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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr.

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vom deutschen Buchhandel.

er auf die irrenden Brüder herab und fühlt sich hoch erhaben über sie. Und
doch sollten gerade in der Jugend solche Gegensätze ausgeglichen werden, der
Katholik sollte den Protestanten achten und ehren lernen, und umgekehrt. Wie¬
viel Gelegenheit giebt es, wenn Katholiken und Protestanten friedlich mit einander
verkehren, zum Austausch von Ansichten und Meinungen! Bei den Protestanten
finden wir oft recht wunderliche Ansichten über das Wesen des Katholizismus,
gerade ein gläubiger Katholik könnte da Aufklärung schaffen und mehr nützen, als
wenn er sich unnahbar gegen Andersgläubige abschließt. Oder fürchtet man viel¬
leicht, daß der katholische Student im Verkehr mit Protestanten Schiffbruch am
Glauben leiden oder schlaffer in der Erfüllung seiner religiösen Pflichten werden
könnte? Das wäre ja ein trauriges Armutszeugnis für die katholische Kirche. Im
spätern Leben kann er doch nur in den seltensten Fällen diese ausschließliche
Stellung beibehalten, da ist er auch auf den Verkehr mit Protestanten angewiesen.

Welchen Zweck haben also schließlich die katholischen Studentenverbindungen,
weshalb werden sie von der Presse und der Geistlichkeit so warm empfohlen?
Die Antwort hat uns der Zentrumsführer Windthorst in einer Rede, die er
bei Gelegenheit einer Versammlung katholischer Verbindungsstudenten gehalten
hat, gegeben. Die katholischen Verbindungen sollen die Pflanzstätten künftiger
Zentrumsmänner sein. Ihr Zweck ist, die jungen Leute in der wichtigsten Pe¬
riode ihrer geistigen Entwicklung uuter steter Überwachung durch die ultra¬
montane Geistlichkeit zu halten, sie in festen Vereinen von jeder Berührung mit
anders denkenden Genossen und Kreisen abzuschließen, um sie zu willfährigen
Werkzeugen ultramontaner Bestrebungen zu erziehen. Das Ergebnis unsrer Be¬
trachtungen ist, daß man das Bestehen solcher Verbindungen mit Rücksicht auf
das Wohl des großen Vaterlandes nur beklagen kann.




Vom deutschen Buchhandel.

s ist für unsre Zeit charakteristisch, daß sie, trotz der Neigung,
sich das Gut der Freiheit auf allen Gebieten anzueignen, sich
dennoch der Grenzen dieser Freiheit mehr und mehr bewußt wird,
die in dem Gegensatze der Gesamtheit und des Einzelnen be¬
gründet sind. Die Freiheit des Einzelnen soll an dem Punkte
enden, wo sie das Wohl der Gesamtheit verletzt. Aus diesem Gesichtspunkte
ist auch die jüngst zu einem gewissen Abschluß gekommene Bewegung im deutschen
Buchhandel zu betrachten, welche die Aufrechterhaltung des Ladenpreises der


vom deutschen Buchhandel.

er auf die irrenden Brüder herab und fühlt sich hoch erhaben über sie. Und
doch sollten gerade in der Jugend solche Gegensätze ausgeglichen werden, der
Katholik sollte den Protestanten achten und ehren lernen, und umgekehrt. Wie¬
viel Gelegenheit giebt es, wenn Katholiken und Protestanten friedlich mit einander
verkehren, zum Austausch von Ansichten und Meinungen! Bei den Protestanten
finden wir oft recht wunderliche Ansichten über das Wesen des Katholizismus,
gerade ein gläubiger Katholik könnte da Aufklärung schaffen und mehr nützen, als
wenn er sich unnahbar gegen Andersgläubige abschließt. Oder fürchtet man viel¬
leicht, daß der katholische Student im Verkehr mit Protestanten Schiffbruch am
Glauben leiden oder schlaffer in der Erfüllung seiner religiösen Pflichten werden
könnte? Das wäre ja ein trauriges Armutszeugnis für die katholische Kirche. Im
spätern Leben kann er doch nur in den seltensten Fällen diese ausschließliche
Stellung beibehalten, da ist er auch auf den Verkehr mit Protestanten angewiesen.

Welchen Zweck haben also schließlich die katholischen Studentenverbindungen,
weshalb werden sie von der Presse und der Geistlichkeit so warm empfohlen?
Die Antwort hat uns der Zentrumsführer Windthorst in einer Rede, die er
bei Gelegenheit einer Versammlung katholischer Verbindungsstudenten gehalten
hat, gegeben. Die katholischen Verbindungen sollen die Pflanzstätten künftiger
Zentrumsmänner sein. Ihr Zweck ist, die jungen Leute in der wichtigsten Pe¬
riode ihrer geistigen Entwicklung uuter steter Überwachung durch die ultra¬
montane Geistlichkeit zu halten, sie in festen Vereinen von jeder Berührung mit
anders denkenden Genossen und Kreisen abzuschließen, um sie zu willfährigen
Werkzeugen ultramontaner Bestrebungen zu erziehen. Das Ergebnis unsrer Be¬
trachtungen ist, daß man das Bestehen solcher Verbindungen mit Rücksicht auf
das Wohl des großen Vaterlandes nur beklagen kann.




Vom deutschen Buchhandel.

s ist für unsre Zeit charakteristisch, daß sie, trotz der Neigung,
sich das Gut der Freiheit auf allen Gebieten anzueignen, sich
dennoch der Grenzen dieser Freiheit mehr und mehr bewußt wird,
die in dem Gegensatze der Gesamtheit und des Einzelnen be¬
gründet sind. Die Freiheit des Einzelnen soll an dem Punkte
enden, wo sie das Wohl der Gesamtheit verletzt. Aus diesem Gesichtspunkte
ist auch die jüngst zu einem gewissen Abschluß gekommene Bewegung im deutschen
Buchhandel zu betrachten, welche die Aufrechterhaltung des Ladenpreises der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_201428/477>, abgerufen am 01.05.2024.