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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr.

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Hundert Jahre Zeitgeist in Deutschland

Von meinem Herrn erhielt ich hierauf eine Gehaltszulage von 200 Gulden,
und der Graf von Wartenberg, nachdem er Roth in Besitz genommen hatte, machte
mir ein Geschenk von 4000 Gulden. Meine Diäten und Reiserechnungen, während
ich als sein Bevollmächtigter ogirte, beliefen sich auf 800 Gulden.

Die Bemühungen Kuapps für seine beiden Auftraggeber waren nicht von
dauerndem Erfolge gekrönt, denn schon im Jahre 1806 wurden mit der Grün¬
dung des Rheinbundes mich die Grafen von Erbnch und Wartenberg mediatisirt.




Hundert I^ahre Zeitgeist in Deutschland

" cum das Jahr 178L) als Ausgangspunkt, das Jahr 1"";" als
Zielpunkt einer geschichtsphilosophischen Darstellung gewählt
würde, so müßte es sich darin hauptsächlich um die Wirkungen
der französischen Revolution auf die Welt und mit die wirklichen
oder vermeinten Ergebnisse des Jahrhunderts handeln, das seit
der Eröffnung der französischen Nativnalversmumlnng und dem Bastillensturm
verflossen ist. Es darf als ein großer und nicht hoch genng zu schätzender
Porzug anerkannt werden, daß ein deutscher Denker im Jahre 188!) Studien
und Betrachtungen über deu Zeitgeist veröffentlicht hat, die nicht an den
5". Mai, den 14. Juli oder den 4. Nngust des Jahres 178!" anknüpfen, sondern
den Begriff des Jahrhunderts freier und tiefer auffassend, das Erscheinen von
Kants "Kritik der reinen Vernunft" als den geistigen Beginn großer Wand¬
lungen und Umbildungen auf deutschem Boden und im deutschen Leben an¬
sehen. In dem Buche: Hundert Jahre Zeitgeist in Deutschland,
Geschichte und Kritik, von Julius Duboc (Leipzig, Otto Wigand) haben
wir jedenfalls einen ernsten Versuch vor uns, "den Zeitgeist über eine größere
Strecke Weges zu begleiten, seine Wandlungen zu beobachten und über die Ur¬
sachen und Bedingungen derselben Rechenschaft zu geben." Unter Zeitgeist
will Dr. Duboc "in Übereinstimmung mit dem Sprachgebrauch die in einem
bestimmten Zeitabschnitt herrschend gewordene tonangebende Gesamtrichtnng des
Meinens, Urteilens, Empfindens, des Geschmacks und von ihnen beeinflußt
des Strebens und Wollens" verstanden haben. Natürlich konnte er sich nicht
darüber täuschen, daß die Begrenzung seiner Darstellung ans das heimatliche
Gebiet manchen Bedenken begegnen muß, aber er macht geltend, daß die
nationale Begrenzung durchzuführen sei, "weil trotz des internationalen Cha¬
rakters der nnter einander verschlungenen Knltnrmomente jedes groß be-
anlagte und wirkende Pott schließlich sein eignem ^eben lebt und seine eigne
'


Äreuzlwten IN ltMt 1,
Hundert Jahre Zeitgeist in Deutschland

Von meinem Herrn erhielt ich hierauf eine Gehaltszulage von 200 Gulden,
und der Graf von Wartenberg, nachdem er Roth in Besitz genommen hatte, machte
mir ein Geschenk von 4000 Gulden. Meine Diäten und Reiserechnungen, während
ich als sein Bevollmächtigter ogirte, beliefen sich auf 800 Gulden.

Die Bemühungen Kuapps für seine beiden Auftraggeber waren nicht von
dauerndem Erfolge gekrönt, denn schon im Jahre 1806 wurden mit der Grün¬
dung des Rheinbundes mich die Grafen von Erbnch und Wartenberg mediatisirt.




Hundert I^ahre Zeitgeist in Deutschland

" cum das Jahr 178L) als Ausgangspunkt, das Jahr 1««;» als
Zielpunkt einer geschichtsphilosophischen Darstellung gewählt
würde, so müßte es sich darin hauptsächlich um die Wirkungen
der französischen Revolution auf die Welt und mit die wirklichen
oder vermeinten Ergebnisse des Jahrhunderts handeln, das seit
der Eröffnung der französischen Nativnalversmumlnng und dem Bastillensturm
verflossen ist. Es darf als ein großer und nicht hoch genng zu schätzender
Porzug anerkannt werden, daß ein deutscher Denker im Jahre 188!) Studien
und Betrachtungen über deu Zeitgeist veröffentlicht hat, die nicht an den
5». Mai, den 14. Juli oder den 4. Nngust des Jahres 178!» anknüpfen, sondern
den Begriff des Jahrhunderts freier und tiefer auffassend, das Erscheinen von
Kants „Kritik der reinen Vernunft" als den geistigen Beginn großer Wand¬
lungen und Umbildungen auf deutschem Boden und im deutschen Leben an¬
sehen. In dem Buche: Hundert Jahre Zeitgeist in Deutschland,
Geschichte und Kritik, von Julius Duboc (Leipzig, Otto Wigand) haben
wir jedenfalls einen ernsten Versuch vor uns, „den Zeitgeist über eine größere
Strecke Weges zu begleiten, seine Wandlungen zu beobachten und über die Ur¬
sachen und Bedingungen derselben Rechenschaft zu geben." Unter Zeitgeist
will Dr. Duboc „in Übereinstimmung mit dem Sprachgebrauch die in einem
bestimmten Zeitabschnitt herrschend gewordene tonangebende Gesamtrichtnng des
Meinens, Urteilens, Empfindens, des Geschmacks und von ihnen beeinflußt
des Strebens und Wollens" verstanden haben. Natürlich konnte er sich nicht
darüber täuschen, daß die Begrenzung seiner Darstellung ans das heimatliche
Gebiet manchen Bedenken begegnen muß, aber er macht geltend, daß die
nationale Begrenzung durchzuführen sei, „weil trotz des internationalen Cha¬
rakters der nnter einander verschlungenen Knltnrmomente jedes groß be-
anlagte und wirkende Pott schließlich sein eignem ^eben lebt und seine eigne
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Äreuzlwten IN ltMt 1,
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207936/121>, abgerufen am 28.04.2024.