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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr.

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Die Bildung der Töchter höherer Stände.

Mittelklassen Aderer Typen und Götzen Gladstone und Cobden sind^. Der echte
Tory empfand niemals Neigung für das durchsichtige wohlfeile Treiben der
lateinischen Rassen, er hatte stets zu gute Augen, um nicht uach dem Wesen
zu greifen, statt nach dessen Scheine. Zwar war er nicht von oben inspirirt,
um voraus zu erkennen, aus was für Stoff Preußen gemacht war; es war
bequemer, auf die bettelhafter Deutschen mit ihrem leeren Geldschranke herab¬
zusehen. Aber die Jahre 1866 und 1870 haben alles das verändert. Die
Tories verstehen jetzt die Sprache von Blut und Eisen, hatten sie doch immer
eine Schwäche für sie. So würde, wenn sie ihren Willen hätten, es sich wahr¬
scheinlich in den Worten an Bismarck ausprägen: Lassen wir fortan allen Unsinn.
Wenn Frankreich den Frieden bricht, so wird es uns auf eurer Seite finde",
und wenn Nußland uns wieder zu Leibe will, so rechnen wir auf euch. Das
würde eine Politik sein, vielleicht nicht die einzige, sicher aber eine bessere als
die unsrer radikalen Schwätzer, unsrer hysterischen Presse und unsrer ängstlichen,
in Carl machenden philisterhaften Mittelklassen." Aber der Verfasser hofft
vorläufig nicht viel. "Wir haben in der letzten Zeit Preußen in manchen
Dingen nachgeahmt, aber nur im Buchstaben, nicht im Geiste haben wir es uns
angeeignet. Wir leben unter dem Eindrucke der Siege von 1866 und 1870,
sehen aber nicht, daß diese Siege im Vergleiche mit dem Geiste, der sie ermög¬
lichte und ausnutzte, so gut wie nichts sind. Unsre Lehrer sagen uns dies
niemals, sondern, wenn Bismarck einmal stirbt, wird man uns den dahin
gehenden Schatten bewundern heißen, aber wir werden so klug sein wie zuvor.
Der Mann kennt keinen Götzendienst vor dem Fetisch des I^iWW fglr", keine
Sympathie mit unserm Carl."




Die Bildung der Töchter höherer Stände.
Von Gotthold Rreyenberg.

ouni soit qui nrg.1 y psoss, möchten wir vielleicht sagen, wenn
von der Bildung der sogenannten "höhern Töchter" die Rede
ist. "Im Vorhinein" aber -- wie der Österreicher so schön
sagt -- wollen wir uns dagegen verwahren, daß ans den fol¬
genden Seiten ein Thema nach bekannten Mustern abgehandelt
werden soll. Über die weibliche Bildung werden leider gern wohlfeile Scherze
gemacht. Theaterstücke, Romane und Zeitungen gestatten sich hier manche kleine


Die Bildung der Töchter höherer Stände.

Mittelklassen Aderer Typen und Götzen Gladstone und Cobden sind^. Der echte
Tory empfand niemals Neigung für das durchsichtige wohlfeile Treiben der
lateinischen Rassen, er hatte stets zu gute Augen, um nicht uach dem Wesen
zu greifen, statt nach dessen Scheine. Zwar war er nicht von oben inspirirt,
um voraus zu erkennen, aus was für Stoff Preußen gemacht war; es war
bequemer, auf die bettelhafter Deutschen mit ihrem leeren Geldschranke herab¬
zusehen. Aber die Jahre 1866 und 1870 haben alles das verändert. Die
Tories verstehen jetzt die Sprache von Blut und Eisen, hatten sie doch immer
eine Schwäche für sie. So würde, wenn sie ihren Willen hätten, es sich wahr¬
scheinlich in den Worten an Bismarck ausprägen: Lassen wir fortan allen Unsinn.
Wenn Frankreich den Frieden bricht, so wird es uns auf eurer Seite finde»,
und wenn Nußland uns wieder zu Leibe will, so rechnen wir auf euch. Das
würde eine Politik sein, vielleicht nicht die einzige, sicher aber eine bessere als
die unsrer radikalen Schwätzer, unsrer hysterischen Presse und unsrer ängstlichen,
in Carl machenden philisterhaften Mittelklassen." Aber der Verfasser hofft
vorläufig nicht viel. „Wir haben in der letzten Zeit Preußen in manchen
Dingen nachgeahmt, aber nur im Buchstaben, nicht im Geiste haben wir es uns
angeeignet. Wir leben unter dem Eindrucke der Siege von 1866 und 1870,
sehen aber nicht, daß diese Siege im Vergleiche mit dem Geiste, der sie ermög¬
lichte und ausnutzte, so gut wie nichts sind. Unsre Lehrer sagen uns dies
niemals, sondern, wenn Bismarck einmal stirbt, wird man uns den dahin
gehenden Schatten bewundern heißen, aber wir werden so klug sein wie zuvor.
Der Mann kennt keinen Götzendienst vor dem Fetisch des I^iWW fglr«, keine
Sympathie mit unserm Carl."




Die Bildung der Töchter höherer Stände.
Von Gotthold Rreyenberg.

ouni soit qui nrg.1 y psoss, möchten wir vielleicht sagen, wenn
von der Bildung der sogenannten „höhern Töchter" die Rede
ist. „Im Vorhinein" aber — wie der Österreicher so schön
sagt — wollen wir uns dagegen verwahren, daß ans den fol¬
genden Seiten ein Thema nach bekannten Mustern abgehandelt
werden soll. Über die weibliche Bildung werden leider gern wohlfeile Scherze
gemacht. Theaterstücke, Romane und Zeitungen gestatten sich hier manche kleine


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[0552] Die Bildung der Töchter höherer Stände. Mittelklassen Aderer Typen und Götzen Gladstone und Cobden sind^. Der echte Tory empfand niemals Neigung für das durchsichtige wohlfeile Treiben der lateinischen Rassen, er hatte stets zu gute Augen, um nicht uach dem Wesen zu greifen, statt nach dessen Scheine. Zwar war er nicht von oben inspirirt, um voraus zu erkennen, aus was für Stoff Preußen gemacht war; es war bequemer, auf die bettelhafter Deutschen mit ihrem leeren Geldschranke herab¬ zusehen. Aber die Jahre 1866 und 1870 haben alles das verändert. Die Tories verstehen jetzt die Sprache von Blut und Eisen, hatten sie doch immer eine Schwäche für sie. So würde, wenn sie ihren Willen hätten, es sich wahr¬ scheinlich in den Worten an Bismarck ausprägen: Lassen wir fortan allen Unsinn. Wenn Frankreich den Frieden bricht, so wird es uns auf eurer Seite finde», und wenn Nußland uns wieder zu Leibe will, so rechnen wir auf euch. Das würde eine Politik sein, vielleicht nicht die einzige, sicher aber eine bessere als die unsrer radikalen Schwätzer, unsrer hysterischen Presse und unsrer ängstlichen, in Carl machenden philisterhaften Mittelklassen." Aber der Verfasser hofft vorläufig nicht viel. „Wir haben in der letzten Zeit Preußen in manchen Dingen nachgeahmt, aber nur im Buchstaben, nicht im Geiste haben wir es uns angeeignet. Wir leben unter dem Eindrucke der Siege von 1866 und 1870, sehen aber nicht, daß diese Siege im Vergleiche mit dem Geiste, der sie ermög¬ lichte und ausnutzte, so gut wie nichts sind. Unsre Lehrer sagen uns dies niemals, sondern, wenn Bismarck einmal stirbt, wird man uns den dahin gehenden Schatten bewundern heißen, aber wir werden so klug sein wie zuvor. Der Mann kennt keinen Götzendienst vor dem Fetisch des I^iWW fglr«, keine Sympathie mit unserm Carl." Die Bildung der Töchter höherer Stände. Von Gotthold Rreyenberg. ouni soit qui nrg.1 y psoss, möchten wir vielleicht sagen, wenn von der Bildung der sogenannten „höhern Töchter" die Rede ist. „Im Vorhinein" aber — wie der Österreicher so schön sagt — wollen wir uns dagegen verwahren, daß ans den fol¬ genden Seiten ein Thema nach bekannten Mustern abgehandelt werden soll. Über die weibliche Bildung werden leider gern wohlfeile Scherze gemacht. Theaterstücke, Romane und Zeitungen gestatten sich hier manche kleine

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202098/552>, abgerufen am 01.05.2024.