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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr.

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wir machen unsre Leser auf die Anzeigen des Umschlags "Neues vom Büchermarkt" aufmerksam.

Landwirtschaftliche Nöte.

lebt es einen allgemeinen "landwirtschaftlichen Notstand"? Das
ist eine Frage, die allmählich nicht nnr ster unsre Zollpolitik,
sondern für unser ganzes staatliches Leben von Bedeutung, ja
fast von ausschlaggebenden Einfluß geworden ist. Von der einen
Seite wird sie (wenigstens hinsichtlich des mittleren und kleineren
Besitzes) ebenso beharrlich verneint, wie von der andern ihre Bejahung für
die Gesamtheit des ländlichen Besitzes als eine Sache, über die bei wohl¬
wollenden und sachverständigen Beurteilern gar kein Zweifel obwalten könne,
bezeichnet wird. An diese Frage reiht sich eine zweite, die, auch die Bejahung
der ersten vorausgesetzt, noch umstrittener und in der That, selbst für den
unbefangensten, noch bedeutend schwieriger zu beantworten ist: Tragen die länd¬
lichen Besitzer, insbesondre die dem Großgrundbesitzerstande und unter diesem
wieder besonders die dem landsässigen Adel angehörigen, an diesem Notstände
wesentlich selbst die Schuld, oder sind sie die Opfer der neuerdings entstandenen,
wie eine Naturgewalt über sie hereingebrochenett Verhältnisse?

Will man allein die Darlegungen aus landwirtschaftlichen Kreisen für
maßgebend betrachten, so ist zumal die erstere Frage ohne weiteres entschieden.
Es giebt keine von landwirtschaftlichen Vereinen oder Vereinsverbänden aus¬
gehende Kundgebung aus den letztverflossenen Jahren, die nicht die Behauptung
einer Notlage ausspräche, und zwar befinden sich unter diesen Kundgebungen
auch solche, die von früher entschieden sreihändlerischcr Seite ausgegangen sind.
Man könnte nnn sagen, diese Versicherungen von Interessenten bewiesen nichts,
umso weniger, als "der Bauer bekanntlich immer klage." Aber es liegen doch
zwei Punkte vor, die es nicht erlauben, alle diese Kundgebungen aus interessirten
Kreisen beiseite zu schieben. Fürs erste ist gerade bei Landwirten die Klage


GrMMcir I. 1383. 15


wir machen unsre Leser auf die Anzeigen des Umschlags „Neues vom Büchermarkt" aufmerksam.

Landwirtschaftliche Nöte.

lebt es einen allgemeinen „landwirtschaftlichen Notstand"? Das
ist eine Frage, die allmählich nicht nnr ster unsre Zollpolitik,
sondern für unser ganzes staatliches Leben von Bedeutung, ja
fast von ausschlaggebenden Einfluß geworden ist. Von der einen
Seite wird sie (wenigstens hinsichtlich des mittleren und kleineren
Besitzes) ebenso beharrlich verneint, wie von der andern ihre Bejahung für
die Gesamtheit des ländlichen Besitzes als eine Sache, über die bei wohl¬
wollenden und sachverständigen Beurteilern gar kein Zweifel obwalten könne,
bezeichnet wird. An diese Frage reiht sich eine zweite, die, auch die Bejahung
der ersten vorausgesetzt, noch umstrittener und in der That, selbst für den
unbefangensten, noch bedeutend schwieriger zu beantworten ist: Tragen die länd¬
lichen Besitzer, insbesondre die dem Großgrundbesitzerstande und unter diesem
wieder besonders die dem landsässigen Adel angehörigen, an diesem Notstände
wesentlich selbst die Schuld, oder sind sie die Opfer der neuerdings entstandenen,
wie eine Naturgewalt über sie hereingebrochenett Verhältnisse?

Will man allein die Darlegungen aus landwirtschaftlichen Kreisen für
maßgebend betrachten, so ist zumal die erstere Frage ohne weiteres entschieden.
Es giebt keine von landwirtschaftlichen Vereinen oder Vereinsverbänden aus¬
gehende Kundgebung aus den letztverflossenen Jahren, die nicht die Behauptung
einer Notlage ausspräche, und zwar befinden sich unter diesen Kundgebungen
auch solche, die von früher entschieden sreihändlerischcr Seite ausgegangen sind.
Man könnte nnn sagen, diese Versicherungen von Interessenten bewiesen nichts,
umso weniger, als „der Bauer bekanntlich immer klage." Aber es liegen doch
zwei Punkte vor, die es nicht erlauben, alle diese Kundgebungen aus interessirten
Kreisen beiseite zu schieben. Fürs erste ist gerade bei Landwirten die Klage


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[0121] [Abbildung] wir machen unsre Leser auf die Anzeigen des Umschlags „Neues vom Büchermarkt" aufmerksam. Landwirtschaftliche Nöte. lebt es einen allgemeinen „landwirtschaftlichen Notstand"? Das ist eine Frage, die allmählich nicht nnr ster unsre Zollpolitik, sondern für unser ganzes staatliches Leben von Bedeutung, ja fast von ausschlaggebenden Einfluß geworden ist. Von der einen Seite wird sie (wenigstens hinsichtlich des mittleren und kleineren Besitzes) ebenso beharrlich verneint, wie von der andern ihre Bejahung für die Gesamtheit des ländlichen Besitzes als eine Sache, über die bei wohl¬ wollenden und sachverständigen Beurteilern gar kein Zweifel obwalten könne, bezeichnet wird. An diese Frage reiht sich eine zweite, die, auch die Bejahung der ersten vorausgesetzt, noch umstrittener und in der That, selbst für den unbefangensten, noch bedeutend schwieriger zu beantworten ist: Tragen die länd¬ lichen Besitzer, insbesondre die dem Großgrundbesitzerstande und unter diesem wieder besonders die dem landsässigen Adel angehörigen, an diesem Notstände wesentlich selbst die Schuld, oder sind sie die Opfer der neuerdings entstandenen, wie eine Naturgewalt über sie hereingebrochenett Verhältnisse? Will man allein die Darlegungen aus landwirtschaftlichen Kreisen für maßgebend betrachten, so ist zumal die erstere Frage ohne weiteres entschieden. Es giebt keine von landwirtschaftlichen Vereinen oder Vereinsverbänden aus¬ gehende Kundgebung aus den letztverflossenen Jahren, die nicht die Behauptung einer Notlage ausspräche, und zwar befinden sich unter diesen Kundgebungen auch solche, die von früher entschieden sreihändlerischcr Seite ausgegangen sind. Man könnte nnn sagen, diese Versicherungen von Interessenten bewiesen nichts, umso weniger, als „der Bauer bekanntlich immer klage." Aber es liegen doch zwei Punkte vor, die es nicht erlauben, alle diese Kundgebungen aus interessirten Kreisen beiseite zu schieben. Fürs erste ist gerade bei Landwirten die Klage GrMMcir I. 1383. 15

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202098/121>, abgerufen am 01.05.2024.