Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite


David Veronski.
von H. von Schreibershosen. (Fortsetzung.)

inter den Bäumen lag Rebekka auf der Erde, das Haupt verhüllt,
ganz ihrem Schmerze hingegeben, der durch Alexeis unerwar¬
teten Anblick wieder heftiger und qualvoller geworden war.

Rebekka Veronski! Trauerst du um deinen Sohn? fragte
plötzlich eine Stimme dicht neben ihr.
Giebt es eine Mutter, die nicht trauern und klagen würde, wenn ihr ein¬
ziges Kind gestorben wäre? fragte sie dagegen, sich jäh aufrichtend, um den
Fragenden zu sehen.

Nicht jede Mutter, die ihrem einzigen Sohne geflucht hat, würde darnach
seine" Tod beklagen --

Wer darf so sprechen? Wer wagt das zu sagen? rief Rebekka, von einer
wilden Angst, einem unheimlichen Grauen befallen, denn welches Lebende wußte
darum? War das eine Nussalka, eine Nixe, die heraufgekommen war, sie zu
verspotten und zu verhöhnen?

Kannst du schwören, daß du kein Wort des Unfriedens mit deinem Sohne
gewechselt hast, ehe er in den Tod ging, so will ich wieder gehen, wie ich ge¬
kommen bin, ohne dir meine Botschaft zu sagen, fuhr die Stimme fort.

Wer bist du, und was fragst du nach Dingen, die keinen etwas angehen?
rief Rebekka, eine dunkle Gestalt, die neben ihr stand, ergreifend und nach dem
Lichte wendend. Dein Gesicht kommt mir bekannt vor, deine Augen sehen mich
an, als suchte" sie nach frühern Zeiten. Wer bist du?

Die Tochter des Karaiten --

Rebekka wollte sie fortstoßen, doch Jeschka hielt ihre Hand fest und fuhr
fort: Ich bin weit weg gewesen, und in der Fremde lernt man viel, man lernt
vergeben und vergessen, Rebekka Beronski! Unrecht vergeben und Böses ver-




David Veronski.
von H. von Schreibershosen. (Fortsetzung.)

inter den Bäumen lag Rebekka auf der Erde, das Haupt verhüllt,
ganz ihrem Schmerze hingegeben, der durch Alexeis unerwar¬
teten Anblick wieder heftiger und qualvoller geworden war.

Rebekka Veronski! Trauerst du um deinen Sohn? fragte
plötzlich eine Stimme dicht neben ihr.
Giebt es eine Mutter, die nicht trauern und klagen würde, wenn ihr ein¬
ziges Kind gestorben wäre? fragte sie dagegen, sich jäh aufrichtend, um den
Fragenden zu sehen.

Nicht jede Mutter, die ihrem einzigen Sohne geflucht hat, würde darnach
seine» Tod beklagen —

Wer darf so sprechen? Wer wagt das zu sagen? rief Rebekka, von einer
wilden Angst, einem unheimlichen Grauen befallen, denn welches Lebende wußte
darum? War das eine Nussalka, eine Nixe, die heraufgekommen war, sie zu
verspotten und zu verhöhnen?

Kannst du schwören, daß du kein Wort des Unfriedens mit deinem Sohne
gewechselt hast, ehe er in den Tod ging, so will ich wieder gehen, wie ich ge¬
kommen bin, ohne dir meine Botschaft zu sagen, fuhr die Stimme fort.

Wer bist du, und was fragst du nach Dingen, die keinen etwas angehen?
rief Rebekka, eine dunkle Gestalt, die neben ihr stand, ergreifend und nach dem
Lichte wendend. Dein Gesicht kommt mir bekannt vor, deine Augen sehen mich
an, als suchte» sie nach frühern Zeiten. Wer bist du?

Die Tochter des Karaiten —

Rebekka wollte sie fortstoßen, doch Jeschka hielt ihre Hand fest und fuhr
fort: Ich bin weit weg gewesen, und in der Fremde lernt man viel, man lernt
vergeben und vergessen, Rebekka Beronski! Unrecht vergeben und Böses ver-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0468" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/202567"/>
          <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341847_202098/figures/grenzboten_341847_202098_202567_000.jpg"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> David Veronski.<lb/><note type="byline"> von H. von Schreibershosen.</note> (Fortsetzung.)</head><lb/>
          <p xml:id="ID_1737"> inter den Bäumen lag Rebekka auf der Erde, das Haupt verhüllt,<lb/>
ganz ihrem Schmerze hingegeben, der durch Alexeis unerwar¬<lb/>
teten Anblick wieder heftiger und qualvoller geworden war.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1738"> Rebekka Veronski!  Trauerst du um deinen Sohn? fragte<lb/>
plötzlich eine Stimme dicht neben ihr.<lb/>
Giebt es eine Mutter, die nicht trauern und klagen würde, wenn ihr ein¬<lb/>
ziges Kind gestorben wäre? fragte sie dagegen, sich jäh aufrichtend, um den<lb/>
Fragenden zu sehen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1739"> Nicht jede Mutter, die ihrem einzigen Sohne geflucht hat, würde darnach<lb/>
seine» Tod beklagen &#x2014;</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1740"> Wer darf so sprechen? Wer wagt das zu sagen? rief Rebekka, von einer<lb/>
wilden Angst, einem unheimlichen Grauen befallen, denn welches Lebende wußte<lb/>
darum? War das eine Nussalka, eine Nixe, die heraufgekommen war, sie zu<lb/>
verspotten und zu verhöhnen?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1741"> Kannst du schwören, daß du kein Wort des Unfriedens mit deinem Sohne<lb/>
gewechselt hast, ehe er in den Tod ging, so will ich wieder gehen, wie ich ge¬<lb/>
kommen bin, ohne dir meine Botschaft zu sagen, fuhr die Stimme fort.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1742"> Wer bist du, und was fragst du nach Dingen, die keinen etwas angehen?<lb/>
rief Rebekka, eine dunkle Gestalt, die neben ihr stand, ergreifend und nach dem<lb/>
Lichte wendend. Dein Gesicht kommt mir bekannt vor, deine Augen sehen mich<lb/>
an, als suchte» sie nach frühern Zeiten.  Wer bist du?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1743"> Die Tochter des Karaiten &#x2014;</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1744" next="#ID_1745"> Rebekka wollte sie fortstoßen, doch Jeschka hielt ihre Hand fest und fuhr<lb/>
fort: Ich bin weit weg gewesen, und in der Fremde lernt man viel, man lernt<lb/>
vergeben und vergessen, Rebekka Beronski! Unrecht vergeben und Böses ver-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0468] [Abbildung] David Veronski. von H. von Schreibershosen. (Fortsetzung.) inter den Bäumen lag Rebekka auf der Erde, das Haupt verhüllt, ganz ihrem Schmerze hingegeben, der durch Alexeis unerwar¬ teten Anblick wieder heftiger und qualvoller geworden war. Rebekka Veronski! Trauerst du um deinen Sohn? fragte plötzlich eine Stimme dicht neben ihr. Giebt es eine Mutter, die nicht trauern und klagen würde, wenn ihr ein¬ ziges Kind gestorben wäre? fragte sie dagegen, sich jäh aufrichtend, um den Fragenden zu sehen. Nicht jede Mutter, die ihrem einzigen Sohne geflucht hat, würde darnach seine» Tod beklagen — Wer darf so sprechen? Wer wagt das zu sagen? rief Rebekka, von einer wilden Angst, einem unheimlichen Grauen befallen, denn welches Lebende wußte darum? War das eine Nussalka, eine Nixe, die heraufgekommen war, sie zu verspotten und zu verhöhnen? Kannst du schwören, daß du kein Wort des Unfriedens mit deinem Sohne gewechselt hast, ehe er in den Tod ging, so will ich wieder gehen, wie ich ge¬ kommen bin, ohne dir meine Botschaft zu sagen, fuhr die Stimme fort. Wer bist du, und was fragst du nach Dingen, die keinen etwas angehen? rief Rebekka, eine dunkle Gestalt, die neben ihr stand, ergreifend und nach dem Lichte wendend. Dein Gesicht kommt mir bekannt vor, deine Augen sehen mich an, als suchte» sie nach frühern Zeiten. Wer bist du? Die Tochter des Karaiten — Rebekka wollte sie fortstoßen, doch Jeschka hielt ihre Hand fest und fuhr fort: Ich bin weit weg gewesen, und in der Fremde lernt man viel, man lernt vergeben und vergessen, Rebekka Beronski! Unrecht vergeben und Böses ver-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202098
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202098/468
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202098/468>, abgerufen am 01.05.2024.