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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr.

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Kleinere Mitteilungen.

Es war geschehen, daß man Tage lang niemand aus dem Hanse kommen
sah, und man hatte sich gewöhnt, daß die beiden Frauen still für sich lebten.
Man achtete ihr Leid und ließ sie gewähren. Nach zwei Tagen fiel den Nachbarn
aber doch die tiefe, unheimliche Stille des Hauses auf. Salomes scheltende
Stimme, der kleinen Rebekka Lachen oder Geschrei tönte nicht heraus -- man
ging endlich hinein -- das Hans war leer -- einsam und verlassen lag die
Leiche in dem Zimmer, Rebekka und das Kind waren verschwunden.

Sie ist wahnsinnig geworden und ist mit dem Kinde ihrem Sohne nach
in das Wasser gegangen, flüsterten die Leute und bestatteten Salome, ohne daß
sich jemand die Mühe gab, ihr nachzureden. (Schluß folgt.)




Kleinere Mitteilungen.
Der deutsche Einheitsschulverein.

Der im Oktober 1386 auf einer
Versammlung in Hannover begründete "Deutsche Einheitsschulverein" hat dieser
Tage das Programm zu seiner zweiten Hauptversammlung versandt, welche am 4.
und 5. April dieses Jahres in Kassel stattfinden soll. Indem wir an dieser Stelle
darauf aufmerksam machen, halten wir es für zweckmäßig, die Ziele und die bis¬
herige Thätigkeit dieses Vereins den Lesern dieser Blätter etwas genauer dar¬
zulegen.

Bekanntlich ist in den letzten Jahren vielfach der Wunsch ausgesprochen worden,
die gegenwärtig bestehende Zweiteilung des höhern Schulunterrichts (das alte Human-
gymuasium und das neue Realgymnasium) womöglich zu beseitigen und unser
höheres Schulwesen einheitlicher zu organisiren. In verschiedenartiger Weise hat
mau versucht, die Möglichkeit der Erfüllung dieses Wunsches nachzuweisen, aber
die meisten Entwürfe für den Lehrplan einer einheitlichen höhern Lehranstalt,
welche veröffentlicht worden sind, leiden an der Einseitigkeit, daß sie von einer
großen Abneigung gegen die klassischen Sprachen und besonders gegen das Griechische
erfüllt sind. Sie find nämlich größtenteils von Nealschulmcmnern ausgegangen,
während aber die Anhänger der Realschule bisher nur die Gleichberechtigung ihrer
Anstalt mit dem Gymnasium erstrebten, kämpfen sie jetzt geradezu gegen das Grie¬
chische, d. h. gegen das Gymnasium selbst; hat doch z. B. Direktor Krümmer auf
der Versammlung des liberalen Schulvereins Rheinlands und Westfalens 1885
die Frage des Griechischen als den Angelpunkt der Nealschulfrage bezeichnet.
Außerdem hat man sich vielfach dazu verleiten lassen, Elemente, welche der Fach¬
bildung zuzuweisen sind, schon mit der grundlegenden Allgemeinbildung zu ver¬
mengen und der Schule zuzuweisen. Die so entstandenen Entwürfe können daher
die nicht befriedigen, welche eine einheitliche höhere Schulbildung als Grundlage
für alle höhern Berufsarten für erstrebenswert und möglich halten und welche
zugleich im Griechischen den edelsten Kern der Gymnasialbildung sehen, und das
sind die, welche sich im Oktober 1886 in Hannover zur Begründung des "Deutschen


Kleinere Mitteilungen.

Es war geschehen, daß man Tage lang niemand aus dem Hanse kommen
sah, und man hatte sich gewöhnt, daß die beiden Frauen still für sich lebten.
Man achtete ihr Leid und ließ sie gewähren. Nach zwei Tagen fiel den Nachbarn
aber doch die tiefe, unheimliche Stille des Hauses auf. Salomes scheltende
Stimme, der kleinen Rebekka Lachen oder Geschrei tönte nicht heraus — man
ging endlich hinein — das Hans war leer — einsam und verlassen lag die
Leiche in dem Zimmer, Rebekka und das Kind waren verschwunden.

Sie ist wahnsinnig geworden und ist mit dem Kinde ihrem Sohne nach
in das Wasser gegangen, flüsterten die Leute und bestatteten Salome, ohne daß
sich jemand die Mühe gab, ihr nachzureden. (Schluß folgt.)




Kleinere Mitteilungen.
Der deutsche Einheitsschulverein.

Der im Oktober 1386 auf einer
Versammlung in Hannover begründete „Deutsche Einheitsschulverein" hat dieser
Tage das Programm zu seiner zweiten Hauptversammlung versandt, welche am 4.
und 5. April dieses Jahres in Kassel stattfinden soll. Indem wir an dieser Stelle
darauf aufmerksam machen, halten wir es für zweckmäßig, die Ziele und die bis¬
herige Thätigkeit dieses Vereins den Lesern dieser Blätter etwas genauer dar¬
zulegen.

Bekanntlich ist in den letzten Jahren vielfach der Wunsch ausgesprochen worden,
die gegenwärtig bestehende Zweiteilung des höhern Schulunterrichts (das alte Human-
gymuasium und das neue Realgymnasium) womöglich zu beseitigen und unser
höheres Schulwesen einheitlicher zu organisiren. In verschiedenartiger Weise hat
mau versucht, die Möglichkeit der Erfüllung dieses Wunsches nachzuweisen, aber
die meisten Entwürfe für den Lehrplan einer einheitlichen höhern Lehranstalt,
welche veröffentlicht worden sind, leiden an der Einseitigkeit, daß sie von einer
großen Abneigung gegen die klassischen Sprachen und besonders gegen das Griechische
erfüllt sind. Sie find nämlich größtenteils von Nealschulmcmnern ausgegangen,
während aber die Anhänger der Realschule bisher nur die Gleichberechtigung ihrer
Anstalt mit dem Gymnasium erstrebten, kämpfen sie jetzt geradezu gegen das Grie¬
chische, d. h. gegen das Gymnasium selbst; hat doch z. B. Direktor Krümmer auf
der Versammlung des liberalen Schulvereins Rheinlands und Westfalens 1885
die Frage des Griechischen als den Angelpunkt der Nealschulfrage bezeichnet.
Außerdem hat man sich vielfach dazu verleiten lassen, Elemente, welche der Fach¬
bildung zuzuweisen sind, schon mit der grundlegenden Allgemeinbildung zu ver¬
mengen und der Schule zuzuweisen. Die so entstandenen Entwürfe können daher
die nicht befriedigen, welche eine einheitliche höhere Schulbildung als Grundlage
für alle höhern Berufsarten für erstrebenswert und möglich halten und welche
zugleich im Griechischen den edelsten Kern der Gymnasialbildung sehen, und das
sind die, welche sich im Oktober 1886 in Hannover zur Begründung des „Deutschen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202098/472>, abgerufen am 01.05.2024.