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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr.

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Lrimiernngen aus Alt-Jena,

redakteur, durch den persönlichen Vorteil zusammengehalten. Veröffentlicht der
Buchhändler zugleich periodische Blätter, so sind seine Mitarbeiter ziemlich sicher,
darin gelobt oder doch mehr oder weniger gegen ungünstige Beurteilungen geschützt
zu werden, denn mit solchen thäte er sich geschäftlich Abbruch. Es kann Reklame
für und wider entstehen, bei denen der Verfasser zwar genannt, aber der Geldbeutel
gemeint ist. namhafte Kräfte halten sich vielfach zurück; Männer, welche in
Fachsachen solide arbeiten, lassen es hier bei geringer Mühe bewenden und
suchen auf nur halbwegs anständige Art viele Bogen voll zu bringen, eine erbau¬
liche, fadenscheinige Breite, ja eine große Liederlichkeit der Arbeit, eine fatale Kunst
des Buchmachens, die Sucht nach Erwerb drängen sich vor: das Ganze trägt
bisweilen das Brandmal der Gewcrbsmüßigkeit und geringer Achtung. Hierunter
haben in erster Linie die Buchhändler, die Unternehmer des Ganzen, zu leiden,
zu deren Ehre gesagt werden muß, daß sie gar manchen Verfasser an Anstand
übertreffen. Groß ist das Angebot, das Gute gering. Und doch gälte es hier
gerade, nicht mit leichter, kecker Hand hinzuwerfen, sondern Werke zu erstreben,
die dem Kenner genügten, den Gebildeten erfreuten, die Menge anzögen und
belehrten, worin Forschung und Verarbeitung sich deckte", Höhe und Bedeutung,
kurz, der Stand der Wissenschaft vergegenwärtigt würde. Unverkennbar ist schon
die Wendung zum Bessern eingetreten.

Die Spczialarbeit braucht darum nicht aufzuhören oder nur nachzulassen,
der Drang nach Erkenntnis darf das Geringste nicht verschmähen, aber er soll
sich nicht im Kleinkram überschätzen, soll das Bedeutende, das Wirkende, das
vielleicht Wichtigste nicht versäumen, soll das, was in stillem Fleiße und mühe¬
voller Anstrengung aus Staub und Schutt zu Tage gefördert worden ist, nutz¬
bringend verwerten, es "in den Verkehr der Menschen, in den Verkehr des
Vaterlandes werfen."




Erinnerungen aus Alt-Jena.
(Schluß.)

o scharf ausgeprägt demnach die Gegensätze in Jena wie überall sich
gegenüber standen, ging doch der Sommer (1848) ohne auffällige
Vorkommnisse vorüber. Die verschiednen Parteien arbeiteten, den
Blick nach Frankfurt, weiterhin nach Berlin und Wien gerichtet,
jede in ihrer Weise und warteten das übrige ab. Auch in Jena
hatte sich, wie anderwärts überall, eine Bürgerwehr gebildet, in der sich die


Lrimiernngen aus Alt-Jena,

redakteur, durch den persönlichen Vorteil zusammengehalten. Veröffentlicht der
Buchhändler zugleich periodische Blätter, so sind seine Mitarbeiter ziemlich sicher,
darin gelobt oder doch mehr oder weniger gegen ungünstige Beurteilungen geschützt
zu werden, denn mit solchen thäte er sich geschäftlich Abbruch. Es kann Reklame
für und wider entstehen, bei denen der Verfasser zwar genannt, aber der Geldbeutel
gemeint ist. namhafte Kräfte halten sich vielfach zurück; Männer, welche in
Fachsachen solide arbeiten, lassen es hier bei geringer Mühe bewenden und
suchen auf nur halbwegs anständige Art viele Bogen voll zu bringen, eine erbau¬
liche, fadenscheinige Breite, ja eine große Liederlichkeit der Arbeit, eine fatale Kunst
des Buchmachens, die Sucht nach Erwerb drängen sich vor: das Ganze trägt
bisweilen das Brandmal der Gewcrbsmüßigkeit und geringer Achtung. Hierunter
haben in erster Linie die Buchhändler, die Unternehmer des Ganzen, zu leiden,
zu deren Ehre gesagt werden muß, daß sie gar manchen Verfasser an Anstand
übertreffen. Groß ist das Angebot, das Gute gering. Und doch gälte es hier
gerade, nicht mit leichter, kecker Hand hinzuwerfen, sondern Werke zu erstreben,
die dem Kenner genügten, den Gebildeten erfreuten, die Menge anzögen und
belehrten, worin Forschung und Verarbeitung sich deckte», Höhe und Bedeutung,
kurz, der Stand der Wissenschaft vergegenwärtigt würde. Unverkennbar ist schon
die Wendung zum Bessern eingetreten.

Die Spczialarbeit braucht darum nicht aufzuhören oder nur nachzulassen,
der Drang nach Erkenntnis darf das Geringste nicht verschmähen, aber er soll
sich nicht im Kleinkram überschätzen, soll das Bedeutende, das Wirkende, das
vielleicht Wichtigste nicht versäumen, soll das, was in stillem Fleiße und mühe¬
voller Anstrengung aus Staub und Schutt zu Tage gefördert worden ist, nutz¬
bringend verwerten, es „in den Verkehr der Menschen, in den Verkehr des
Vaterlandes werfen."




Erinnerungen aus Alt-Jena.
(Schluß.)

o scharf ausgeprägt demnach die Gegensätze in Jena wie überall sich
gegenüber standen, ging doch der Sommer (1848) ohne auffällige
Vorkommnisse vorüber. Die verschiednen Parteien arbeiteten, den
Blick nach Frankfurt, weiterhin nach Berlin und Wien gerichtet,
jede in ihrer Weise und warteten das übrige ab. Auch in Jena
hatte sich, wie anderwärts überall, eine Bürgerwehr gebildet, in der sich die


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[0413] Lrimiernngen aus Alt-Jena, redakteur, durch den persönlichen Vorteil zusammengehalten. Veröffentlicht der Buchhändler zugleich periodische Blätter, so sind seine Mitarbeiter ziemlich sicher, darin gelobt oder doch mehr oder weniger gegen ungünstige Beurteilungen geschützt zu werden, denn mit solchen thäte er sich geschäftlich Abbruch. Es kann Reklame für und wider entstehen, bei denen der Verfasser zwar genannt, aber der Geldbeutel gemeint ist. namhafte Kräfte halten sich vielfach zurück; Männer, welche in Fachsachen solide arbeiten, lassen es hier bei geringer Mühe bewenden und suchen auf nur halbwegs anständige Art viele Bogen voll zu bringen, eine erbau¬ liche, fadenscheinige Breite, ja eine große Liederlichkeit der Arbeit, eine fatale Kunst des Buchmachens, die Sucht nach Erwerb drängen sich vor: das Ganze trägt bisweilen das Brandmal der Gewcrbsmüßigkeit und geringer Achtung. Hierunter haben in erster Linie die Buchhändler, die Unternehmer des Ganzen, zu leiden, zu deren Ehre gesagt werden muß, daß sie gar manchen Verfasser an Anstand übertreffen. Groß ist das Angebot, das Gute gering. Und doch gälte es hier gerade, nicht mit leichter, kecker Hand hinzuwerfen, sondern Werke zu erstreben, die dem Kenner genügten, den Gebildeten erfreuten, die Menge anzögen und belehrten, worin Forschung und Verarbeitung sich deckte», Höhe und Bedeutung, kurz, der Stand der Wissenschaft vergegenwärtigt würde. Unverkennbar ist schon die Wendung zum Bessern eingetreten. Die Spczialarbeit braucht darum nicht aufzuhören oder nur nachzulassen, der Drang nach Erkenntnis darf das Geringste nicht verschmähen, aber er soll sich nicht im Kleinkram überschätzen, soll das Bedeutende, das Wirkende, das vielleicht Wichtigste nicht versäumen, soll das, was in stillem Fleiße und mühe¬ voller Anstrengung aus Staub und Schutt zu Tage gefördert worden ist, nutz¬ bringend verwerten, es „in den Verkehr der Menschen, in den Verkehr des Vaterlandes werfen." Erinnerungen aus Alt-Jena. (Schluß.) o scharf ausgeprägt demnach die Gegensätze in Jena wie überall sich gegenüber standen, ging doch der Sommer (1848) ohne auffällige Vorkommnisse vorüber. Die verschiednen Parteien arbeiteten, den Blick nach Frankfurt, weiterhin nach Berlin und Wien gerichtet, jede in ihrer Weise und warteten das übrige ab. Auch in Jena hatte sich, wie anderwärts überall, eine Bürgerwehr gebildet, in der sich die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_289122/413>, abgerufen am 05.05.2024.