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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr.

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ur (Charakteristik der Deutschfreisinnigen

is am 21. Februar 1887 der Freisinn eine so grimmige Niederlage
erlitt, wie selten eine Partei erlitten hat, fand er seinen Trost
in der Hoffnung, daß die nächste Reichstagswahl ihn wieder
obenauf bringen würde. Der jetzige Reichstag, so fabelten die
Herren Richter und Kompagnie, sei ein Angstprodnkt, und wenn
die Angst vorüber wäre, so sei ihre Zeit wieder da. Wenn nnn von einer
^"gst bei dem deutschen Volke überhaupt hätte die Rede sein können, so Nüssen
^"r jetzt aus den besten Quelle", von den Franzosen selbst, daß der Krieg vor
deutscheu Wahlen von Frankreich in sichere Aussicht genommen war. Nur
die Einmütigkeit des deutschen Volkes, die sich in den Wahlen so gewaltig
kundgab, verscheuchte sofort das Kriegsgespenst. Wein aber diese Einmütigkeit
außer den Franzosen noch ein Dorn im Ange war, das war unser herrlicher
^eutschfreisuin. Darum kann man ebensogut sagen: Die Niederlage der Deutsch-
freisinnigen hat uns 1887 vor dem Kriege bewahrt.

Bald stehen nur wieder vor neuen Wahlen, vor den Wahlen, auf die die
""Patriotische Partei alle ihre Hoffnung gesetzt hat. Verdient sie es jetzt, daß
')re Hoffnungen sich auch nur um ein Geringes erfüllen? Wir wollen zur
^eantwvrtnng dieser Frage das Bild, das diese Partei in der Zeit der letzten
'^eichstngsperiode von sich geboten hat, wenigstens soweit zeichnen, daß einige
^harakterzüge deutlich darin hervortreten.

Der jammervollste Zug an dem Charakter der Dentschfreisiunigen ist die
Mittschi! Schadenfreude, die sie empfinden, wenn irgendwo auf der Erde etwas
>r Deutschland unangenehmes vor sich geht. Dieser Zug machte sich wieder
echt geltend bei den Vorgängen in Ostafrika. Keine traurige Nachricht, die,
venu sie Deutschland betraf, nicht mit hoher Freude und großer Eile in den
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^euzl'vie" I 1890 20


ur (Charakteristik der Deutschfreisinnigen

is am 21. Februar 1887 der Freisinn eine so grimmige Niederlage
erlitt, wie selten eine Partei erlitten hat, fand er seinen Trost
in der Hoffnung, daß die nächste Reichstagswahl ihn wieder
obenauf bringen würde. Der jetzige Reichstag, so fabelten die
Herren Richter und Kompagnie, sei ein Angstprodnkt, und wenn
die Angst vorüber wäre, so sei ihre Zeit wieder da. Wenn nnn von einer
^"gst bei dem deutschen Volke überhaupt hätte die Rede sein können, so Nüssen
^"r jetzt aus den besten Quelle», von den Franzosen selbst, daß der Krieg vor
deutscheu Wahlen von Frankreich in sichere Aussicht genommen war. Nur
die Einmütigkeit des deutschen Volkes, die sich in den Wahlen so gewaltig
kundgab, verscheuchte sofort das Kriegsgespenst. Wein aber diese Einmütigkeit
außer den Franzosen noch ein Dorn im Ange war, das war unser herrlicher
^eutschfreisuin. Darum kann man ebensogut sagen: Die Niederlage der Deutsch-
freisinnigen hat uns 1887 vor dem Kriege bewahrt.

Bald stehen nur wieder vor neuen Wahlen, vor den Wahlen, auf die die
"»Patriotische Partei alle ihre Hoffnung gesetzt hat. Verdient sie es jetzt, daß
')re Hoffnungen sich auch nur um ein Geringes erfüllen? Wir wollen zur
^eantwvrtnng dieser Frage das Bild, das diese Partei in der Zeit der letzten
'^eichstngsperiode von sich geboten hat, wenigstens soweit zeichnen, daß einige
^harakterzüge deutlich darin hervortreten.

Der jammervollste Zug an dem Charakter der Dentschfreisiunigen ist die
Mittschi! Schadenfreude, die sie empfinden, wenn irgendwo auf der Erde etwas
>r Deutschland unangenehmes vor sich geht. Dieser Zug machte sich wieder
echt geltend bei den Vorgängen in Ostafrika. Keine traurige Nachricht, die,
venu sie Deutschland betraf, nicht mit hoher Freude und großer Eile in den
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[0209] [Abbildung] ur (Charakteristik der Deutschfreisinnigen is am 21. Februar 1887 der Freisinn eine so grimmige Niederlage erlitt, wie selten eine Partei erlitten hat, fand er seinen Trost in der Hoffnung, daß die nächste Reichstagswahl ihn wieder obenauf bringen würde. Der jetzige Reichstag, so fabelten die Herren Richter und Kompagnie, sei ein Angstprodnkt, und wenn die Angst vorüber wäre, so sei ihre Zeit wieder da. Wenn nnn von einer ^"gst bei dem deutschen Volke überhaupt hätte die Rede sein können, so Nüssen ^"r jetzt aus den besten Quelle», von den Franzosen selbst, daß der Krieg vor deutscheu Wahlen von Frankreich in sichere Aussicht genommen war. Nur die Einmütigkeit des deutschen Volkes, die sich in den Wahlen so gewaltig kundgab, verscheuchte sofort das Kriegsgespenst. Wein aber diese Einmütigkeit außer den Franzosen noch ein Dorn im Ange war, das war unser herrlicher ^eutschfreisuin. Darum kann man ebensogut sagen: Die Niederlage der Deutsch- freisinnigen hat uns 1887 vor dem Kriege bewahrt. Bald stehen nur wieder vor neuen Wahlen, vor den Wahlen, auf die die "»Patriotische Partei alle ihre Hoffnung gesetzt hat. Verdient sie es jetzt, daß ')re Hoffnungen sich auch nur um ein Geringes erfüllen? Wir wollen zur ^eantwvrtnng dieser Frage das Bild, das diese Partei in der Zeit der letzten '^eichstngsperiode von sich geboten hat, wenigstens soweit zeichnen, daß einige ^harakterzüge deutlich darin hervortreten. Der jammervollste Zug an dem Charakter der Dentschfreisiunigen ist die Mittschi! Schadenfreude, die sie empfinden, wenn irgendwo auf der Erde etwas >r Deutschland unangenehmes vor sich geht. Dieser Zug machte sich wieder echt geltend bei den Vorgängen in Ostafrika. Keine traurige Nachricht, die, venu sie Deutschland betraf, nicht mit hoher Freude und großer Eile in den ' ^euzl'vie» I 1890 20

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_206644/209>, abgerufen am 06.05.2024.