in mancher Hinsicht noch zu erlebende und zu erschaffende Ideen- und Bilder- gefüge verarbeiten und vermünzen" und „die Entwicklung eines nicht ganz alltäglichen Menschen von einer extrem individualistisch-ästhetischen Weltanschauung aus durch eine sozial-ethische hindurch zu einer eventuell dritten hin vollenden." Wie heißt es doch in der „Preciosa"? Herrlich! Etwas dunkel zwar, Aber 's klingt recht wunderbar! Mit den einzelnen Bänden wird uns der Verfasser also nach und nach beglücken, wenn anders der Verleger flott weiter vorschießt und bei dem vermutlich recht schwachen Absatz dieser literarischen Erzeugnisse nicht schon vorher der Sache überdrüssig wird. Phrasen. Roman von Hermann Conradi. Leipzig, Wilhelm Friedrich, 1887. »78 Seiten.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200778/94>, abgerufen am 28.04.2024.