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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr.

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(ostar von Redivitz und soin neuester Roman.

Prinz Albert schreibt: "Wie soll ich Worte finden, um meine Gefühle zu be¬
schreiben. Wäre ich ein Privatmann, ich würde fein eigentümliches Geständnis!j
vielleicht mitjubcln. Aber in meiner Stellung, mit all den Pflichten, die mein
Beruf mir auferlegt, die Hoffnungslosigkeit des Zustandes erkennend, sehe ich
nur den Abgrund vor und hinter mir gähnend offen . .. dabei könnte man deu
Verstand verlieren! . . . Mein Entschluß ist der, den ich in der Schlacht als
Soldat befolgen würde: treu meiner Pflicht, treu mit meinem Volke durch alle
kommenden Stürme bis zum Ende auszuhalten. Die schönen Tage der Ver¬
gangenheit liegen nach allem, was wir seit vier Wochen erfahren und durch¬
gemacht haben, wie ein verflossenes Leben, wie ein Traum hinter mir, und ich
preise die Vorsehung, daß sie nur keine Kinder beschieden hat; denn für diese
würde ich zittern. Ich will meinem Gefühle nicht weiter Raum geben, wer von
uns deutschen Fürsten wird aber wohl anders denken, anders fühlen?" Noch
bezeichnender für seine Anschauung von der damaligen Lage ist es, wenn er
einige Tage später der Schilderung der damaligen Verhältnisse die Worte hinzu¬
fügte: "Wir Fürsten wackeln sehr, da wir unter uns zu wenig Intelligenz,
Mut und Verständnis des Zeitgeistes hatten."




Gskar von Redwitz und sein neuester Roman.

in Menschenalter im statistischen Wortsinne ist verflossen, seit
Oskar von Redwitz mit seiner episch-lyrischen Jngendschöpfuug
"Amaranth" hervortrat und nicht nur großes Aufsehen im Pu¬
blikum erregte, Befriedigung in den konservativ gesinnten Kreisen
von 1850 erweckte, sondern auch Kritiker und Literarhistoriker
fand, welche den Dichter als die Zukunftshoffnung der deutschen Dichtung priesen.
Wenige Jahre später wurden die kritischen Propheten kleinlaut, am Ende ver¬
stummten sie ganz, und derselbe Dichter, der in Karl Barthels Vorlesungen zur
Geschichte der neuesten deutschen Litteratur neben Geibel als der einzige gefeiert
war, von welchem Großes zu erwarten stehe, trat völlig in deu Hintergrund.
Gerade die Kreise, welche "Amaranth" und "Sieglinde" und "Ein Märchen"
gepriesen hatten, nahmen an der Wendung, die in Redwitzens Dichtung mit der
Tragödie "Thomas Morus" erfolgte, keinen Anteil mehr. Und mit seinen
spätern Schöpfungen, wie dem Schauspiel "Philippine Weiser," dem Roman
"Hermann Stark" und dem "Lied vom neuen deutschen Reich" eroberte sich


(ostar von Redivitz und soin neuester Roman.

Prinz Albert schreibt: „Wie soll ich Worte finden, um meine Gefühle zu be¬
schreiben. Wäre ich ein Privatmann, ich würde fein eigentümliches Geständnis!j
vielleicht mitjubcln. Aber in meiner Stellung, mit all den Pflichten, die mein
Beruf mir auferlegt, die Hoffnungslosigkeit des Zustandes erkennend, sehe ich
nur den Abgrund vor und hinter mir gähnend offen . .. dabei könnte man deu
Verstand verlieren! . . . Mein Entschluß ist der, den ich in der Schlacht als
Soldat befolgen würde: treu meiner Pflicht, treu mit meinem Volke durch alle
kommenden Stürme bis zum Ende auszuhalten. Die schönen Tage der Ver¬
gangenheit liegen nach allem, was wir seit vier Wochen erfahren und durch¬
gemacht haben, wie ein verflossenes Leben, wie ein Traum hinter mir, und ich
preise die Vorsehung, daß sie nur keine Kinder beschieden hat; denn für diese
würde ich zittern. Ich will meinem Gefühle nicht weiter Raum geben, wer von
uns deutschen Fürsten wird aber wohl anders denken, anders fühlen?" Noch
bezeichnender für seine Anschauung von der damaligen Lage ist es, wenn er
einige Tage später der Schilderung der damaligen Verhältnisse die Worte hinzu¬
fügte: „Wir Fürsten wackeln sehr, da wir unter uns zu wenig Intelligenz,
Mut und Verständnis des Zeitgeistes hatten."




Gskar von Redwitz und sein neuester Roman.

in Menschenalter im statistischen Wortsinne ist verflossen, seit
Oskar von Redwitz mit seiner episch-lyrischen Jngendschöpfuug
„Amaranth" hervortrat und nicht nur großes Aufsehen im Pu¬
blikum erregte, Befriedigung in den konservativ gesinnten Kreisen
von 1850 erweckte, sondern auch Kritiker und Literarhistoriker
fand, welche den Dichter als die Zukunftshoffnung der deutschen Dichtung priesen.
Wenige Jahre später wurden die kritischen Propheten kleinlaut, am Ende ver¬
stummten sie ganz, und derselbe Dichter, der in Karl Barthels Vorlesungen zur
Geschichte der neuesten deutschen Litteratur neben Geibel als der einzige gefeiert
war, von welchem Großes zu erwarten stehe, trat völlig in deu Hintergrund.
Gerade die Kreise, welche „Amaranth" und „Sieglinde" und „Ein Märchen"
gepriesen hatten, nahmen an der Wendung, die in Redwitzens Dichtung mit der
Tragödie „Thomas Morus" erfolgte, keinen Anteil mehr. Und mit seinen
spätern Schöpfungen, wie dem Schauspiel „Philippine Weiser," dem Roman
„Hermann Stark" und dem „Lied vom neuen deutschen Reich" eroberte sich


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[0245] (ostar von Redivitz und soin neuester Roman. Prinz Albert schreibt: „Wie soll ich Worte finden, um meine Gefühle zu be¬ schreiben. Wäre ich ein Privatmann, ich würde fein eigentümliches Geständnis!j vielleicht mitjubcln. Aber in meiner Stellung, mit all den Pflichten, die mein Beruf mir auferlegt, die Hoffnungslosigkeit des Zustandes erkennend, sehe ich nur den Abgrund vor und hinter mir gähnend offen . .. dabei könnte man deu Verstand verlieren! . . . Mein Entschluß ist der, den ich in der Schlacht als Soldat befolgen würde: treu meiner Pflicht, treu mit meinem Volke durch alle kommenden Stürme bis zum Ende auszuhalten. Die schönen Tage der Ver¬ gangenheit liegen nach allem, was wir seit vier Wochen erfahren und durch¬ gemacht haben, wie ein verflossenes Leben, wie ein Traum hinter mir, und ich preise die Vorsehung, daß sie nur keine Kinder beschieden hat; denn für diese würde ich zittern. Ich will meinem Gefühle nicht weiter Raum geben, wer von uns deutschen Fürsten wird aber wohl anders denken, anders fühlen?" Noch bezeichnender für seine Anschauung von der damaligen Lage ist es, wenn er einige Tage später der Schilderung der damaligen Verhältnisse die Worte hinzu¬ fügte: „Wir Fürsten wackeln sehr, da wir unter uns zu wenig Intelligenz, Mut und Verständnis des Zeitgeistes hatten." Gskar von Redwitz und sein neuester Roman. in Menschenalter im statistischen Wortsinne ist verflossen, seit Oskar von Redwitz mit seiner episch-lyrischen Jngendschöpfuug „Amaranth" hervortrat und nicht nur großes Aufsehen im Pu¬ blikum erregte, Befriedigung in den konservativ gesinnten Kreisen von 1850 erweckte, sondern auch Kritiker und Literarhistoriker fand, welche den Dichter als die Zukunftshoffnung der deutschen Dichtung priesen. Wenige Jahre später wurden die kritischen Propheten kleinlaut, am Ende ver¬ stummten sie ganz, und derselbe Dichter, der in Karl Barthels Vorlesungen zur Geschichte der neuesten deutschen Litteratur neben Geibel als der einzige gefeiert war, von welchem Großes zu erwarten stehe, trat völlig in deu Hintergrund. Gerade die Kreise, welche „Amaranth" und „Sieglinde" und „Ein Märchen" gepriesen hatten, nahmen an der Wendung, die in Redwitzens Dichtung mit der Tragödie „Thomas Morus" erfolgte, keinen Anteil mehr. Und mit seinen spätern Schöpfungen, wie dem Schauspiel „Philippine Weiser," dem Roman „Hermann Stark" und dem „Lied vom neuen deutschen Reich" eroberte sich

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202098/245>, abgerufen am 01.05.2024.