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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr.

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deutschfreisinnigen Blättern veröffentlicht U'orden wäre. Je gehässiger irgend
ein Angriff gegen Deutschland von der 'limos gebracht wurde, desto lieber
wurde er unbesehen von ihnen aufgenommen. Freisinnige, Vossische und Volks-
zeitung konnten gar nicht schnell genug etwaiges Mißgeschick, das unsre Lands-
leute in Sansibar und an der Küste oder im Binnenlande nach den lügenhaften
Berichten der mißgünstigen englischen Presse erlitten haben sollten, weiter
verbreiten. Dagegen hielten diese patriotischen Blätter jedes Mißgeschick der
Engländer zurück, so lange es ging, und beschönigten deren Fehler auf alle
Art. Es kamen da unsagbare Dinge zum Vorschein. Die Frende dieser Partei
bei Mißgeschicken unserseits war so groß, daß uur das eine fehlte, dnß diese
deutschen Patrioten mit dem Sklnvenjäger Buschiri sympathisirt hätten. Das;
wir so schnell als möglich nun aus Afrika fortgingen, nachdem wir so viel
Unglück mit unsern Kvloniebestrebuugeu erfahren hätten, war das Wenigste,
was dieser hochgesinnte Freisinn verlangte. Daß dagegen die Engländer blieben
und sich zu Herren von Afrika machten, das verstand sich und versteht sich
bei diesen deutschen Patrioten von selbst. Hat doch noch jüngst, als bei der
Beratung der ostafrikanischen Dampfervvrlage die ganze Kvlonialdebatte wieder
auflebte, Dr. Barth ausgerufen: Alle Nationen würden uns dankbar sein, wenn
wir alle unsre Kolonien verkauften. Das ist den Herren, die mit so heißer
Inbrunst für Englands Interesse besorgt sind, allerdings aufs Wort zu glauben.
Für den tapfern Bamberger sind die Erfolge des Reichskomnüssars Wißmauu
so gering, daß er noch gar nichts von ihnen sieht. Daß die Verträge erneuert
sind und die Karawanenstraßen gesichert, daß wir nur für die Engländer ge¬
arbeitet hätten, wenn wir gegenwärtig unsre afrikanischen Interessen nicht weiter
förderten, das alles ist für Herrn Bamberger nicht der Erwägung wert. Er
möchte es gern so darstellen, als ob, wie Hobrecht ganz richtig bemerkte, die
Zustimmung unsers Volkes zur Kolonialpolitik unsrer Regierung nur "Schützen¬
feststimmung" sei. Er rief pathetisch aus: "Ist denn das Land in Ostafrika
pazifizirt, daß man von jetzt an eine ganz neue Ära rechnen kann? . . . Und dus
soll ein Hinterland sein, auf welches man große Pläne baut!" Daß England
gerade wegen der Bedeutung, die es seinen neuen Koloniebesitzungen und be¬
sonders deren Hinterkante beilegt, an Stelle seiner bisherigen Dampferlinie
Bombay-Aden-Sansibar-Mozambique neuerdings^ eine direkte zwischen London
und Sansibar eingerichtet hat, und daß wir auch weiter gar nichts wollen, als
eine solche direkte Verbindung zwischen unsern? Haupthandelsplatz Hamburg und
Sansibar Herstellen; dnß unsre bisherigen ostafrikanischen und australischen
Linien sich so bewährt haben, daß Unterhandlungen wegen einer Verdoppelung
der Fahrten schweben; dnß wir mit den 900 000 Mark Unterstützung unsre
Kolonien so sehr ertragsfähig macheu werden, daß man, wie der Staatssekretär
Stephan sagt, in England mit Furcht ans das Vordringen der deutschen Jn-
dnsirieprodnkte sieht, das ist alles für die Herren vom Fortschritt ein Grund


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ein Angriff gegen Deutschland von der 'limos gebracht wurde, desto lieber
wurde er unbesehen von ihnen aufgenommen. Freisinnige, Vossische und Volks-
zeitung konnten gar nicht schnell genug etwaiges Mißgeschick, das unsre Lands-
leute in Sansibar und an der Küste oder im Binnenlande nach den lügenhaften
Berichten der mißgünstigen englischen Presse erlitten haben sollten, weiter
verbreiten. Dagegen hielten diese patriotischen Blätter jedes Mißgeschick der
Engländer zurück, so lange es ging, und beschönigten deren Fehler auf alle
Art. Es kamen da unsagbare Dinge zum Vorschein. Die Frende dieser Partei
bei Mißgeschicken unserseits war so groß, daß uur das eine fehlte, dnß diese
deutschen Patrioten mit dem Sklnvenjäger Buschiri sympathisirt hätten. Das;
wir so schnell als möglich nun aus Afrika fortgingen, nachdem wir so viel
Unglück mit unsern Kvloniebestrebuugeu erfahren hätten, war das Wenigste,
was dieser hochgesinnte Freisinn verlangte. Daß dagegen die Engländer blieben
und sich zu Herren von Afrika machten, das verstand sich und versteht sich
bei diesen deutschen Patrioten von selbst. Hat doch noch jüngst, als bei der
Beratung der ostafrikanischen Dampfervvrlage die ganze Kvlonialdebatte wieder
auflebte, Dr. Barth ausgerufen: Alle Nationen würden uns dankbar sein, wenn
wir alle unsre Kolonien verkauften. Das ist den Herren, die mit so heißer
Inbrunst für Englands Interesse besorgt sind, allerdings aufs Wort zu glauben.
Für den tapfern Bamberger sind die Erfolge des Reichskomnüssars Wißmauu
so gering, daß er noch gar nichts von ihnen sieht. Daß die Verträge erneuert
sind und die Karawanenstraßen gesichert, daß wir nur für die Engländer ge¬
arbeitet hätten, wenn wir gegenwärtig unsre afrikanischen Interessen nicht weiter
förderten, das alles ist für Herrn Bamberger nicht der Erwägung wert. Er
möchte es gern so darstellen, als ob, wie Hobrecht ganz richtig bemerkte, die
Zustimmung unsers Volkes zur Kolonialpolitik unsrer Regierung nur „Schützen¬
feststimmung" sei. Er rief pathetisch aus: „Ist denn das Land in Ostafrika
pazifizirt, daß man von jetzt an eine ganz neue Ära rechnen kann? . . . Und dus
soll ein Hinterland sein, auf welches man große Pläne baut!" Daß England
gerade wegen der Bedeutung, die es seinen neuen Koloniebesitzungen und be¬
sonders deren Hinterkante beilegt, an Stelle seiner bisherigen Dampferlinie
Bombay-Aden-Sansibar-Mozambique neuerdings^ eine direkte zwischen London
und Sansibar eingerichtet hat, und daß wir auch weiter gar nichts wollen, als
eine solche direkte Verbindung zwischen unsern? Haupthandelsplatz Hamburg und
Sansibar Herstellen; dnß unsre bisherigen ostafrikanischen und australischen
Linien sich so bewährt haben, daß Unterhandlungen wegen einer Verdoppelung
der Fahrten schweben; dnß wir mit den 900 000 Mark Unterstützung unsre
Kolonien so sehr ertragsfähig macheu werden, daß man, wie der Staatssekretär
Stephan sagt, in England mit Furcht ans das Vordringen der deutschen Jn-
dnsirieprodnkte sieht, das ist alles für die Herren vom Fortschritt ein Grund


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_206644/210>, abgerufen am 19.05.2024.