Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Leldbibliothek des Fürsten von Soubise

kröne zu demütigen gewußt. Die katholische Kirche fühlt sich noch heute um
keine bestimmte Verfassung, auch nicht die monarchische, innerlich gebunden.
Der Papst trägt kein Bedenken, wie dereinst dem allerchristlichsteu König,
so später dem Sohne der französischen Revolution, dem großen Korsen, und
heute dem jeweiligen Präsidenten der französischen Republik seinen Segen zu
erteilen.

Und hierin finden wir zum Schluß eine überraschende Bestätigung des
im Altertum nachgewiesenen Entwicklungsganges der Verfassungsänderuugeu:
wie dereinst, als die Tyrannis der Pisistmtiden mit Hilfe Spartas gestürzt
war, die Demokratie durchgeführt wurde, so ist auch in unseru Tngeu die
Tyrannis der napoleoniden durch die Siege einer auswärtigen monarchischen
Macht zu Falle gekommen und hat um eiuer vorläufig uoch immer recht
unklaren und unsichern Republik Platz gemacht.




Die Feldbibliothek des Fürsten von Soubise

u der wertvollen Flugschriftensammlung der Leipziger Stadt-
bibliothek findet sich neben zahlreichen andern Seltenheiten auch
ein dünnes Heft in Quart mit der Aufschrift: "Verzeichniß des
Büchervorrathes, den der Prinz von Soubise im Feldlager mit
sich herumgeführet, und welcher durch das Königlich-Preußische
Malerische Corps den 3. Nov. 1757 in Weisenfels ist erbeutet worden." Das
Heft hat einen Umfang von 2" Seiten; das Druckjahr ist 1753, die Angabe
des Druckortes fehlt.

In der Stadt Weißenfels, deren die Flugschrift gedenkt, hatte der Fürst
von Soubise in den letzten Oktobertagen des verhängnisvollen Jahres sein
Standlager genommen. Er blieb dort auch unbeweglich stehen, als die zer¬
lumpten Scharen der Reichsarmee einen Vorstoß bis nach Leipzig hin wagten.
Und als seine Verbündeten vor dem anrückenden Heere Friedrichs des Großen
rasch wieder zurückfluteten, kam es längs der Saale zu mehreren Gefechten,
wobei auch der Übergang bei Weißenfels von den Preußen besetzt und das
französische Heer aus der Stadt vertrieben wurde. Dies geschah am Refor¬
mationstage, am 31. Oktober. Unsre Flugschrift nennt erst den 3. November.
Wir müssen also wohl annehmen, daß die Büchersammlung erst auf dem weitern
Vormarsch von den Preußen erbeutet wurde, oder -- was bei dem mehrtägigen
Aufenthalte des Fürsten von Soubise in Weißenfels vielleicht wahrscheinlicher


Die Leldbibliothek des Fürsten von Soubise

kröne zu demütigen gewußt. Die katholische Kirche fühlt sich noch heute um
keine bestimmte Verfassung, auch nicht die monarchische, innerlich gebunden.
Der Papst trägt kein Bedenken, wie dereinst dem allerchristlichsteu König,
so später dem Sohne der französischen Revolution, dem großen Korsen, und
heute dem jeweiligen Präsidenten der französischen Republik seinen Segen zu
erteilen.

Und hierin finden wir zum Schluß eine überraschende Bestätigung des
im Altertum nachgewiesenen Entwicklungsganges der Verfassungsänderuugeu:
wie dereinst, als die Tyrannis der Pisistmtiden mit Hilfe Spartas gestürzt
war, die Demokratie durchgeführt wurde, so ist auch in unseru Tngeu die
Tyrannis der napoleoniden durch die Siege einer auswärtigen monarchischen
Macht zu Falle gekommen und hat um eiuer vorläufig uoch immer recht
unklaren und unsichern Republik Platz gemacht.




Die Feldbibliothek des Fürsten von Soubise

u der wertvollen Flugschriftensammlung der Leipziger Stadt-
bibliothek findet sich neben zahlreichen andern Seltenheiten auch
ein dünnes Heft in Quart mit der Aufschrift: „Verzeichniß des
Büchervorrathes, den der Prinz von Soubise im Feldlager mit
sich herumgeführet, und welcher durch das Königlich-Preußische
Malerische Corps den 3. Nov. 1757 in Weisenfels ist erbeutet worden." Das
Heft hat einen Umfang von 2« Seiten; das Druckjahr ist 1753, die Angabe
des Druckortes fehlt.

In der Stadt Weißenfels, deren die Flugschrift gedenkt, hatte der Fürst
von Soubise in den letzten Oktobertagen des verhängnisvollen Jahres sein
Standlager genommen. Er blieb dort auch unbeweglich stehen, als die zer¬
lumpten Scharen der Reichsarmee einen Vorstoß bis nach Leipzig hin wagten.
Und als seine Verbündeten vor dem anrückenden Heere Friedrichs des Großen
rasch wieder zurückfluteten, kam es längs der Saale zu mehreren Gefechten,
wobei auch der Übergang bei Weißenfels von den Preußen besetzt und das
französische Heer aus der Stadt vertrieben wurde. Dies geschah am Refor¬
mationstage, am 31. Oktober. Unsre Flugschrift nennt erst den 3. November.
Wir müssen also wohl annehmen, daß die Büchersammlung erst auf dem weitern
Vormarsch von den Preußen erbeutet wurde, oder — was bei dem mehrtägigen
Aufenthalte des Fürsten von Soubise in Weißenfels vielleicht wahrscheinlicher


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0168" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/208105"/>
          <fw type="header" place="top"> Die Leldbibliothek des Fürsten von Soubise</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_453" prev="#ID_452"> kröne zu demütigen gewußt. Die katholische Kirche fühlt sich noch heute um<lb/>
keine bestimmte Verfassung, auch nicht die monarchische, innerlich gebunden.<lb/>
Der Papst trägt kein Bedenken, wie dereinst dem allerchristlichsteu König,<lb/>
so später dem Sohne der französischen Revolution, dem großen Korsen, und<lb/>
heute dem jeweiligen Präsidenten der französischen Republik seinen Segen zu<lb/>
erteilen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_454"> Und hierin finden wir zum Schluß eine überraschende Bestätigung des<lb/>
im Altertum nachgewiesenen Entwicklungsganges der Verfassungsänderuugeu:<lb/>
wie dereinst, als die Tyrannis der Pisistmtiden mit Hilfe Spartas gestürzt<lb/>
war, die Demokratie durchgeführt wurde, so ist auch in unseru Tngeu die<lb/>
Tyrannis der napoleoniden durch die Siege einer auswärtigen monarchischen<lb/>
Macht zu Falle gekommen und hat um eiuer vorläufig uoch immer recht<lb/>
unklaren und unsichern Republik Platz gemacht.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Die Feldbibliothek des Fürsten von Soubise</head><lb/>
          <p xml:id="ID_455"> u der wertvollen Flugschriftensammlung der Leipziger Stadt-<lb/>
bibliothek findet sich neben zahlreichen andern Seltenheiten auch<lb/>
ein dünnes Heft in Quart mit der Aufschrift: &#x201E;Verzeichniß des<lb/>
Büchervorrathes, den der Prinz von Soubise im Feldlager mit<lb/>
sich herumgeführet, und welcher durch das Königlich-Preußische<lb/>
Malerische Corps den 3. Nov. 1757 in Weisenfels ist erbeutet worden." Das<lb/>
Heft hat einen Umfang von 2« Seiten; das Druckjahr ist 1753, die Angabe<lb/>
des Druckortes fehlt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_456" next="#ID_457"> In der Stadt Weißenfels, deren die Flugschrift gedenkt, hatte der Fürst<lb/>
von Soubise in den letzten Oktobertagen des verhängnisvollen Jahres sein<lb/>
Standlager genommen. Er blieb dort auch unbeweglich stehen, als die zer¬<lb/>
lumpten Scharen der Reichsarmee einen Vorstoß bis nach Leipzig hin wagten.<lb/>
Und als seine Verbündeten vor dem anrückenden Heere Friedrichs des Großen<lb/>
rasch wieder zurückfluteten, kam es längs der Saale zu mehreren Gefechten,<lb/>
wobei auch der Übergang bei Weißenfels von den Preußen besetzt und das<lb/>
französische Heer aus der Stadt vertrieben wurde. Dies geschah am Refor¬<lb/>
mationstage, am 31. Oktober. Unsre Flugschrift nennt erst den 3. November.<lb/>
Wir müssen also wohl annehmen, daß die Büchersammlung erst auf dem weitern<lb/>
Vormarsch von den Preußen erbeutet wurde, oder &#x2014; was bei dem mehrtägigen<lb/>
Aufenthalte des Fürsten von Soubise in Weißenfels vielleicht wahrscheinlicher</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0168] Die Leldbibliothek des Fürsten von Soubise kröne zu demütigen gewußt. Die katholische Kirche fühlt sich noch heute um keine bestimmte Verfassung, auch nicht die monarchische, innerlich gebunden. Der Papst trägt kein Bedenken, wie dereinst dem allerchristlichsteu König, so später dem Sohne der französischen Revolution, dem großen Korsen, und heute dem jeweiligen Präsidenten der französischen Republik seinen Segen zu erteilen. Und hierin finden wir zum Schluß eine überraschende Bestätigung des im Altertum nachgewiesenen Entwicklungsganges der Verfassungsänderuugeu: wie dereinst, als die Tyrannis der Pisistmtiden mit Hilfe Spartas gestürzt war, die Demokratie durchgeführt wurde, so ist auch in unseru Tngeu die Tyrannis der napoleoniden durch die Siege einer auswärtigen monarchischen Macht zu Falle gekommen und hat um eiuer vorläufig uoch immer recht unklaren und unsichern Republik Platz gemacht. Die Feldbibliothek des Fürsten von Soubise u der wertvollen Flugschriftensammlung der Leipziger Stadt- bibliothek findet sich neben zahlreichen andern Seltenheiten auch ein dünnes Heft in Quart mit der Aufschrift: „Verzeichniß des Büchervorrathes, den der Prinz von Soubise im Feldlager mit sich herumgeführet, und welcher durch das Königlich-Preußische Malerische Corps den 3. Nov. 1757 in Weisenfels ist erbeutet worden." Das Heft hat einen Umfang von 2« Seiten; das Druckjahr ist 1753, die Angabe des Druckortes fehlt. In der Stadt Weißenfels, deren die Flugschrift gedenkt, hatte der Fürst von Soubise in den letzten Oktobertagen des verhängnisvollen Jahres sein Standlager genommen. Er blieb dort auch unbeweglich stehen, als die zer¬ lumpten Scharen der Reichsarmee einen Vorstoß bis nach Leipzig hin wagten. Und als seine Verbündeten vor dem anrückenden Heere Friedrichs des Großen rasch wieder zurückfluteten, kam es längs der Saale zu mehreren Gefechten, wobei auch der Übergang bei Weißenfels von den Preußen besetzt und das französische Heer aus der Stadt vertrieben wurde. Dies geschah am Refor¬ mationstage, am 31. Oktober. Unsre Flugschrift nennt erst den 3. November. Wir müssen also wohl annehmen, daß die Büchersammlung erst auf dem weitern Vormarsch von den Preußen erbeutet wurde, oder — was bei dem mehrtägigen Aufenthalte des Fürsten von Soubise in Weißenfels vielleicht wahrscheinlicher

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207936
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207936/168
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207936/168>, abgerufen am 28.04.2024.