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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr.

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Die katholischen Studentenverbindungen.

auch das Bekenntnis, ebensowenig giebt man es auf seiner Karte an. Wollte
jemand an seinem Hute einen Zettel befestigen, auf dem weithin sichtbar ge¬
druckt oder geschrieben stünde: Ich bin katholisch! so würde man ihn einfach
für einen Narren halten.

Wir kommen zur Duellfrage. Das Verdienst, sagt ein katholisches Blatt,
mit dem Prinzip des Duellirens gründlich gebrochen zu haben, gebührt katho¬
lischen Jünglingen, welche die beiden großen Kartells (Verbände) der "katho¬
lischen Studentenvereine" und der "katholischen Studentenverbindungen" grün¬
deten. Auch diese Angabe ist durchaus unwahr und hat wohl weiter keinen
Zweck, als den katholischen Verbindungen Weihrauch zu streuen. Lange bevor
man an katholische Verbindungen dachte, gab es Studentenverbindungen, die
das Duell, sei es aus religiösen, sei es aus andern Gründen, verwarfen. Wir
erinnern an den Wingolf, der Anfang der vierziger Jahre gegründet wurde,
an die sogenannten christlichen Burschenschafter, sowie an die Reform- und Pro-
greßverbindungen. Wollte jemand dem Duelle aus dem Wege gehen, so fand
er auf jeder Universität eine Vereinigung, die demselben Grundsatze huldigte,
und das katholische Bekenntnis war durchaus kein Hindernis der Aufnahme, es
sind vielfach Katholiken Mitglieder der genannten Vereinigungen gewesen.

Wir wollen bei dieser Gelegenheit gleich noch ein paar Worte über die
jetzige Stellung der katholischen Presse zu den Duellen sagen. Früher, ehe die
katholischen Verbindungen aufgekommen waren, war eine große Anzahl katho¬
lischer Studenten bei den sogenannten Satisfaktion gebenden Verbindungen,
ohne daß wie jetzt ein solches Zetermordio über die schlagenden Verbindungen
geschrieen wurde; auch katholische Theologen gehörten ihnen an, hatte doch selbst
der verstorbene Bischof Ketteler einen Denkzettel von der Universität mitgebracht.
Man sah damals die Sache milder an, und die Presse kümmerte sich nicht
darum. Das änderte sich alles, als die katholischen Verbindungen ins Leben
gerufen wurden. Jetzt wird jedes katholische Mitglied einer schlagenden Ver¬
bindung mit kirchlichen Strafen, womöglich gar mit der "Exkommunikation"
bedroht. Die Absicht liegt klagt zu Tage, man will für die katholischen Ver¬
bindungen "teilen" und die katholischen Studenten andern, nicht unter gewissen
Einflüssen stehenden Korporationen entziehen.

Endlich noch ein Vorteil, den die katholischen Verbindungen bieten sollen:
der Student schafft sich, heißt es, wenn er sich später um eine Stellung be¬
müht, begeisterte Fürsprecher. Ist solch ein Hinweis nicht geradezu unsittlich?

Mit den großen Vorzügen, welche die katholischen Verbindungen bieten sollen,
ist es also durchaus nicht so, wie es die Presse darzustellen sucht, dagegen sind sie
von großem Nachteil für die Bildung des Charakters und die geistige Entwicklung
des Studenten, insofern er nur mit Glaubensgenossen verkehrt und dadurch
einseitig und unduldsam wird. Er liest nur ultramontane Blätter, den Prote¬
stantismus kennt er nur vom Hörensagen. Mit Verachtung und Mitleid blickt


Die katholischen Studentenverbindungen.

auch das Bekenntnis, ebensowenig giebt man es auf seiner Karte an. Wollte
jemand an seinem Hute einen Zettel befestigen, auf dem weithin sichtbar ge¬
druckt oder geschrieben stünde: Ich bin katholisch! so würde man ihn einfach
für einen Narren halten.

Wir kommen zur Duellfrage. Das Verdienst, sagt ein katholisches Blatt,
mit dem Prinzip des Duellirens gründlich gebrochen zu haben, gebührt katho¬
lischen Jünglingen, welche die beiden großen Kartells (Verbände) der „katho¬
lischen Studentenvereine" und der „katholischen Studentenverbindungen" grün¬
deten. Auch diese Angabe ist durchaus unwahr und hat wohl weiter keinen
Zweck, als den katholischen Verbindungen Weihrauch zu streuen. Lange bevor
man an katholische Verbindungen dachte, gab es Studentenverbindungen, die
das Duell, sei es aus religiösen, sei es aus andern Gründen, verwarfen. Wir
erinnern an den Wingolf, der Anfang der vierziger Jahre gegründet wurde,
an die sogenannten christlichen Burschenschafter, sowie an die Reform- und Pro-
greßverbindungen. Wollte jemand dem Duelle aus dem Wege gehen, so fand
er auf jeder Universität eine Vereinigung, die demselben Grundsatze huldigte,
und das katholische Bekenntnis war durchaus kein Hindernis der Aufnahme, es
sind vielfach Katholiken Mitglieder der genannten Vereinigungen gewesen.

Wir wollen bei dieser Gelegenheit gleich noch ein paar Worte über die
jetzige Stellung der katholischen Presse zu den Duellen sagen. Früher, ehe die
katholischen Verbindungen aufgekommen waren, war eine große Anzahl katho¬
lischer Studenten bei den sogenannten Satisfaktion gebenden Verbindungen,
ohne daß wie jetzt ein solches Zetermordio über die schlagenden Verbindungen
geschrieen wurde; auch katholische Theologen gehörten ihnen an, hatte doch selbst
der verstorbene Bischof Ketteler einen Denkzettel von der Universität mitgebracht.
Man sah damals die Sache milder an, und die Presse kümmerte sich nicht
darum. Das änderte sich alles, als die katholischen Verbindungen ins Leben
gerufen wurden. Jetzt wird jedes katholische Mitglied einer schlagenden Ver¬
bindung mit kirchlichen Strafen, womöglich gar mit der „Exkommunikation"
bedroht. Die Absicht liegt klagt zu Tage, man will für die katholischen Ver¬
bindungen „teilen" und die katholischen Studenten andern, nicht unter gewissen
Einflüssen stehenden Korporationen entziehen.

Endlich noch ein Vorteil, den die katholischen Verbindungen bieten sollen:
der Student schafft sich, heißt es, wenn er sich später um eine Stellung be¬
müht, begeisterte Fürsprecher. Ist solch ein Hinweis nicht geradezu unsittlich?

Mit den großen Vorzügen, welche die katholischen Verbindungen bieten sollen,
ist es also durchaus nicht so, wie es die Presse darzustellen sucht, dagegen sind sie
von großem Nachteil für die Bildung des Charakters und die geistige Entwicklung
des Studenten, insofern er nur mit Glaubensgenossen verkehrt und dadurch
einseitig und unduldsam wird. Er liest nur ultramontane Blätter, den Prote¬
stantismus kennt er nur vom Hörensagen. Mit Verachtung und Mitleid blickt


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[0476] Die katholischen Studentenverbindungen. auch das Bekenntnis, ebensowenig giebt man es auf seiner Karte an. Wollte jemand an seinem Hute einen Zettel befestigen, auf dem weithin sichtbar ge¬ druckt oder geschrieben stünde: Ich bin katholisch! so würde man ihn einfach für einen Narren halten. Wir kommen zur Duellfrage. Das Verdienst, sagt ein katholisches Blatt, mit dem Prinzip des Duellirens gründlich gebrochen zu haben, gebührt katho¬ lischen Jünglingen, welche die beiden großen Kartells (Verbände) der „katho¬ lischen Studentenvereine" und der „katholischen Studentenverbindungen" grün¬ deten. Auch diese Angabe ist durchaus unwahr und hat wohl weiter keinen Zweck, als den katholischen Verbindungen Weihrauch zu streuen. Lange bevor man an katholische Verbindungen dachte, gab es Studentenverbindungen, die das Duell, sei es aus religiösen, sei es aus andern Gründen, verwarfen. Wir erinnern an den Wingolf, der Anfang der vierziger Jahre gegründet wurde, an die sogenannten christlichen Burschenschafter, sowie an die Reform- und Pro- greßverbindungen. Wollte jemand dem Duelle aus dem Wege gehen, so fand er auf jeder Universität eine Vereinigung, die demselben Grundsatze huldigte, und das katholische Bekenntnis war durchaus kein Hindernis der Aufnahme, es sind vielfach Katholiken Mitglieder der genannten Vereinigungen gewesen. Wir wollen bei dieser Gelegenheit gleich noch ein paar Worte über die jetzige Stellung der katholischen Presse zu den Duellen sagen. Früher, ehe die katholischen Verbindungen aufgekommen waren, war eine große Anzahl katho¬ lischer Studenten bei den sogenannten Satisfaktion gebenden Verbindungen, ohne daß wie jetzt ein solches Zetermordio über die schlagenden Verbindungen geschrieen wurde; auch katholische Theologen gehörten ihnen an, hatte doch selbst der verstorbene Bischof Ketteler einen Denkzettel von der Universität mitgebracht. Man sah damals die Sache milder an, und die Presse kümmerte sich nicht darum. Das änderte sich alles, als die katholischen Verbindungen ins Leben gerufen wurden. Jetzt wird jedes katholische Mitglied einer schlagenden Ver¬ bindung mit kirchlichen Strafen, womöglich gar mit der „Exkommunikation" bedroht. Die Absicht liegt klagt zu Tage, man will für die katholischen Ver¬ bindungen „teilen" und die katholischen Studenten andern, nicht unter gewissen Einflüssen stehenden Korporationen entziehen. Endlich noch ein Vorteil, den die katholischen Verbindungen bieten sollen: der Student schafft sich, heißt es, wenn er sich später um eine Stellung be¬ müht, begeisterte Fürsprecher. Ist solch ein Hinweis nicht geradezu unsittlich? Mit den großen Vorzügen, welche die katholischen Verbindungen bieten sollen, ist es also durchaus nicht so, wie es die Presse darzustellen sucht, dagegen sind sie von großem Nachteil für die Bildung des Charakters und die geistige Entwicklung des Studenten, insofern er nur mit Glaubensgenossen verkehrt und dadurch einseitig und unduldsam wird. Er liest nur ultramontane Blätter, den Prote¬ stantismus kennt er nur vom Hörensagen. Mit Verachtung und Mitleid blickt

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_201428/476>, abgerufen am 22.05.2024.