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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr.

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An Körners Toni und Zriny

geschlossen und unterzeichnet, und die Auswechselung der Ratifikationen fand
am 24. Juni 1886 in Berlin statt. Wir haben Grund zu hoffen, daß er in
den zehn Jahren von diesem Datum ab nicht gekündigt werden, sondern bestehen
bleiben und erneuert werden wird -- vielleicht mit Erweiterungen nützlich für
beide Teile.




Zu Körners Toni und Zriny
von Reinhard Rade

lief "forscht Goethe" heutzutage. Lessing ist ganz ins Hintertreffen
geraten, und Schiller und seine geistigen Nachfahren bleiben erst
recht links liegen. Da wird es fast ein Lächeln erregen, wenn
sich einer weitab von dem großen Strome mit Theodor Körner
beschäftigt. Wenn dieser eine gar noch hinzufügt, daß er einem
weiteren Leserkreise eine kleine Quellenforschung über Körner bieten will, so
wird vielleicht gar ein Naserümpfen draus werden. Und doch, ich denke, man
braucht Körner nicht immer nur von der ästhetischen Seite anzufassen, ihn mit
oft recht fadenscheinigen Redensarten als Freiheitshelden und deutschen Tyrtnns
zu rühmen. Denn seine Dichtungen geben so vielfachen Stoff zu wissenschaft¬
licher Vertiefung, geben anderseits so manche Nuß zu knacken ans, daß es schon
nicht ganz leicht hält, die geistigen Wege des Dichters bis zu Ende zu Ver¬
folger. Diese reizvolle Wanderung zu den Quellen Körnerscher Dichtung soll
hier einmal an einzelnen Beispielen angetreten werden. Ferne sei es, daß ich
damit das Wohlgefallen um dem natnrfrischen Jüngling irgendwie stören oder
verkleinern wollte. Nein, ich will, über dem Persönlichen stehend, uur einige
Thatsachen zur Entstehungsgeschichte besonders zweier Körnerscher Dramen, der
"Toni" und des "Zriny," beibringen und dabei den Leser einen Blick in die
giftige Werkstatt des Dichters werfen lassen.

Im Jahre 1812 war Körners Thätigkeit in Wien eine geradezu staunen-
^'regende. Er arbeitete ja nie sehr langsam, und der Vater meinte sogar zu
Schiller, sein Karl habe ziemliche Gewandtheit und Schnelligkeit für körperliche
und geistige Thätigkeit. Aber solche Schaffenskraft, wie in Wien, konnte ge¬
fährlich erscheinen. In der Weihnachtszeit von 1811 entstanden die zwei kleinen
"ttstspiele "Die Braut" und "Der grüne Domino," und in sieben Stunden
"Fischermädchen," ein Operntext für den Komponisten Steinacker, Am
8- Jnnunr 1812 wurde der "Nachtwächter" fertig, im Laufe des Januar wurde


An Körners Toni und Zriny

geschlossen und unterzeichnet, und die Auswechselung der Ratifikationen fand
am 24. Juni 1886 in Berlin statt. Wir haben Grund zu hoffen, daß er in
den zehn Jahren von diesem Datum ab nicht gekündigt werden, sondern bestehen
bleiben und erneuert werden wird — vielleicht mit Erweiterungen nützlich für
beide Teile.




Zu Körners Toni und Zriny
von Reinhard Rade

lief „forscht Goethe" heutzutage. Lessing ist ganz ins Hintertreffen
geraten, und Schiller und seine geistigen Nachfahren bleiben erst
recht links liegen. Da wird es fast ein Lächeln erregen, wenn
sich einer weitab von dem großen Strome mit Theodor Körner
beschäftigt. Wenn dieser eine gar noch hinzufügt, daß er einem
weiteren Leserkreise eine kleine Quellenforschung über Körner bieten will, so
wird vielleicht gar ein Naserümpfen draus werden. Und doch, ich denke, man
braucht Körner nicht immer nur von der ästhetischen Seite anzufassen, ihn mit
oft recht fadenscheinigen Redensarten als Freiheitshelden und deutschen Tyrtnns
zu rühmen. Denn seine Dichtungen geben so vielfachen Stoff zu wissenschaft¬
licher Vertiefung, geben anderseits so manche Nuß zu knacken ans, daß es schon
nicht ganz leicht hält, die geistigen Wege des Dichters bis zu Ende zu Ver¬
folger. Diese reizvolle Wanderung zu den Quellen Körnerscher Dichtung soll
hier einmal an einzelnen Beispielen angetreten werden. Ferne sei es, daß ich
damit das Wohlgefallen um dem natnrfrischen Jüngling irgendwie stören oder
verkleinern wollte. Nein, ich will, über dem Persönlichen stehend, uur einige
Thatsachen zur Entstehungsgeschichte besonders zweier Körnerscher Dramen, der
"Toni" und des „Zriny," beibringen und dabei den Leser einen Blick in die
giftige Werkstatt des Dichters werfen lassen.

Im Jahre 1812 war Körners Thätigkeit in Wien eine geradezu staunen-
^'regende. Er arbeitete ja nie sehr langsam, und der Vater meinte sogar zu
Schiller, sein Karl habe ziemliche Gewandtheit und Schnelligkeit für körperliche
und geistige Thätigkeit. Aber solche Schaffenskraft, wie in Wien, konnte ge¬
fährlich erscheinen. In der Weihnachtszeit von 1811 entstanden die zwei kleinen
"ttstspiele „Die Braut" und „Der grüne Domino," und in sieben Stunden
„Fischermädchen," ein Operntext für den Komponisten Steinacker, Am
8- Jnnunr 1812 wurde der „Nachtwächter" fertig, im Laufe des Januar wurde


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[0179] An Körners Toni und Zriny geschlossen und unterzeichnet, und die Auswechselung der Ratifikationen fand am 24. Juni 1886 in Berlin statt. Wir haben Grund zu hoffen, daß er in den zehn Jahren von diesem Datum ab nicht gekündigt werden, sondern bestehen bleiben und erneuert werden wird — vielleicht mit Erweiterungen nützlich für beide Teile. Zu Körners Toni und Zriny von Reinhard Rade lief „forscht Goethe" heutzutage. Lessing ist ganz ins Hintertreffen geraten, und Schiller und seine geistigen Nachfahren bleiben erst recht links liegen. Da wird es fast ein Lächeln erregen, wenn sich einer weitab von dem großen Strome mit Theodor Körner beschäftigt. Wenn dieser eine gar noch hinzufügt, daß er einem weiteren Leserkreise eine kleine Quellenforschung über Körner bieten will, so wird vielleicht gar ein Naserümpfen draus werden. Und doch, ich denke, man braucht Körner nicht immer nur von der ästhetischen Seite anzufassen, ihn mit oft recht fadenscheinigen Redensarten als Freiheitshelden und deutschen Tyrtnns zu rühmen. Denn seine Dichtungen geben so vielfachen Stoff zu wissenschaft¬ licher Vertiefung, geben anderseits so manche Nuß zu knacken ans, daß es schon nicht ganz leicht hält, die geistigen Wege des Dichters bis zu Ende zu Ver¬ folger. Diese reizvolle Wanderung zu den Quellen Körnerscher Dichtung soll hier einmal an einzelnen Beispielen angetreten werden. Ferne sei es, daß ich damit das Wohlgefallen um dem natnrfrischen Jüngling irgendwie stören oder verkleinern wollte. Nein, ich will, über dem Persönlichen stehend, uur einige Thatsachen zur Entstehungsgeschichte besonders zweier Körnerscher Dramen, der "Toni" und des „Zriny," beibringen und dabei den Leser einen Blick in die giftige Werkstatt des Dichters werfen lassen. Im Jahre 1812 war Körners Thätigkeit in Wien eine geradezu staunen- ^'regende. Er arbeitete ja nie sehr langsam, und der Vater meinte sogar zu Schiller, sein Karl habe ziemliche Gewandtheit und Schnelligkeit für körperliche und geistige Thätigkeit. Aber solche Schaffenskraft, wie in Wien, konnte ge¬ fährlich erscheinen. In der Weihnachtszeit von 1811 entstanden die zwei kleinen "ttstspiele „Die Braut" und „Der grüne Domino," und in sieben Stunden „Fischermädchen," ein Operntext für den Komponisten Steinacker, Am 8- Jnnunr 1812 wurde der „Nachtwächter" fertig, im Laufe des Januar wurde

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204088/179>, abgerufen am 05.05.2024.