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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr.

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Die Alchemie.

mit den Deutschen aus Klugheit leidlich vertragen, sind die Kinder weit davon
entfernt, und in den wenigen Fällen, wo die Inhaber großer Firmen sich der
deutschen Regierung einigermaßen genähert haben, wird dies geschickt im Inter¬
esse auch der deutschfeindlichen Fabrikanten verwertet.

Diesen Mißständen sollte gesteuert und abgeholfen werden. An der Macht
dazu fehlt es nicht. Die deutsche Regierung ist nicht gezwungen, mehr als billig
Rücksicht zu nehmen. Sie hat es nicht gleich denen, die in Frankreich einander
ablösten, nötig, um die Zuneigung der Starken zu werben, indem sie auf deu ge¬
nügenden Schutz der Schwachen verzichtet, sie ist selbst hinreichend stark, um
in dem Bewußtsein, damit ein gutes Werk zu thun, diesen Schutz zu übernehmen
und auszuüben. Entfremdet sie sich damit die Gemüter der Fabrikanten, so hat
das aus zwei Gründen nicht viel zu bedeuten: einmal ist die Denkweise dieser
Herren von der Art, daß durch eine solche Politik sehr wenig Liebe und guter
Wille verloren gehen kann, dann aber gewänne diese Politik die Arbeiter, sie
würden Dank empfinden, sie würden die Freiheit erlangen, ihre Dankbarkeit zu
äußern, und sie würden unter allen Umständen die Mehrzahl bilden, an der
Stimmurne bei den Wahlen, bei Gelegenheit zu öffentlichen Kundgebungen und
anderwärts. Sie würden schließlich auch die Fabrikanten nötigen, dem Reiche
gegenüber andre Saiten aufzuziehen.




Die Alchemie.

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^AA^^!eher anderthalb Jahrtausende lang ist behauptet und geglaubt
worden, daß Gold und Silber künstlich hervorgebracht werden
könnten, und ist das Streben unzähliger darauf gerichtet gewesen,
dies zu stände zu bringen, mit andern Worten: die Alchemie mit
Erfolg zu betreiben. Die Geschichte der Alchemie hat eine viel
größere Bedeutung für die Kulturgeschichte, als für die Chemie; denn für die
Beurteilung der Bildungsstufe eines Volkes ist die Kenntnis seiner Irrtümer
so wertvoll wie die seiner Leistungen. Von diesem Gesichtspunkte aus betrachtet,
darf ebenso wie der Hexenglaube, der Glaube an Zauberei, Geisterbeschwörung,
Spiritismus, Tischrücken und Homöopathie, auch die Alchemie unser Interesse
in Anspruch nehmen, und deshalb darf eine vor kurzem erschienene Geschichte
der Alchemie von Kopp sicher auf zahlreiche Leser rechnen.*)



*) Die Alchemie in älterer und neuerer Zeit. Von Hermann Kopp. Zwei
Teile. Heidelberg, C. Wintersche UuiverMtsbuchhandlung, 1886,
Die Alchemie.

mit den Deutschen aus Klugheit leidlich vertragen, sind die Kinder weit davon
entfernt, und in den wenigen Fällen, wo die Inhaber großer Firmen sich der
deutschen Regierung einigermaßen genähert haben, wird dies geschickt im Inter¬
esse auch der deutschfeindlichen Fabrikanten verwertet.

Diesen Mißständen sollte gesteuert und abgeholfen werden. An der Macht
dazu fehlt es nicht. Die deutsche Regierung ist nicht gezwungen, mehr als billig
Rücksicht zu nehmen. Sie hat es nicht gleich denen, die in Frankreich einander
ablösten, nötig, um die Zuneigung der Starken zu werben, indem sie auf deu ge¬
nügenden Schutz der Schwachen verzichtet, sie ist selbst hinreichend stark, um
in dem Bewußtsein, damit ein gutes Werk zu thun, diesen Schutz zu übernehmen
und auszuüben. Entfremdet sie sich damit die Gemüter der Fabrikanten, so hat
das aus zwei Gründen nicht viel zu bedeuten: einmal ist die Denkweise dieser
Herren von der Art, daß durch eine solche Politik sehr wenig Liebe und guter
Wille verloren gehen kann, dann aber gewänne diese Politik die Arbeiter, sie
würden Dank empfinden, sie würden die Freiheit erlangen, ihre Dankbarkeit zu
äußern, und sie würden unter allen Umständen die Mehrzahl bilden, an der
Stimmurne bei den Wahlen, bei Gelegenheit zu öffentlichen Kundgebungen und
anderwärts. Sie würden schließlich auch die Fabrikanten nötigen, dem Reiche
gegenüber andre Saiten aufzuziehen.




Die Alchemie.

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^AA^^!eher anderthalb Jahrtausende lang ist behauptet und geglaubt
worden, daß Gold und Silber künstlich hervorgebracht werden
könnten, und ist das Streben unzähliger darauf gerichtet gewesen,
dies zu stände zu bringen, mit andern Worten: die Alchemie mit
Erfolg zu betreiben. Die Geschichte der Alchemie hat eine viel
größere Bedeutung für die Kulturgeschichte, als für die Chemie; denn für die
Beurteilung der Bildungsstufe eines Volkes ist die Kenntnis seiner Irrtümer
so wertvoll wie die seiner Leistungen. Von diesem Gesichtspunkte aus betrachtet,
darf ebenso wie der Hexenglaube, der Glaube an Zauberei, Geisterbeschwörung,
Spiritismus, Tischrücken und Homöopathie, auch die Alchemie unser Interesse
in Anspruch nehmen, und deshalb darf eine vor kurzem erschienene Geschichte
der Alchemie von Kopp sicher auf zahlreiche Leser rechnen.*)



*) Die Alchemie in älterer und neuerer Zeit. Von Hermann Kopp. Zwei
Teile. Heidelberg, C. Wintersche UuiverMtsbuchhandlung, 1886,
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[0221] Die Alchemie. mit den Deutschen aus Klugheit leidlich vertragen, sind die Kinder weit davon entfernt, und in den wenigen Fällen, wo die Inhaber großer Firmen sich der deutschen Regierung einigermaßen genähert haben, wird dies geschickt im Inter¬ esse auch der deutschfeindlichen Fabrikanten verwertet. Diesen Mißständen sollte gesteuert und abgeholfen werden. An der Macht dazu fehlt es nicht. Die deutsche Regierung ist nicht gezwungen, mehr als billig Rücksicht zu nehmen. Sie hat es nicht gleich denen, die in Frankreich einander ablösten, nötig, um die Zuneigung der Starken zu werben, indem sie auf deu ge¬ nügenden Schutz der Schwachen verzichtet, sie ist selbst hinreichend stark, um in dem Bewußtsein, damit ein gutes Werk zu thun, diesen Schutz zu übernehmen und auszuüben. Entfremdet sie sich damit die Gemüter der Fabrikanten, so hat das aus zwei Gründen nicht viel zu bedeuten: einmal ist die Denkweise dieser Herren von der Art, daß durch eine solche Politik sehr wenig Liebe und guter Wille verloren gehen kann, dann aber gewänne diese Politik die Arbeiter, sie würden Dank empfinden, sie würden die Freiheit erlangen, ihre Dankbarkeit zu äußern, und sie würden unter allen Umständen die Mehrzahl bilden, an der Stimmurne bei den Wahlen, bei Gelegenheit zu öffentlichen Kundgebungen und anderwärts. Sie würden schließlich auch die Fabrikanten nötigen, dem Reiche gegenüber andre Saiten aufzuziehen. Die Alchemie. ^CM^-A, ^WWD MMl' ^AA^^!eher anderthalb Jahrtausende lang ist behauptet und geglaubt worden, daß Gold und Silber künstlich hervorgebracht werden könnten, und ist das Streben unzähliger darauf gerichtet gewesen, dies zu stände zu bringen, mit andern Worten: die Alchemie mit Erfolg zu betreiben. Die Geschichte der Alchemie hat eine viel größere Bedeutung für die Kulturgeschichte, als für die Chemie; denn für die Beurteilung der Bildungsstufe eines Volkes ist die Kenntnis seiner Irrtümer so wertvoll wie die seiner Leistungen. Von diesem Gesichtspunkte aus betrachtet, darf ebenso wie der Hexenglaube, der Glaube an Zauberei, Geisterbeschwörung, Spiritismus, Tischrücken und Homöopathie, auch die Alchemie unser Interesse in Anspruch nehmen, und deshalb darf eine vor kurzem erschienene Geschichte der Alchemie von Kopp sicher auf zahlreiche Leser rechnen.*) *) Die Alchemie in älterer und neuerer Zeit. Von Hermann Kopp. Zwei Teile. Heidelberg, C. Wintersche UuiverMtsbuchhandlung, 1886,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_201428/221>, abgerufen am 01.05.2024.