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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr.

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David Beronski.

Manchmal ist er auch in großer Reimnot; dann schreibt er: "Und mit dem
Blute, das ihr hell mercure" anstatt "entrinnt," weil er den Reim auf "Per¬
gament" braucht. Oder er kommt in Verlegenheit, die Strophe mit einigen
Versen auszufüllen, dann erinnert er sich mitten im ruhigen, objektiven Gange
des Epos, daß er die ganze Geschichte doch eigentlich nur träume, und sagt:


Da der Römer Melans) frug (!) nach seinem ^Hors) Leben,
Sah ich's im Traum an mir vorüber schweben --

als ob der Römer selbst nicht auch zum Traume gehörte. Noch geschmackloser
ist folgende Stelle, die gleichfalls plötzlich die objektive Erzählung unterbricht:


Nach dreien Tagen hielten sie ^die Priester mit der IM am Fuß
Des Berges, wo ich einst im Traumgesichte
Erblickte, was ich hier als Wüstengruß
Den Freunden im Gewand des Reims berichte.

Ja, einen wüsten Gruß hat Ebers im Gewand des Reimes "berichtet"; daß
er noch immer "Kritiker" gefunden hat, die ihn auch diesmal begeistert gelobt
haben, ist eine schmähliche Thatsache. Das schmählichste aber ist, daß Ebers
der Welt weiß machen will, daß Bischer diesen wüsten Gruß gelobt habe. So
wie wir uns den derben Schwaben denken, dürfte er Elisen an die Wand ge¬
worfen haben mit einem kräftigen Wörtlein über die Geschmacklosigkeit eines
Professors, der um jeden Preis dichten will.




David Beronski.
von H. von Schreibershofen.
(Fortsetzung.)

er Wind treibt den Schnee über die öde Steppe. In David
taucht die Versuchung auf, dem Eisenroß mit dem blitzschnellen
Wagen zuzugehen. In wenigen Tagen wäre er dann in Sicherheit.
Kennt er sein Volk so wenig? Sein Abfall muß ja wie ein
Lauffeuer überall herumgetragen und bekannt gemacht worden
sein. Er weiß nicht, daß seine Mutter ihn für tot betrauert, sein Weib ihn
und Rahel im Sumpfe begraben wähnt.

Ein Gehöft nimmt ihn endlich gastlich auf. Der Besitzer ist abwesend,
die Frau fühlt Mitleid mit dem Kinde, und während der kältesten, rciuhesteu
Winterzeit findet David hier Obdach und Nahrung.


David Beronski.

Manchmal ist er auch in großer Reimnot; dann schreibt er: „Und mit dem
Blute, das ihr hell mercure" anstatt „entrinnt," weil er den Reim auf „Per¬
gament" braucht. Oder er kommt in Verlegenheit, die Strophe mit einigen
Versen auszufüllen, dann erinnert er sich mitten im ruhigen, objektiven Gange
des Epos, daß er die ganze Geschichte doch eigentlich nur träume, und sagt:


Da der Römer Melans) frug (!) nach seinem ^Hors) Leben,
Sah ich's im Traum an mir vorüber schweben —

als ob der Römer selbst nicht auch zum Traume gehörte. Noch geschmackloser
ist folgende Stelle, die gleichfalls plötzlich die objektive Erzählung unterbricht:


Nach dreien Tagen hielten sie ^die Priester mit der IM am Fuß
Des Berges, wo ich einst im Traumgesichte
Erblickte, was ich hier als Wüstengruß
Den Freunden im Gewand des Reims berichte.

Ja, einen wüsten Gruß hat Ebers im Gewand des Reimes „berichtet"; daß
er noch immer „Kritiker" gefunden hat, die ihn auch diesmal begeistert gelobt
haben, ist eine schmähliche Thatsache. Das schmählichste aber ist, daß Ebers
der Welt weiß machen will, daß Bischer diesen wüsten Gruß gelobt habe. So
wie wir uns den derben Schwaben denken, dürfte er Elisen an die Wand ge¬
worfen haben mit einem kräftigen Wörtlein über die Geschmacklosigkeit eines
Professors, der um jeden Preis dichten will.




David Beronski.
von H. von Schreibershofen.
(Fortsetzung.)

er Wind treibt den Schnee über die öde Steppe. In David
taucht die Versuchung auf, dem Eisenroß mit dem blitzschnellen
Wagen zuzugehen. In wenigen Tagen wäre er dann in Sicherheit.
Kennt er sein Volk so wenig? Sein Abfall muß ja wie ein
Lauffeuer überall herumgetragen und bekannt gemacht worden
sein. Er weiß nicht, daß seine Mutter ihn für tot betrauert, sein Weib ihn
und Rahel im Sumpfe begraben wähnt.

Ein Gehöft nimmt ihn endlich gastlich auf. Der Besitzer ist abwesend,
die Frau fühlt Mitleid mit dem Kinde, und während der kältesten, rciuhesteu
Winterzeit findet David hier Obdach und Nahrung.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202098/322>, abgerufen am 01.05.2024.