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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr.

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Kleinere Mitteilungen.

Tippe zu dem Gevatter Tod auf, der seinen sorgenvollen Blick auf ihn gerichtet
hatte. Aber es währte nicht lange, da wandte Tippe sein Antlitz wieder von
ihm ab und schaute sinnend vor sich hin. Seine Augen wurden rot, und die
hellen Thränen rannen ihm von den Wangen herab.

Ach wenn sie doch die Augen nicht zugemacht hätte! sagte er und wandte
sich mit einem tiefen Seufzer nach der Wand; dann kam der Schlaf und trock¬
nete seine Thränen. (Fortsetzung folgt.)




Kleinere Mitteilungen.

Seemanns illustrirter Weihnachtskatalog ist soeben zum siebzehnten-
male erschienen, und zwar behauptet er, nachdem zwei Konkurrenznnternehmungen,
die ihm im Laufe der letzten Jahre an die Seite getreten waren, wieder schlafen
gegangen sind, das Feld nun wieder allein. Wir freuen uns dieses Erfolges auf¬
richtig. Es ist gar nicht schön von uns Deutschen, daß, wenn jemand einen guten
Gedanken gehabt, ihn gut und sorgfältig ausgeführt und Beifall damit gefunden
hat, sich immer sofort Leute finden, welche die Sache nachmachen und dem ersten
seinen Erfolg zu schmälern suchen. Gerade der deutsche Buchhandel hat eine Un¬
zahl Beispiele dieser Art zu verzeichnen, vom sechzehnten Jahrhundert an bis in
unsre Tage herein.

Der Seemannsche Katalog hat es verstanden, sich fort und fort auf der Höhe
der Zeit zu erhalten. Vergleicht man einen Jahrgang mit dem nächstvorhergehenden,
so erscheinen zwar die Unterschiede nicht sehr bedeutend; blickt man aber von dem
heurigen Jahrgange auf die ersten Anfänge zurück, so gewahrt man deutlich, wie
er sich doch fort und fort den Bedürfnissen, Anschauungen und Fortschritten der
Zeit angepaßt hat, innerlich und äußerlich; die ganze, großartige Entwicklung, die
der deutsche Buchhandel in dieser Zeit durchgemacht hat, spiegelt sich nach allen
Richtungen darin wieder.

Die hervorragende Eigentümlichkeit des Seemcmnschen Katalogs, das, was
vor siebzehn Jahren das neue daran war, ist bekanntlich der "literarische Jahres¬
bericht," der über alle wichtigern Erscheinungen des deutschen Buchhandels, die für
das größere Publikum Interesse haben, nach Fächern geordnet, kurze und doch ver¬
hältnismäßig eingehende Mitteilungen möcht. Die Redaktion ist dabei in der an¬
genehmen Lage, auch die neuesten, kurz vor Weihnachten erst ausgegebenen Bücher
berücksichtigen zu können, da ihr in der Regel die Aushängebogen davon zugesandt
werden. Der scharfe kritische Wind, der in den ersten Jahrgängen dieses Jahres¬
berichtes wehte, ist freilich mit der Zeit einer sanftern Luft gewichen; doch unter¬
scheidet sich der Bericht auch jetzt noch so wesentlich von bloßen buchhändlerischen
Reklamen und der kritiklosen Lobhudelei des größten Teiles der Tagespresse, daß
man sich im allgemeinen seiner Führung getrost anvertrauen kann. Es thut einem
wohl, sich vor dem Trompeten- und Posaunenschall der bloßen Buchhändleranzeigen
und Waschzettelurteile in die Spalten dieses Jahresberichtes zu flüchten, wo eine
ruhige, freundliche Menschenstimme zu uns spricht und uns verständigen, sachkundigen


Kleinere Mitteilungen.

Tippe zu dem Gevatter Tod auf, der seinen sorgenvollen Blick auf ihn gerichtet
hatte. Aber es währte nicht lange, da wandte Tippe sein Antlitz wieder von
ihm ab und schaute sinnend vor sich hin. Seine Augen wurden rot, und die
hellen Thränen rannen ihm von den Wangen herab.

Ach wenn sie doch die Augen nicht zugemacht hätte! sagte er und wandte
sich mit einem tiefen Seufzer nach der Wand; dann kam der Schlaf und trock¬
nete seine Thränen. (Fortsetzung folgt.)




Kleinere Mitteilungen.

Seemanns illustrirter Weihnachtskatalog ist soeben zum siebzehnten-
male erschienen, und zwar behauptet er, nachdem zwei Konkurrenznnternehmungen,
die ihm im Laufe der letzten Jahre an die Seite getreten waren, wieder schlafen
gegangen sind, das Feld nun wieder allein. Wir freuen uns dieses Erfolges auf¬
richtig. Es ist gar nicht schön von uns Deutschen, daß, wenn jemand einen guten
Gedanken gehabt, ihn gut und sorgfältig ausgeführt und Beifall damit gefunden
hat, sich immer sofort Leute finden, welche die Sache nachmachen und dem ersten
seinen Erfolg zu schmälern suchen. Gerade der deutsche Buchhandel hat eine Un¬
zahl Beispiele dieser Art zu verzeichnen, vom sechzehnten Jahrhundert an bis in
unsre Tage herein.

Der Seemannsche Katalog hat es verstanden, sich fort und fort auf der Höhe
der Zeit zu erhalten. Vergleicht man einen Jahrgang mit dem nächstvorhergehenden,
so erscheinen zwar die Unterschiede nicht sehr bedeutend; blickt man aber von dem
heurigen Jahrgange auf die ersten Anfänge zurück, so gewahrt man deutlich, wie
er sich doch fort und fort den Bedürfnissen, Anschauungen und Fortschritten der
Zeit angepaßt hat, innerlich und äußerlich; die ganze, großartige Entwicklung, die
der deutsche Buchhandel in dieser Zeit durchgemacht hat, spiegelt sich nach allen
Richtungen darin wieder.

Die hervorragende Eigentümlichkeit des Seemcmnschen Katalogs, das, was
vor siebzehn Jahren das neue daran war, ist bekanntlich der „literarische Jahres¬
bericht," der über alle wichtigern Erscheinungen des deutschen Buchhandels, die für
das größere Publikum Interesse haben, nach Fächern geordnet, kurze und doch ver¬
hältnismäßig eingehende Mitteilungen möcht. Die Redaktion ist dabei in der an¬
genehmen Lage, auch die neuesten, kurz vor Weihnachten erst ausgegebenen Bücher
berücksichtigen zu können, da ihr in der Regel die Aushängebogen davon zugesandt
werden. Der scharfe kritische Wind, der in den ersten Jahrgängen dieses Jahres¬
berichtes wehte, ist freilich mit der Zeit einer sanftern Luft gewichen; doch unter¬
scheidet sich der Bericht auch jetzt noch so wesentlich von bloßen buchhändlerischen
Reklamen und der kritiklosen Lobhudelei des größten Teiles der Tagespresse, daß
man sich im allgemeinen seiner Führung getrost anvertrauen kann. Es thut einem
wohl, sich vor dem Trompeten- und Posaunenschall der bloßen Buchhändleranzeigen
und Waschzettelurteile in die Spalten dieses Jahresberichtes zu flüchten, wo eine
ruhige, freundliche Menschenstimme zu uns spricht und uns verständigen, sachkundigen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_201428/564>, abgerufen am 01.05.2024.