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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr.

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Das adliche und das bürgerliche Element im deutschen
Heere
von einem süddeutschen (Offizier

cum man die Zusammensetzung des Offizierkorps im preußischen
Heere unter Friedrich dem Großen mit der im heutigen deutschen
Heere vergleicht, so ergiebt sich, während dort das adliche Ele¬
ment ausschließlich vertreten war, hier ein Überwigen der bürger¬
lichen Offiziere. Darin ist ein allmählich sich vollziehender Prozeß
wahrnehmbar, der innerhalb dieser Zeit begonnen hat und selbstverständlich
nun stetig fortschreitet, um im Laufe der Jahre, vielleicht in absehbarer Zeit,
zu einer Ausgleichung beider Elemente hinsichtlich ihrer Berechtigung und ihres
Einflusses innerhalb des Heeres zu sichren. Welche Tendenz vertreten nun
beide Elemente, das alte adliche und das neue bürgerliche im heutigen deutschen
Heere? Auf welcher Stufe befindet sich augenblicklich der Ansgleichungs-
Prozeß, und wird sein Ausgang die Verdrängung des einen Elements durch
das andre sein oder nicht?

Friedrich der Große war der Ansicht, daß mir adliche, sei es dein
hohen oder dem niedern, dem sogenannten Militär-Adel, also immerhin den
damaligen ersten Gesellschaftskreisen entnommene Offiziere diejenige Anschauungs-
nnd Empfindungsweise besäßen, die er von seinem Offizierkorps verlangte, um
wie Hilfe dieser Eigenschaften große militärische Erfolge und damit die Ziele
zu erreichen, die er sich gesteckt hatte. Er traute den Bürgerlichen nicht die
unbedingte, rückhaltlose, todesmutige Ergebung für die Person des obersten
Kriegsherrn zu, die er für die erste Voraussetzung großer Erfolge eines Heeres
hielt, und die sich als solche ja mich bei dem der Revolution entstammenden
^'sten Napoleon erwiesen hat. Freilich, Derfflinger war vorher da gewesen,


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Das adliche und das bürgerliche Element im deutschen
Heere
von einem süddeutschen (Offizier

cum man die Zusammensetzung des Offizierkorps im preußischen
Heere unter Friedrich dem Großen mit der im heutigen deutschen
Heere vergleicht, so ergiebt sich, während dort das adliche Ele¬
ment ausschließlich vertreten war, hier ein Überwigen der bürger¬
lichen Offiziere. Darin ist ein allmählich sich vollziehender Prozeß
wahrnehmbar, der innerhalb dieser Zeit begonnen hat und selbstverständlich
nun stetig fortschreitet, um im Laufe der Jahre, vielleicht in absehbarer Zeit,
zu einer Ausgleichung beider Elemente hinsichtlich ihrer Berechtigung und ihres
Einflusses innerhalb des Heeres zu sichren. Welche Tendenz vertreten nun
beide Elemente, das alte adliche und das neue bürgerliche im heutigen deutschen
Heere? Auf welcher Stufe befindet sich augenblicklich der Ansgleichungs-
Prozeß, und wird sein Ausgang die Verdrängung des einen Elements durch
das andre sein oder nicht?

Friedrich der Große war der Ansicht, daß mir adliche, sei es dein
hohen oder dem niedern, dem sogenannten Militär-Adel, also immerhin den
damaligen ersten Gesellschaftskreisen entnommene Offiziere diejenige Anschauungs-
nnd Empfindungsweise besäßen, die er von seinem Offizierkorps verlangte, um
wie Hilfe dieser Eigenschaften große militärische Erfolge und damit die Ziele
zu erreichen, die er sich gesteckt hatte. Er traute den Bürgerlichen nicht die
unbedingte, rückhaltlose, todesmutige Ergebung für die Person des obersten
Kriegsherrn zu, die er für die erste Voraussetzung großer Erfolge eines Heeres
hielt, und die sich als solche ja mich bei dem der Revolution entstammenden
^'sten Napoleon erwiesen hat. Freilich, Derfflinger war vorher da gewesen,


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[0009] [Abbildung] Das adliche und das bürgerliche Element im deutschen Heere von einem süddeutschen (Offizier cum man die Zusammensetzung des Offizierkorps im preußischen Heere unter Friedrich dem Großen mit der im heutigen deutschen Heere vergleicht, so ergiebt sich, während dort das adliche Ele¬ ment ausschließlich vertreten war, hier ein Überwigen der bürger¬ lichen Offiziere. Darin ist ein allmählich sich vollziehender Prozeß wahrnehmbar, der innerhalb dieser Zeit begonnen hat und selbstverständlich nun stetig fortschreitet, um im Laufe der Jahre, vielleicht in absehbarer Zeit, zu einer Ausgleichung beider Elemente hinsichtlich ihrer Berechtigung und ihres Einflusses innerhalb des Heeres zu sichren. Welche Tendenz vertreten nun beide Elemente, das alte adliche und das neue bürgerliche im heutigen deutschen Heere? Auf welcher Stufe befindet sich augenblicklich der Ansgleichungs- Prozeß, und wird sein Ausgang die Verdrängung des einen Elements durch das andre sein oder nicht? Friedrich der Große war der Ansicht, daß mir adliche, sei es dein hohen oder dem niedern, dem sogenannten Militär-Adel, also immerhin den damaligen ersten Gesellschaftskreisen entnommene Offiziere diejenige Anschauungs- nnd Empfindungsweise besäßen, die er von seinem Offizierkorps verlangte, um wie Hilfe dieser Eigenschaften große militärische Erfolge und damit die Ziele zu erreichen, die er sich gesteckt hatte. Er traute den Bürgerlichen nicht die unbedingte, rückhaltlose, todesmutige Ergebung für die Person des obersten Kriegsherrn zu, die er für die erste Voraussetzung großer Erfolge eines Heeres hielt, und die sich als solche ja mich bei dem der Revolution entstammenden ^'sten Napoleon erwiesen hat. Freilich, Derfflinger war vorher da gewesen, ^renzbvwi 1 188V 1

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204088/9>, abgerufen am 05.05.2024.