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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr.

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Zur Reform der Militärstrafprozeßordnung

Fast immer giebt es dann Tadel, Verdachtsgründe, die oft bei den Haaren
herangezogen werden, und hochfahrende, herausfordernde Redensarten. Ein
in England mit besonderen Verdruß aufgenommenes Beispiel dieser National¬
gewohnheit der heutigen Franzmnuner gab erst vor kurzem die Debatte über
die Fischerei in den Gewässern an der Küste von Neufundland und namentlich das
Austreten des ehemaligen Ministers der auswärtigen Angelegenheiten Floureus,
der sich mit einer durch nichts gerechtfertigten Heftigkeit und Bitterkeit über
die angebliche "Nichtachtung und Verletzung der Rechte Frankreichs" verbreitete,
ein "entschiednes Souveränitätsrecht über das französische Ufer" einer britischen
Besitzung beanspruchte und seiner Regierung empfahl, nicht etwa sich an die
englische zu wenden und Berücksichtigung ihres Anspruches zu verlangen,
sondern "Achtung davor zu erzwingen." Das letztere wurde uicht uur an¬
gedeutet, sondern mit deutlichen Worten gesagt, indem der Redner ausrief:
"Wir können eine Abteilung unsrer Kriegsflotte nach Neufundland senden,
können dort Mannschaften und Waffen landen, können dort das Recht der Juris¬
diktion ausüben." Das sind die Äußerungen eines angesehenen und beliebten
französischen Staatsmannes, gerichtet an eine Regierung, die mit der englischen,
amtlich zu reden, herzliche Beziehungen nnterhnlt, und sie werden von keinen:
Mitgliede derselben auch nur mit einem Worte zurückgewiesen. Wie laut doch
zuweilen der gallische Hahn auch jetzt noch kräht, und wie streitlustig er mit
den Flügeln schlägt! Da müssen doch die Freunde jenseits des Kanals irre
werden und an Vorsichtsmaßregeln denken. Und wir? Nun, cluobuZ Iitig!intibu8
törtius xz'^uÄst.




Zur Reform der Militärstrafprozeßordnung

in 11. November vorigen Jahres hat der deutsche Reichstag auf
Anregung des Abgeordneten Nickert unter Ablehnung eines weiter¬
gehenden Antrages desselben Abgeordneten mit großer Mehrheit
den Beschluß gefaßt, die verbündeten Regierungen zu ersuchen,
mit möglichster Beschleunigung dein Reichstage den Entwurf
einer Militärstrafprvzeßordnung vorzulegen, worin das Militärstrafverfahren
mit den wesentlichen Formen des ordentlichen Strafprozesses umgeben wird.

Wir verkennen durchaus uicht die Schwierigkeiten, die daraus ent¬
stehen, daß das deutsche Heer noch kein einheitliches Strafverfahren hat, ebenso-


Zur Reform der Militärstrafprozeßordnung

Fast immer giebt es dann Tadel, Verdachtsgründe, die oft bei den Haaren
herangezogen werden, und hochfahrende, herausfordernde Redensarten. Ein
in England mit besonderen Verdruß aufgenommenes Beispiel dieser National¬
gewohnheit der heutigen Franzmnuner gab erst vor kurzem die Debatte über
die Fischerei in den Gewässern an der Küste von Neufundland und namentlich das
Austreten des ehemaligen Ministers der auswärtigen Angelegenheiten Floureus,
der sich mit einer durch nichts gerechtfertigten Heftigkeit und Bitterkeit über
die angebliche „Nichtachtung und Verletzung der Rechte Frankreichs" verbreitete,
ein „entschiednes Souveränitätsrecht über das französische Ufer" einer britischen
Besitzung beanspruchte und seiner Regierung empfahl, nicht etwa sich an die
englische zu wenden und Berücksichtigung ihres Anspruches zu verlangen,
sondern „Achtung davor zu erzwingen." Das letztere wurde uicht uur an¬
gedeutet, sondern mit deutlichen Worten gesagt, indem der Redner ausrief:
„Wir können eine Abteilung unsrer Kriegsflotte nach Neufundland senden,
können dort Mannschaften und Waffen landen, können dort das Recht der Juris¬
diktion ausüben." Das sind die Äußerungen eines angesehenen und beliebten
französischen Staatsmannes, gerichtet an eine Regierung, die mit der englischen,
amtlich zu reden, herzliche Beziehungen nnterhnlt, und sie werden von keinen:
Mitgliede derselben auch nur mit einem Worte zurückgewiesen. Wie laut doch
zuweilen der gallische Hahn auch jetzt noch kräht, und wie streitlustig er mit
den Flügeln schlägt! Da müssen doch die Freunde jenseits des Kanals irre
werden und an Vorsichtsmaßregeln denken. Und wir? Nun, cluobuZ Iitig!intibu8
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Zur Reform der Militärstrafprozeßordnung

in 11. November vorigen Jahres hat der deutsche Reichstag auf
Anregung des Abgeordneten Nickert unter Ablehnung eines weiter¬
gehenden Antrages desselben Abgeordneten mit großer Mehrheit
den Beschluß gefaßt, die verbündeten Regierungen zu ersuchen,
mit möglichster Beschleunigung dein Reichstage den Entwurf
einer Militärstrafprvzeßordnung vorzulegen, worin das Militärstrafverfahren
mit den wesentlichen Formen des ordentlichen Strafprozesses umgeben wird.

Wir verkennen durchaus uicht die Schwierigkeiten, die daraus ent¬
stehen, daß das deutsche Heer noch kein einheitliches Strafverfahren hat, ebenso-


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[0315] Zur Reform der Militärstrafprozeßordnung Fast immer giebt es dann Tadel, Verdachtsgründe, die oft bei den Haaren herangezogen werden, und hochfahrende, herausfordernde Redensarten. Ein in England mit besonderen Verdruß aufgenommenes Beispiel dieser National¬ gewohnheit der heutigen Franzmnuner gab erst vor kurzem die Debatte über die Fischerei in den Gewässern an der Küste von Neufundland und namentlich das Austreten des ehemaligen Ministers der auswärtigen Angelegenheiten Floureus, der sich mit einer durch nichts gerechtfertigten Heftigkeit und Bitterkeit über die angebliche „Nichtachtung und Verletzung der Rechte Frankreichs" verbreitete, ein „entschiednes Souveränitätsrecht über das französische Ufer" einer britischen Besitzung beanspruchte und seiner Regierung empfahl, nicht etwa sich an die englische zu wenden und Berücksichtigung ihres Anspruches zu verlangen, sondern „Achtung davor zu erzwingen." Das letztere wurde uicht uur an¬ gedeutet, sondern mit deutlichen Worten gesagt, indem der Redner ausrief: „Wir können eine Abteilung unsrer Kriegsflotte nach Neufundland senden, können dort Mannschaften und Waffen landen, können dort das Recht der Juris¬ diktion ausüben." Das sind die Äußerungen eines angesehenen und beliebten französischen Staatsmannes, gerichtet an eine Regierung, die mit der englischen, amtlich zu reden, herzliche Beziehungen nnterhnlt, und sie werden von keinen: Mitgliede derselben auch nur mit einem Worte zurückgewiesen. Wie laut doch zuweilen der gallische Hahn auch jetzt noch kräht, und wie streitlustig er mit den Flügeln schlägt! Da müssen doch die Freunde jenseits des Kanals irre werden und an Vorsichtsmaßregeln denken. Und wir? Nun, cluobuZ Iitig!intibu8 törtius xz'^uÄst. Zur Reform der Militärstrafprozeßordnung in 11. November vorigen Jahres hat der deutsche Reichstag auf Anregung des Abgeordneten Nickert unter Ablehnung eines weiter¬ gehenden Antrages desselben Abgeordneten mit großer Mehrheit den Beschluß gefaßt, die verbündeten Regierungen zu ersuchen, mit möglichster Beschleunigung dein Reichstage den Entwurf einer Militärstrafprvzeßordnung vorzulegen, worin das Militärstrafverfahren mit den wesentlichen Formen des ordentlichen Strafprozesses umgeben wird. Wir verkennen durchaus uicht die Schwierigkeiten, die daraus ent¬ stehen, daß das deutsche Heer noch kein einheitliches Strafverfahren hat, ebenso-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_206644/315>, abgerufen am 06.05.2024.