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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr.

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Die Weimarer Gesamtausgabe von Goethes Werken.

gerissen ist. Dadurch wird aber der Gesamteindruck nicht anders. In Deutsch¬
land hat man die russischen Eisenbahnpapiere nur nach ihrem Börsenkurs be¬
urteilt; für ein objektives Urteil ist eine solche Grundlage trügerisch, da auf
den Börsenkurs Verhältnisse und Operationen einwirken, welche mit den Dingen,
auf welche er sich bezieht, oft gar nicht im Zusammenhange stehen.




Die Weimarer Gesamtausgabe von Goethes Werken.
Von Heinrich Düntzer. (Schluß.)

ir übergehen andre kleinere Versehen, welche auch die neueste
Faustausgabe, wenn diese auch an manchen Stellen mit der
neuern Kritik Abhilfe geschafft hat, noch entstellen, um uns zu
der furchtbar vernachlässigten Scchzeichnuug der Ausgabe letzter
Hand zu wenden. Freilich ist in den Gedichten und im "Faust"
manches verbessert, aber bei weitem nicht alles. Ganz übermäßig tritt das
Komma ein, wo ein stärkeres Zeichen dringend geboten war. Wenige Bei¬
spiele werden genügen. In "Alexis und Dora" wird 75 ff. berichtet, mit
welchen Worten das Mädchen den Jüngling in den Garten geladen hat. Dies
sollte durch Punkt von dem sich unmittelbar anschließenden "Und so trat ich
herein" getrennt sein. Der erste und zweite Druck haben hier Punkt; statt
dessen begnügt sich der neueste, wie die Ausgabe letzter Hand, mit Komma.
Ebenso ungehörig wird bald darauf vor dem das gemeinsame Weinen be¬
schreibenden "Du weintest, ich weinte" ein bloßes Komma statt des die Auf¬
einanderfolge hervorhebenden Punktes gesetzt. Auch der Gebrauch des Kolons
und des Semikolons ist nicht geregelt. Am schlimmsten aber steht es mit den
Anführungszeichen. Welch eine bunte Musterkarte hier die Ausgabe letzter Hand
bietet, habe ich anderswo gezeigt. Der Herübernahme dieser wilden Willkür,
wo zuweilen alle Zeichen fehlen, bald bloß beim Gegenredner, bald bei beiden
Rednern stehen, teils bei allen Versen, teils nur am Anfange und Ende der
Reden, oder bloße Gedankenstriche diese trennen, dann wieder zugleich mit An¬
führungszeichen, sollte eine Musterausgabe sich nicht schuldig machen. Die
Gedankenstriche spielen in der Ausgabe letzter Hand und der neuesten, ihr darin
folgenden eine gar verschiedne Rolle; sie dienen außer der Abteilung der Reden
auch der Andeutung einer Parenthese, der Bezeichnung des Abbrechens, ja ver-


Die Weimarer Gesamtausgabe von Goethes Werken.

gerissen ist. Dadurch wird aber der Gesamteindruck nicht anders. In Deutsch¬
land hat man die russischen Eisenbahnpapiere nur nach ihrem Börsenkurs be¬
urteilt; für ein objektives Urteil ist eine solche Grundlage trügerisch, da auf
den Börsenkurs Verhältnisse und Operationen einwirken, welche mit den Dingen,
auf welche er sich bezieht, oft gar nicht im Zusammenhange stehen.




Die Weimarer Gesamtausgabe von Goethes Werken.
Von Heinrich Düntzer. (Schluß.)

ir übergehen andre kleinere Versehen, welche auch die neueste
Faustausgabe, wenn diese auch an manchen Stellen mit der
neuern Kritik Abhilfe geschafft hat, noch entstellen, um uns zu
der furchtbar vernachlässigten Scchzeichnuug der Ausgabe letzter
Hand zu wenden. Freilich ist in den Gedichten und im „Faust"
manches verbessert, aber bei weitem nicht alles. Ganz übermäßig tritt das
Komma ein, wo ein stärkeres Zeichen dringend geboten war. Wenige Bei¬
spiele werden genügen. In „Alexis und Dora" wird 75 ff. berichtet, mit
welchen Worten das Mädchen den Jüngling in den Garten geladen hat. Dies
sollte durch Punkt von dem sich unmittelbar anschließenden „Und so trat ich
herein" getrennt sein. Der erste und zweite Druck haben hier Punkt; statt
dessen begnügt sich der neueste, wie die Ausgabe letzter Hand, mit Komma.
Ebenso ungehörig wird bald darauf vor dem das gemeinsame Weinen be¬
schreibenden „Du weintest, ich weinte" ein bloßes Komma statt des die Auf¬
einanderfolge hervorhebenden Punktes gesetzt. Auch der Gebrauch des Kolons
und des Semikolons ist nicht geregelt. Am schlimmsten aber steht es mit den
Anführungszeichen. Welch eine bunte Musterkarte hier die Ausgabe letzter Hand
bietet, habe ich anderswo gezeigt. Der Herübernahme dieser wilden Willkür,
wo zuweilen alle Zeichen fehlen, bald bloß beim Gegenredner, bald bei beiden
Rednern stehen, teils bei allen Versen, teils nur am Anfange und Ende der
Reden, oder bloße Gedankenstriche diese trennen, dann wieder zugleich mit An¬
führungszeichen, sollte eine Musterausgabe sich nicht schuldig machen. Die
Gedankenstriche spielen in der Ausgabe letzter Hand und der neuesten, ihr darin
folgenden eine gar verschiedne Rolle; sie dienen außer der Abteilung der Reden
auch der Andeutung einer Parenthese, der Bezeichnung des Abbrechens, ja ver-


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[0090] Die Weimarer Gesamtausgabe von Goethes Werken. gerissen ist. Dadurch wird aber der Gesamteindruck nicht anders. In Deutsch¬ land hat man die russischen Eisenbahnpapiere nur nach ihrem Börsenkurs be¬ urteilt; für ein objektives Urteil ist eine solche Grundlage trügerisch, da auf den Börsenkurs Verhältnisse und Operationen einwirken, welche mit den Dingen, auf welche er sich bezieht, oft gar nicht im Zusammenhange stehen. Die Weimarer Gesamtausgabe von Goethes Werken. Von Heinrich Düntzer. (Schluß.) ir übergehen andre kleinere Versehen, welche auch die neueste Faustausgabe, wenn diese auch an manchen Stellen mit der neuern Kritik Abhilfe geschafft hat, noch entstellen, um uns zu der furchtbar vernachlässigten Scchzeichnuug der Ausgabe letzter Hand zu wenden. Freilich ist in den Gedichten und im „Faust" manches verbessert, aber bei weitem nicht alles. Ganz übermäßig tritt das Komma ein, wo ein stärkeres Zeichen dringend geboten war. Wenige Bei¬ spiele werden genügen. In „Alexis und Dora" wird 75 ff. berichtet, mit welchen Worten das Mädchen den Jüngling in den Garten geladen hat. Dies sollte durch Punkt von dem sich unmittelbar anschließenden „Und so trat ich herein" getrennt sein. Der erste und zweite Druck haben hier Punkt; statt dessen begnügt sich der neueste, wie die Ausgabe letzter Hand, mit Komma. Ebenso ungehörig wird bald darauf vor dem das gemeinsame Weinen be¬ schreibenden „Du weintest, ich weinte" ein bloßes Komma statt des die Auf¬ einanderfolge hervorhebenden Punktes gesetzt. Auch der Gebrauch des Kolons und des Semikolons ist nicht geregelt. Am schlimmsten aber steht es mit den Anführungszeichen. Welch eine bunte Musterkarte hier die Ausgabe letzter Hand bietet, habe ich anderswo gezeigt. Der Herübernahme dieser wilden Willkür, wo zuweilen alle Zeichen fehlen, bald bloß beim Gegenredner, bald bei beiden Rednern stehen, teils bei allen Versen, teils nur am Anfange und Ende der Reden, oder bloße Gedankenstriche diese trennen, dann wieder zugleich mit An¬ führungszeichen, sollte eine Musterausgabe sich nicht schuldig machen. Die Gedankenstriche spielen in der Ausgabe letzter Hand und der neuesten, ihr darin folgenden eine gar verschiedne Rolle; sie dienen außer der Abteilung der Reden auch der Andeutung einer Parenthese, der Bezeichnung des Abbrechens, ja ver-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202098/90>, abgerufen am 01.05.2024.