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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr.

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Die Gartenkunst.

IZrnouk. Iroisisms säitiou, sntisrsinsvt rskonäus g-oss 1s oonoours as ^. ^1-
xdaiiä. (Paris, I. Rothschild.) Welcher Stil beherrscht unsre heutige Garten¬
kunst? Darauf würde schwer eine andre Antwort zu geben sein als die: ein
Stil, der Bestandteile aller bekannten ältern in sich aufgenommen hat. Ein
gelehrter Gartenfreund und ein hervorragender Praktiker in einflußreicher Stel¬
lung in Paris lassen hier in sehr anziehender, durch eine Fülle von Abbil¬
dungen belebter Darstellung die Entwicklung der Gartenanlagen von den Zeiten
der Semiramis und des Ramses bis auf die Gegenwart an uns vorüberziehen.
Bleiben unsre Vorstellungen von den Gärten des Altertums auch hiernach noch
sehr lückenhaft, und ist in dem Abschnitt über das Mittelalter die Warnung
sehr am Platze, man möge nicht die sogenannten gothischen Gartenpläne in
Meyers "Schöner Gartenkunst" und ähnlichen Werken als echte Beispiele an¬
sehen, so werden wir desto genauer unterrichtet über System und Einzel¬
formen der Gärten der Renaissance in Italien und Frankreich, der Schöpfungen
Le notres und seiner Schule und des englischen Stils. Jede dieser Arten ist
einmal als höchstes Muster bewundert und dann als altfränkisch und geschmack¬
los belacht worden. Heute sind wir objektiv genug, unter den Übertreibungen
jeder Richtung das geschichtlich und das ästhetisch Berechtigte zu erkennen, keine
für unbedingt nachahmenswert zu halten, aber auch keine in Bausch und Bogen
zu verwerfen, aus jeder zu lernen und anzunehmen. Wir sind glücklich dahin
gelangt, zwischen öffentlichen Anlagen, Parks und Hausgärten zu unterscheiden,
den Zusammenhang zwischen Architektur und Gärtnerei wieder zu begreifen, aber
auch weder das architektonische noch das Landschaftsbild auf Kosten der Nutz¬
barkeit zu bevorzugen. Und wo es am besten gelungen ist, malerische Baum¬
gruppen, Rasenplätze, Blumenbeete, schattige Alleen, Lauben und Laubengänge
und, je nachdem, Obst- und Gemüsepflanzungen mit einander zu verbinden, da
werden wir sicher eine Verschmelzung von italienischem, französischem und eng¬
lischem System entdecken, vielleicht auch Züge, die noch unmittelbar an asiatische
Herkunft erinnern.

Wie das Werk jetzt vor uns liegt, darf es unbedenklich als ein Muster
seiner Gattung bezeichnet werden. Daß Frankreich, richtiger Paris, im Vorder¬
grunde der Betrachtungen steht, ist selbstverständlich. Für Frankreich haben ja
die Verfasser das Buch geschrieben, "der Verwaltung von Paris, welche so viel
zur Gesundung und Verschönerung der Hauptstadt und zur fortschreitenden Ent¬
wicklung der Gartenkunst beigetragen hat," lautet die Widmung, und wer könnte
leugnen, daß dieses Lob verdient ist? Doch liegt zu dem Vorwurfe nationaler
Ausschließlichkeit kein Grund vor. Die Beispiele sind sämtlichen vier alten Welt¬
teilen entnommen, und höchstens könnte auffallen, daß den modernen Garten¬
anlagen Oberitaliens wenig Berücksichtigung geworden ist. Vor allem wertvoll
wird das Werk dadurch, daß weder der Historiker und der Ästhetiker, noch der
Theoretiker, noch der Praktiker allein darin spricht, vielmehr alle Gesichtspunkte


Die Gartenkunst.

IZrnouk. Iroisisms säitiou, sntisrsinsvt rskonäus g-oss 1s oonoours as ^. ^1-
xdaiiä. (Paris, I. Rothschild.) Welcher Stil beherrscht unsre heutige Garten¬
kunst? Darauf würde schwer eine andre Antwort zu geben sein als die: ein
Stil, der Bestandteile aller bekannten ältern in sich aufgenommen hat. Ein
gelehrter Gartenfreund und ein hervorragender Praktiker in einflußreicher Stel¬
lung in Paris lassen hier in sehr anziehender, durch eine Fülle von Abbil¬
dungen belebter Darstellung die Entwicklung der Gartenanlagen von den Zeiten
der Semiramis und des Ramses bis auf die Gegenwart an uns vorüberziehen.
Bleiben unsre Vorstellungen von den Gärten des Altertums auch hiernach noch
sehr lückenhaft, und ist in dem Abschnitt über das Mittelalter die Warnung
sehr am Platze, man möge nicht die sogenannten gothischen Gartenpläne in
Meyers „Schöner Gartenkunst" und ähnlichen Werken als echte Beispiele an¬
sehen, so werden wir desto genauer unterrichtet über System und Einzel¬
formen der Gärten der Renaissance in Italien und Frankreich, der Schöpfungen
Le notres und seiner Schule und des englischen Stils. Jede dieser Arten ist
einmal als höchstes Muster bewundert und dann als altfränkisch und geschmack¬
los belacht worden. Heute sind wir objektiv genug, unter den Übertreibungen
jeder Richtung das geschichtlich und das ästhetisch Berechtigte zu erkennen, keine
für unbedingt nachahmenswert zu halten, aber auch keine in Bausch und Bogen
zu verwerfen, aus jeder zu lernen und anzunehmen. Wir sind glücklich dahin
gelangt, zwischen öffentlichen Anlagen, Parks und Hausgärten zu unterscheiden,
den Zusammenhang zwischen Architektur und Gärtnerei wieder zu begreifen, aber
auch weder das architektonische noch das Landschaftsbild auf Kosten der Nutz¬
barkeit zu bevorzugen. Und wo es am besten gelungen ist, malerische Baum¬
gruppen, Rasenplätze, Blumenbeete, schattige Alleen, Lauben und Laubengänge
und, je nachdem, Obst- und Gemüsepflanzungen mit einander zu verbinden, da
werden wir sicher eine Verschmelzung von italienischem, französischem und eng¬
lischem System entdecken, vielleicht auch Züge, die noch unmittelbar an asiatische
Herkunft erinnern.

Wie das Werk jetzt vor uns liegt, darf es unbedenklich als ein Muster
seiner Gattung bezeichnet werden. Daß Frankreich, richtiger Paris, im Vorder¬
grunde der Betrachtungen steht, ist selbstverständlich. Für Frankreich haben ja
die Verfasser das Buch geschrieben, „der Verwaltung von Paris, welche so viel
zur Gesundung und Verschönerung der Hauptstadt und zur fortschreitenden Ent¬
wicklung der Gartenkunst beigetragen hat," lautet die Widmung, und wer könnte
leugnen, daß dieses Lob verdient ist? Doch liegt zu dem Vorwurfe nationaler
Ausschließlichkeit kein Grund vor. Die Beispiele sind sämtlichen vier alten Welt¬
teilen entnommen, und höchstens könnte auffallen, daß den modernen Garten¬
anlagen Oberitaliens wenig Berücksichtigung geworden ist. Vor allem wertvoll
wird das Werk dadurch, daß weder der Historiker und der Ästhetiker, noch der
Theoretiker, noch der Praktiker allein darin spricht, vielmehr alle Gesichtspunkte


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_289122/379>, abgerufen am 25.05.2024.