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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr.

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Die Gartenkunst.

ewige Statuen zu steter Verehrung und Nacheiferung an der Schwelle des
Hochbaues deutschen Geistes stehen. Und wenn dann der Deutsche auf seines
Lebens Mittag vor- und rückwärts blickt und den Überschlag macht über seines
Werdens Gewinn und Verlust und über seines Wirkens Frucht und Aufgabe,
dann wird ein Helles, gegenwärtiges Kunstwerk zur Stelle sein, das ihm dies
im Bilde zeigt: kein dunkles, unruhiges, übermaltes Zukunftsbild, sondern eine
helle, sichere, frische Gegenwart, in der eine verheißungsvolle Zukunft in einer
reichen und schönen Vergangenheit sich spiegelt.




Die Gartenkunst.

er unsre Zeit unfruchtbar nennen wollte, würde auf allen Seiten
den heftigsten Widerspruch hervorrufen. Wann wäre mehr ge¬
dacht und gedichtet, gesagt und gesungen, gemalt und gemodelt,
gebaut und gebastelt worden? Doch wird sich nicht lenger lassen,
daß sich in alledem mehr Neproduktions- als Produktionskraft
äußert. In den Künsten vor allein wird immer wieder mit bewußter Absicht
irgend ein alter Stil erneut oder aus allen Stilen eklektisch ein neues Gebilde
zusammengetragen, und wenn auf die eine und die andre Weise nicht immer
Gutes herauskommt, so pflegt es doch noch erträglicher zu sein, als die qual¬
vollen Versuche in ganz neuen Stilen. Irren wir nicht, so wird die Zukunft
sogar manchem mehr Beifall zollen, was heute wegen Stilmischung als ver¬
werflich gilt, als Dingen, deren Schöpfer völlig in den Geist des Altertums,
des vierzehnten oder des sechzehnten Jahrhunderts eingedrungen zu sein meinen.
Wie soll auch ein strenger Purismus sich zu der ganzen Richtung der Gegen-
wart reimen, vorurteilsfrei die Erzeugnisse aller Zeiten nach den Bedingungen
zu beurteilen, unter denen sie entstanden sind? Unstreitig erhöht diese Zeit¬
strömung unsre Genußfähigkeit und erweitert bis ins Unendliche das Gebiet
künstlerischen Genusses: soll der Künstler allein von dieser Freiheit nichts haben,
mit Scheuklappen durch die Welt gehen? Die ganze Kunstgeschichte zeigt uns
ja eine ununterbrochene Kette von Stilmischungen, und neue Perioden lassen
sich nur darnach bestimmen, wie ein Element der Mischung das Übergewicht
erlangt.

Diese Thatsache ist uns wieder recht zum Bewußtsein gekommen bei dem
Betrachten eines schönen Werkes über die Gartenkunst: I-'^re usf
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Die Gartenkunst.

ewige Statuen zu steter Verehrung und Nacheiferung an der Schwelle des
Hochbaues deutschen Geistes stehen. Und wenn dann der Deutsche auf seines
Lebens Mittag vor- und rückwärts blickt und den Überschlag macht über seines
Werdens Gewinn und Verlust und über seines Wirkens Frucht und Aufgabe,
dann wird ein Helles, gegenwärtiges Kunstwerk zur Stelle sein, das ihm dies
im Bilde zeigt: kein dunkles, unruhiges, übermaltes Zukunftsbild, sondern eine
helle, sichere, frische Gegenwart, in der eine verheißungsvolle Zukunft in einer
reichen und schönen Vergangenheit sich spiegelt.




Die Gartenkunst.

er unsre Zeit unfruchtbar nennen wollte, würde auf allen Seiten
den heftigsten Widerspruch hervorrufen. Wann wäre mehr ge¬
dacht und gedichtet, gesagt und gesungen, gemalt und gemodelt,
gebaut und gebastelt worden? Doch wird sich nicht lenger lassen,
daß sich in alledem mehr Neproduktions- als Produktionskraft
äußert. In den Künsten vor allein wird immer wieder mit bewußter Absicht
irgend ein alter Stil erneut oder aus allen Stilen eklektisch ein neues Gebilde
zusammengetragen, und wenn auf die eine und die andre Weise nicht immer
Gutes herauskommt, so pflegt es doch noch erträglicher zu sein, als die qual¬
vollen Versuche in ganz neuen Stilen. Irren wir nicht, so wird die Zukunft
sogar manchem mehr Beifall zollen, was heute wegen Stilmischung als ver¬
werflich gilt, als Dingen, deren Schöpfer völlig in den Geist des Altertums,
des vierzehnten oder des sechzehnten Jahrhunderts eingedrungen zu sein meinen.
Wie soll auch ein strenger Purismus sich zu der ganzen Richtung der Gegen-
wart reimen, vorurteilsfrei die Erzeugnisse aller Zeiten nach den Bedingungen
zu beurteilen, unter denen sie entstanden sind? Unstreitig erhöht diese Zeit¬
strömung unsre Genußfähigkeit und erweitert bis ins Unendliche das Gebiet
künstlerischen Genusses: soll der Künstler allein von dieser Freiheit nichts haben,
mit Scheuklappen durch die Welt gehen? Die ganze Kunstgeschichte zeigt uns
ja eine ununterbrochene Kette von Stilmischungen, und neue Perioden lassen
sich nur darnach bestimmen, wie ein Element der Mischung das Übergewicht
erlangt.

Diese Thatsache ist uns wieder recht zum Bewußtsein gekommen bei dem
Betrachten eines schönen Werkes über die Gartenkunst: I-'^re usf
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[0378] Die Gartenkunst. ewige Statuen zu steter Verehrung und Nacheiferung an der Schwelle des Hochbaues deutschen Geistes stehen. Und wenn dann der Deutsche auf seines Lebens Mittag vor- und rückwärts blickt und den Überschlag macht über seines Werdens Gewinn und Verlust und über seines Wirkens Frucht und Aufgabe, dann wird ein Helles, gegenwärtiges Kunstwerk zur Stelle sein, das ihm dies im Bilde zeigt: kein dunkles, unruhiges, übermaltes Zukunftsbild, sondern eine helle, sichere, frische Gegenwart, in der eine verheißungsvolle Zukunft in einer reichen und schönen Vergangenheit sich spiegelt. Die Gartenkunst. er unsre Zeit unfruchtbar nennen wollte, würde auf allen Seiten den heftigsten Widerspruch hervorrufen. Wann wäre mehr ge¬ dacht und gedichtet, gesagt und gesungen, gemalt und gemodelt, gebaut und gebastelt worden? Doch wird sich nicht lenger lassen, daß sich in alledem mehr Neproduktions- als Produktionskraft äußert. In den Künsten vor allein wird immer wieder mit bewußter Absicht irgend ein alter Stil erneut oder aus allen Stilen eklektisch ein neues Gebilde zusammengetragen, und wenn auf die eine und die andre Weise nicht immer Gutes herauskommt, so pflegt es doch noch erträglicher zu sein, als die qual¬ vollen Versuche in ganz neuen Stilen. Irren wir nicht, so wird die Zukunft sogar manchem mehr Beifall zollen, was heute wegen Stilmischung als ver¬ werflich gilt, als Dingen, deren Schöpfer völlig in den Geist des Altertums, des vierzehnten oder des sechzehnten Jahrhunderts eingedrungen zu sein meinen. Wie soll auch ein strenger Purismus sich zu der ganzen Richtung der Gegen- wart reimen, vorurteilsfrei die Erzeugnisse aller Zeiten nach den Bedingungen zu beurteilen, unter denen sie entstanden sind? Unstreitig erhöht diese Zeit¬ strömung unsre Genußfähigkeit und erweitert bis ins Unendliche das Gebiet künstlerischen Genusses: soll der Künstler allein von dieser Freiheit nichts haben, mit Scheuklappen durch die Welt gehen? Die ganze Kunstgeschichte zeigt uns ja eine ununterbrochene Kette von Stilmischungen, und neue Perioden lassen sich nur darnach bestimmen, wie ein Element der Mischung das Übergewicht erlangt. Diese Thatsache ist uns wieder recht zum Bewußtsein gekommen bei dem Betrachten eines schönen Werkes über die Gartenkunst: I-'^re usf ?g,rv8 — 3ar«Ziu8 — kromsn^als — 1rg,it6 xiatic^us se (liäaotiquk var lo Linon

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_289122/378>, abgerufen am 05.05.2024.