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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr.

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Im Mondschein mit Goethe.

halten wird. Man sieht, wie bei diesem Hinblick auf das Ganze Krieg und
Friede zusammentreffen. Die Begriffe von Krieg und Frieden vereinigen sich
hier dem der treuen Gottesmacht, die das Schwert erhebt und niederlegt nicht
uach eignem Gefallen, sondern im Amte eines Höhern. Scheint doch das Volk
der "ehrlichen Waffen" (wie die Italiener dereinst die deutsche Kriegführung
nannten) nicht umsonst so mitten in die falsche, feindliche Welt gestellt, und nicht
umsonst scheint alles Wahre in Glauben und Bildung sich zu ihm, wie ans
einen sichern Fels, zu retten. Deutschland hat sich dies Verantwortliche Amt
durch seine Geschichte schwer verdienen müssen, und seine jetzige Stärke, in der
es der Welt den eignen Frieden aufzwingt, ist nur ein gerechter Entgelt für
die jammervollen Zeiten, in denen es so oft zum Schlachtfelde der Welt dienen
mußte. Und diese Stärke scheint gerade jetzt nicht zufällig. Von allen Seiten
leuchtet es blutrot am Himmel, und aus dem Boden brechen allenthalben un¬
heimliche, zerstörnngslüsterne Flämmchen. Ein Weltbrand, wie ihn noch keine
Chronik berichtet und wie ihn kaum eine Chronik wird schildern können, droht
der Menschheit, wenn nicht die feste Mauer vorhält, die Deutschland ihm ent¬
gegensetzt. Aber diese Mauer ist gut gebant, und zu ihrer Wehr bereit steht
ein Volk, das sicherlich Zeichen dafür hat, daß Gott mit ihm ist. Nichts
außer ihm fürchtet es, denn es weiß, daß an dieser festen Burg der ganze Ernst
und die ganze Macht des Bösen in der Welt zu Schanden werden muß. Sollte
aber alle Anstrengung vergeblich, sollte es in der Vorsehung beschlossen sein,
daß diese alte Welt wieder einmal im Vernichtungsbade sich verjünge, so wird
es zuversichtlich der deutsche Adler sein, der wie ein Phönix aus den Flammen
steigt, und in dieser aus seiner innersten Natur geschöpften Zuversicht wird auch
im Weltcnsturz der Deutsche mutig stehen.


A ers-ctus iMd-Mr orbis,
Imxilviäum tsriont ruinös.



Im Mondschein mit Goethe.

as wäre die deutsche Lyrik ohne "das kleine Licht, das die Nacht
regieret"? Von Gott am vierten Schöpfungstage an die Beste
des Himmels gesetzt, zu geben Zeichen, Zeiten, Tage und Jahre,
sollte unser lieber Mond nach jenem Bibelworte der Menschheit
zunächst eine freundliche Nachtlampe und ein Kalendermacher sein.
Seine Dienste in beiden Eigenschaften werden auch heute noch verlangt, und


Grenzboten I. 1888. 64
Im Mondschein mit Goethe.

halten wird. Man sieht, wie bei diesem Hinblick auf das Ganze Krieg und
Friede zusammentreffen. Die Begriffe von Krieg und Frieden vereinigen sich
hier dem der treuen Gottesmacht, die das Schwert erhebt und niederlegt nicht
uach eignem Gefallen, sondern im Amte eines Höhern. Scheint doch das Volk
der „ehrlichen Waffen" (wie die Italiener dereinst die deutsche Kriegführung
nannten) nicht umsonst so mitten in die falsche, feindliche Welt gestellt, und nicht
umsonst scheint alles Wahre in Glauben und Bildung sich zu ihm, wie ans
einen sichern Fels, zu retten. Deutschland hat sich dies Verantwortliche Amt
durch seine Geschichte schwer verdienen müssen, und seine jetzige Stärke, in der
es der Welt den eignen Frieden aufzwingt, ist nur ein gerechter Entgelt für
die jammervollen Zeiten, in denen es so oft zum Schlachtfelde der Welt dienen
mußte. Und diese Stärke scheint gerade jetzt nicht zufällig. Von allen Seiten
leuchtet es blutrot am Himmel, und aus dem Boden brechen allenthalben un¬
heimliche, zerstörnngslüsterne Flämmchen. Ein Weltbrand, wie ihn noch keine
Chronik berichtet und wie ihn kaum eine Chronik wird schildern können, droht
der Menschheit, wenn nicht die feste Mauer vorhält, die Deutschland ihm ent¬
gegensetzt. Aber diese Mauer ist gut gebant, und zu ihrer Wehr bereit steht
ein Volk, das sicherlich Zeichen dafür hat, daß Gott mit ihm ist. Nichts
außer ihm fürchtet es, denn es weiß, daß an dieser festen Burg der ganze Ernst
und die ganze Macht des Bösen in der Welt zu Schanden werden muß. Sollte
aber alle Anstrengung vergeblich, sollte es in der Vorsehung beschlossen sein,
daß diese alte Welt wieder einmal im Vernichtungsbade sich verjünge, so wird
es zuversichtlich der deutsche Adler sein, der wie ein Phönix aus den Flammen
steigt, und in dieser aus seiner innersten Natur geschöpften Zuversicht wird auch
im Weltcnsturz der Deutsche mutig stehen.


A ers-ctus iMd-Mr orbis,
Imxilviäum tsriont ruinös.



Im Mondschein mit Goethe.

as wäre die deutsche Lyrik ohne „das kleine Licht, das die Nacht
regieret"? Von Gott am vierten Schöpfungstage an die Beste
des Himmels gesetzt, zu geben Zeichen, Zeiten, Tage und Jahre,
sollte unser lieber Mond nach jenem Bibelworte der Menschheit
zunächst eine freundliche Nachtlampe und ein Kalendermacher sein.
Seine Dienste in beiden Eigenschaften werden auch heute noch verlangt, und


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[0513] Im Mondschein mit Goethe. halten wird. Man sieht, wie bei diesem Hinblick auf das Ganze Krieg und Friede zusammentreffen. Die Begriffe von Krieg und Frieden vereinigen sich hier dem der treuen Gottesmacht, die das Schwert erhebt und niederlegt nicht uach eignem Gefallen, sondern im Amte eines Höhern. Scheint doch das Volk der „ehrlichen Waffen" (wie die Italiener dereinst die deutsche Kriegführung nannten) nicht umsonst so mitten in die falsche, feindliche Welt gestellt, und nicht umsonst scheint alles Wahre in Glauben und Bildung sich zu ihm, wie ans einen sichern Fels, zu retten. Deutschland hat sich dies Verantwortliche Amt durch seine Geschichte schwer verdienen müssen, und seine jetzige Stärke, in der es der Welt den eignen Frieden aufzwingt, ist nur ein gerechter Entgelt für die jammervollen Zeiten, in denen es so oft zum Schlachtfelde der Welt dienen mußte. Und diese Stärke scheint gerade jetzt nicht zufällig. Von allen Seiten leuchtet es blutrot am Himmel, und aus dem Boden brechen allenthalben un¬ heimliche, zerstörnngslüsterne Flämmchen. Ein Weltbrand, wie ihn noch keine Chronik berichtet und wie ihn kaum eine Chronik wird schildern können, droht der Menschheit, wenn nicht die feste Mauer vorhält, die Deutschland ihm ent¬ gegensetzt. Aber diese Mauer ist gut gebant, und zu ihrer Wehr bereit steht ein Volk, das sicherlich Zeichen dafür hat, daß Gott mit ihm ist. Nichts außer ihm fürchtet es, denn es weiß, daß an dieser festen Burg der ganze Ernst und die ganze Macht des Bösen in der Welt zu Schanden werden muß. Sollte aber alle Anstrengung vergeblich, sollte es in der Vorsehung beschlossen sein, daß diese alte Welt wieder einmal im Vernichtungsbade sich verjünge, so wird es zuversichtlich der deutsche Adler sein, der wie ein Phönix aus den Flammen steigt, und in dieser aus seiner innersten Natur geschöpften Zuversicht wird auch im Weltcnsturz der Deutsche mutig stehen. A ers-ctus iMd-Mr orbis, Imxilviäum tsriont ruinös. Im Mondschein mit Goethe. as wäre die deutsche Lyrik ohne „das kleine Licht, das die Nacht regieret"? Von Gott am vierten Schöpfungstage an die Beste des Himmels gesetzt, zu geben Zeichen, Zeiten, Tage und Jahre, sollte unser lieber Mond nach jenem Bibelworte der Menschheit zunächst eine freundliche Nachtlampe und ein Kalendermacher sein. Seine Dienste in beiden Eigenschaften werden auch heute noch verlangt, und Grenzboten I. 1888. 64

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202098/513>, abgerufen am 01.05.2024.