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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr.

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Zeit auf dem Gebiete des religiösen Lebens in diesen Andachtsbilde, wie in den
früher genannten religiösen Geschichtsbildern und in den nicht minder eigenartigen,
hier leider nicht näher zu verfolgenden Versuchen, Christus als die Verkörpe¬
rung der gegenwärtigen Liebe Gottes mitten hineinzustellen in dem heutigen Leben
entnommene Szenen, überzeugend wieder; zugleich freilich die Thatsache, daß
alles noch Tasten ist, ohne Zweifel, weil das historische und das psychologische
Interesse das eigentlich religiöse noch zu sehr überwiegt.

(Schluß folgt.)




Aus Österreich.

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e Tagespresse ist eine zweischneidige Waffe," und: "Man kann
scheinbar mit großer Rücksichtslosigkeit über die eignen Schwächen
aburteilen, und es doch sehr übel vermerken, wenn ein andrer
glaubt, denselben Ton anschlagen zu dürfen." Das sind zwei
Wahrheiten, die jedermann anerkennen wird, und als dritte könnte
hinzugefügt werden, daß sie jedermann jeden Augenblick vergißt. Der jüngste
Federkrieg zwischen Pest, Wien und Berlin hat das wieder bewiesen, der ein
wenig an das Triangelduell in einem englischen komischen Roman erinnerte,
und dem wir in den Kronländern, obwohl nach Wien gravitirend, gewisser¬
maßen als Unparteiische beigewohnt haben. Denn wir lassen uns den Glauben
an den Bestand des Bündnisses mit Deutschland nicht durch eine noch so hitzige
Preßfehde erschüttern, weil es zugleich eine politische Notwendigkeit und die
Befriedigung der Wünsche der Deutschösterreicher ist; und wir halten dafür,
daß, mag auch der Streit mutwillig vom Zaune gebrochen worden sein, es
gar nicht schadet, wenn dann und wann in der Hitze des Gefechts Wahrheiten
herausgesprudelt werden, die man sonst aus Schonung zurückgehalten hätte.
So dürften in diesen Tagen über die Ersprießlichkeit intimer Beziehungen zur
Presse an manchen Orten Betrachtungen angestellt worden sein.

Wenn die Zeitungen zornig werden, so nennen sie sich gegenseitig "offiziös",
das ist der Ausdruck der höchsten Verachtung. Aber es ist nicht jeder frei, der
der Ketten der andern spottet! Daß grimmige Oppositionsblätter durch Hinter¬
thüren den Weg in die Ministerialbureaux oder die Hofämter zu finden wissen,
kommt wahrscheinlich überall vor, und nicht nur Staatsregierungen halten sich
offiziöse Organe, auch Korporationen und Personen in den verschiedensten
Schichten, Banken, Eisenbahngesellschaften, Abgeordnete, Bürgermeister, große


Zeit auf dem Gebiete des religiösen Lebens in diesen Andachtsbilde, wie in den
früher genannten religiösen Geschichtsbildern und in den nicht minder eigenartigen,
hier leider nicht näher zu verfolgenden Versuchen, Christus als die Verkörpe¬
rung der gegenwärtigen Liebe Gottes mitten hineinzustellen in dem heutigen Leben
entnommene Szenen, überzeugend wieder; zugleich freilich die Thatsache, daß
alles noch Tasten ist, ohne Zweifel, weil das historische und das psychologische
Interesse das eigentlich religiöse noch zu sehr überwiegt.

(Schluß folgt.)




Aus Österreich.

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e Tagespresse ist eine zweischneidige Waffe," und: „Man kann
scheinbar mit großer Rücksichtslosigkeit über die eignen Schwächen
aburteilen, und es doch sehr übel vermerken, wenn ein andrer
glaubt, denselben Ton anschlagen zu dürfen." Das sind zwei
Wahrheiten, die jedermann anerkennen wird, und als dritte könnte
hinzugefügt werden, daß sie jedermann jeden Augenblick vergißt. Der jüngste
Federkrieg zwischen Pest, Wien und Berlin hat das wieder bewiesen, der ein
wenig an das Triangelduell in einem englischen komischen Roman erinnerte,
und dem wir in den Kronländern, obwohl nach Wien gravitirend, gewisser¬
maßen als Unparteiische beigewohnt haben. Denn wir lassen uns den Glauben
an den Bestand des Bündnisses mit Deutschland nicht durch eine noch so hitzige
Preßfehde erschüttern, weil es zugleich eine politische Notwendigkeit und die
Befriedigung der Wünsche der Deutschösterreicher ist; und wir halten dafür,
daß, mag auch der Streit mutwillig vom Zaune gebrochen worden sein, es
gar nicht schadet, wenn dann und wann in der Hitze des Gefechts Wahrheiten
herausgesprudelt werden, die man sonst aus Schonung zurückgehalten hätte.
So dürften in diesen Tagen über die Ersprießlichkeit intimer Beziehungen zur
Presse an manchen Orten Betrachtungen angestellt worden sein.

Wenn die Zeitungen zornig werden, so nennen sie sich gegenseitig „offiziös",
das ist der Ausdruck der höchsten Verachtung. Aber es ist nicht jeder frei, der
der Ketten der andern spottet! Daß grimmige Oppositionsblätter durch Hinter¬
thüren den Weg in die Ministerialbureaux oder die Hofämter zu finden wissen,
kommt wahrscheinlich überall vor, und nicht nur Staatsregierungen halten sich
offiziöse Organe, auch Korporationen und Personen in den verschiedensten
Schichten, Banken, Eisenbahngesellschaften, Abgeordnete, Bürgermeister, große


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[0574] Zeit auf dem Gebiete des religiösen Lebens in diesen Andachtsbilde, wie in den früher genannten religiösen Geschichtsbildern und in den nicht minder eigenartigen, hier leider nicht näher zu verfolgenden Versuchen, Christus als die Verkörpe¬ rung der gegenwärtigen Liebe Gottes mitten hineinzustellen in dem heutigen Leben entnommene Szenen, überzeugend wieder; zugleich freilich die Thatsache, daß alles noch Tasten ist, ohne Zweifel, weil das historische und das psychologische Interesse das eigentlich religiöse noch zu sehr überwiegt. (Schluß folgt.) Aus Österreich. l e Tagespresse ist eine zweischneidige Waffe," und: „Man kann scheinbar mit großer Rücksichtslosigkeit über die eignen Schwächen aburteilen, und es doch sehr übel vermerken, wenn ein andrer glaubt, denselben Ton anschlagen zu dürfen." Das sind zwei Wahrheiten, die jedermann anerkennen wird, und als dritte könnte hinzugefügt werden, daß sie jedermann jeden Augenblick vergißt. Der jüngste Federkrieg zwischen Pest, Wien und Berlin hat das wieder bewiesen, der ein wenig an das Triangelduell in einem englischen komischen Roman erinnerte, und dem wir in den Kronländern, obwohl nach Wien gravitirend, gewisser¬ maßen als Unparteiische beigewohnt haben. Denn wir lassen uns den Glauben an den Bestand des Bündnisses mit Deutschland nicht durch eine noch so hitzige Preßfehde erschüttern, weil es zugleich eine politische Notwendigkeit und die Befriedigung der Wünsche der Deutschösterreicher ist; und wir halten dafür, daß, mag auch der Streit mutwillig vom Zaune gebrochen worden sein, es gar nicht schadet, wenn dann und wann in der Hitze des Gefechts Wahrheiten herausgesprudelt werden, die man sonst aus Schonung zurückgehalten hätte. So dürften in diesen Tagen über die Ersprießlichkeit intimer Beziehungen zur Presse an manchen Orten Betrachtungen angestellt worden sein. Wenn die Zeitungen zornig werden, so nennen sie sich gegenseitig „offiziös", das ist der Ausdruck der höchsten Verachtung. Aber es ist nicht jeder frei, der der Ketten der andern spottet! Daß grimmige Oppositionsblätter durch Hinter¬ thüren den Weg in die Ministerialbureaux oder die Hofämter zu finden wissen, kommt wahrscheinlich überall vor, und nicht nur Staatsregierungen halten sich offiziöse Organe, auch Korporationen und Personen in den verschiedensten Schichten, Banken, Eisenbahngesellschaften, Abgeordnete, Bürgermeister, große

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_203434/574>, abgerufen am 05.05.2024.