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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr.

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Der deutsche Bund.

Männer, bei denen ein starker Sinn für Takt, Bescheidenheit und guter Geschmack
vorauszusetzen sind, sein, wenn sie von Zeit zu Zeit pharisäischen Instinkten
wie diesen Frohndienste leisten müssen! Was muß bei uns der Pharisäismus
der Menge sein, wenn ein Mann von der Stellung Lord Salisburys, des
Premierministers Großbritanniens, es nicht für unter seiner Würde hält, die
Session von 1883 mit einer lobqnalmenden, großsprecherischer Rede über die
unvergleichlichen Eigenschaften des britischen Heeres zu schließen, wie sie sich
ein Alderman hätte gestatten können! Lord Derby ist ein zweites Beispiel
für diese Art öffentlicher Charaktere. Die I'lass stellte ihn viele Jahre als
das kommende Licht hin, was aber nicht hinderte, daß seine politische Laufbahn
ein kläglicher Fehlschlag war. Und doch sehen wir diesen Bewohner eines Glas¬
hauses pharisäische Steine werfen und hören ihn sagen, die europäische Diplo¬
matie sei nichts als ein blutiger Kehricht. Dieser gewissenhafte Kehrichtwühler
sieht sein eignes Bild mit Blut besudelt in den Diplomaten Europas, unter
denen natürlich auch Fürst Bismarck ist. Was für vollendeter Geschmack! Und
schließlich, was würde es für ein Geflatter und Geräusch unter unsern Orakeln
geben, wenn ein auswärtiger Minister nus wie Herr Gladstone den Österreichern
zurufen wollte: "Die Hände weg!" Wie wohl das alles doch darauf berechnet
ist, uns das Wohlwollen unsrer Nachbarn zu gewinnen!"

Der hier geschilderte Pharisäismus ist aber nur eine von den Eigenschaften
des Engländers, die ihm bei den andern Völkern die Zuneigung und Achtung
verkümmern, welche ihm sonst billigerweise zukäme. Eben so sehr und mehr
noch schadet ihm ihre Schwestereigenschaft, der Cent, den wir nun in dem fol¬
genden Abschnitte ausführlicher betrachten wollen.




Der deutsche Bund.
von R. pape. (Schluß.)

n der Paulskirche gab es i" Beziehung auf die deutsche Ver-
fassungsfrage drei große Parteien, von denen allerdings jede
wieder aus einer Anzahl mehr oder minder verschiedner Frak¬
tionen zusammengesetzt war. Die Rechte bildeten die "Groß-
_ deutschen." Das war eine wesentlich österreichische und eine durch
und durch preußenfeindliche Partei; zu ihr gehörten natürlich zunächst die Öfter-W
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Der deutsche Bund.

Männer, bei denen ein starker Sinn für Takt, Bescheidenheit und guter Geschmack
vorauszusetzen sind, sein, wenn sie von Zeit zu Zeit pharisäischen Instinkten
wie diesen Frohndienste leisten müssen! Was muß bei uns der Pharisäismus
der Menge sein, wenn ein Mann von der Stellung Lord Salisburys, des
Premierministers Großbritanniens, es nicht für unter seiner Würde hält, die
Session von 1883 mit einer lobqnalmenden, großsprecherischer Rede über die
unvergleichlichen Eigenschaften des britischen Heeres zu schließen, wie sie sich
ein Alderman hätte gestatten können! Lord Derby ist ein zweites Beispiel
für diese Art öffentlicher Charaktere. Die I'lass stellte ihn viele Jahre als
das kommende Licht hin, was aber nicht hinderte, daß seine politische Laufbahn
ein kläglicher Fehlschlag war. Und doch sehen wir diesen Bewohner eines Glas¬
hauses pharisäische Steine werfen und hören ihn sagen, die europäische Diplo¬
matie sei nichts als ein blutiger Kehricht. Dieser gewissenhafte Kehrichtwühler
sieht sein eignes Bild mit Blut besudelt in den Diplomaten Europas, unter
denen natürlich auch Fürst Bismarck ist. Was für vollendeter Geschmack! Und
schließlich, was würde es für ein Geflatter und Geräusch unter unsern Orakeln
geben, wenn ein auswärtiger Minister nus wie Herr Gladstone den Österreichern
zurufen wollte: »Die Hände weg!« Wie wohl das alles doch darauf berechnet
ist, uns das Wohlwollen unsrer Nachbarn zu gewinnen!"

Der hier geschilderte Pharisäismus ist aber nur eine von den Eigenschaften
des Engländers, die ihm bei den andern Völkern die Zuneigung und Achtung
verkümmern, welche ihm sonst billigerweise zukäme. Eben so sehr und mehr
noch schadet ihm ihre Schwestereigenschaft, der Cent, den wir nun in dem fol¬
genden Abschnitte ausführlicher betrachten wollen.




Der deutsche Bund.
von R. pape. (Schluß.)

n der Paulskirche gab es i» Beziehung auf die deutsche Ver-
fassungsfrage drei große Parteien, von denen allerdings jede
wieder aus einer Anzahl mehr oder minder verschiedner Frak¬
tionen zusammengesetzt war. Die Rechte bildeten die „Groß-
_ deutschen." Das war eine wesentlich österreichische und eine durch
und durch preußenfeindliche Partei; zu ihr gehörten natürlich zunächst die Öfter-W
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[0392] Der deutsche Bund. Männer, bei denen ein starker Sinn für Takt, Bescheidenheit und guter Geschmack vorauszusetzen sind, sein, wenn sie von Zeit zu Zeit pharisäischen Instinkten wie diesen Frohndienste leisten müssen! Was muß bei uns der Pharisäismus der Menge sein, wenn ein Mann von der Stellung Lord Salisburys, des Premierministers Großbritanniens, es nicht für unter seiner Würde hält, die Session von 1883 mit einer lobqnalmenden, großsprecherischer Rede über die unvergleichlichen Eigenschaften des britischen Heeres zu schließen, wie sie sich ein Alderman hätte gestatten können! Lord Derby ist ein zweites Beispiel für diese Art öffentlicher Charaktere. Die I'lass stellte ihn viele Jahre als das kommende Licht hin, was aber nicht hinderte, daß seine politische Laufbahn ein kläglicher Fehlschlag war. Und doch sehen wir diesen Bewohner eines Glas¬ hauses pharisäische Steine werfen und hören ihn sagen, die europäische Diplo¬ matie sei nichts als ein blutiger Kehricht. Dieser gewissenhafte Kehrichtwühler sieht sein eignes Bild mit Blut besudelt in den Diplomaten Europas, unter denen natürlich auch Fürst Bismarck ist. Was für vollendeter Geschmack! Und schließlich, was würde es für ein Geflatter und Geräusch unter unsern Orakeln geben, wenn ein auswärtiger Minister nus wie Herr Gladstone den Österreichern zurufen wollte: »Die Hände weg!« Wie wohl das alles doch darauf berechnet ist, uns das Wohlwollen unsrer Nachbarn zu gewinnen!" Der hier geschilderte Pharisäismus ist aber nur eine von den Eigenschaften des Engländers, die ihm bei den andern Völkern die Zuneigung und Achtung verkümmern, welche ihm sonst billigerweise zukäme. Eben so sehr und mehr noch schadet ihm ihre Schwestereigenschaft, der Cent, den wir nun in dem fol¬ genden Abschnitte ausführlicher betrachten wollen. Der deutsche Bund. von R. pape. (Schluß.) n der Paulskirche gab es i» Beziehung auf die deutsche Ver- fassungsfrage drei große Parteien, von denen allerdings jede wieder aus einer Anzahl mehr oder minder verschiedner Frak¬ tionen zusammengesetzt war. Die Rechte bildeten die „Groß- _ deutschen." Das war eine wesentlich österreichische und eine durch und durch preußenfeindliche Partei; zu ihr gehörten natürlich zunächst die Öfter-W ^

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202098/392>, abgerufen am 01.05.2024.