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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr.

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Römische Friihlingsbilder

Daß die Erklärung der Menschenrechte mich bei dem deutschen Volke
Anklang fand, läßt Goethe in Hermann und Dorothea erkennen, wenn er sagt:


Denn wer leugnet es Wohl, daß hoch sich das Herz ihm erhoben,
Ihm die freiere Brust mit reineren Pulsen geschlagen,
Als sich der erste Glanz der neuen Sonne heranhob,
Als man hörte vom Rechte der Menschen, das allen gemein sei,
Bon der begeisternden Freiheit und von der löblichen Gleichheit!

Römische Frühlingsbilder
Adolf Stern von
2. Line Messe im Vatikan und ein Hochamt in Se. Peter

DA^Zäst in allen Erinnerungen und Aufzeichnungen aus Rom,
gleichviel ob sie frühern Jahrhunderten oder frühern Jahrzehnten
angehören, spielen die Schilderungen der Pracht und Macht
großer Kirchenfeste eine große Rolle. Es ist, als ob jeder,
der hohe kirchliche Feiertage und namentlich die Osterwoche in
Rom verlebt hat, von der Stimmung ergriffen worden wäre, in der Mortimer
mit glühendem Erguß an Maria Stuart die Wunder römischen Kirchenpomps
und seiner Bekehrung preist. Und bis heute fahren die Reisehandbücher und
gedruckten Führer fort, getreulich alle Herrlichkeiten zu verzeichnen, mit denen
ehedem Ohr und Auge berauscht wurden, erzählen ans Tag und Stunde, was
geschah, als noch der Papst das Hochamt hielt und die Völker segnete, und
bemerken höchstens in einer Randnote, daß Würde und Prunk der Kirchenfeste
seit 1870 bedeutend gemindert sind, daß vor allen Dingen kein Neugieriger
ans die persönliche Erscheinung des höchsten Kirchenhauptes zu rechnen hat.
Wenn trotzdem um die Osterzeit Rom von Fremden aller Völker überflutet ist,
so tragen dazu die alte Überlieferung, die einfache Thatsache, daß März und
April überhaupt günstige Monate für die ewige Stadt sind, und eine leise vo"
Jahr zu Jahr genährte Hoffnung, daß der heilige Vater einmal wieder ans
der Verborgenheit des ungeheuern Vatikanpalastes hervortreten werde, gleich¬
mäßig bei. In langen Zwischeuräumen, bei außerordentlichen Veranlassungen
erfüllt sich diese Hoffnung einmal; wer jedoch nicht so glücklich ist, einen dieser
seltenen Augenblicke zu treffen, der muß eben ans Rom Weggehen, ohne den


Römische Friihlingsbilder

Daß die Erklärung der Menschenrechte mich bei dem deutschen Volke
Anklang fand, läßt Goethe in Hermann und Dorothea erkennen, wenn er sagt:


Denn wer leugnet es Wohl, daß hoch sich das Herz ihm erhoben,
Ihm die freiere Brust mit reineren Pulsen geschlagen,
Als sich der erste Glanz der neuen Sonne heranhob,
Als man hörte vom Rechte der Menschen, das allen gemein sei,
Bon der begeisternden Freiheit und von der löblichen Gleichheit!

Römische Frühlingsbilder
Adolf Stern von
2. Line Messe im Vatikan und ein Hochamt in Se. Peter

DA^Zäst in allen Erinnerungen und Aufzeichnungen aus Rom,
gleichviel ob sie frühern Jahrhunderten oder frühern Jahrzehnten
angehören, spielen die Schilderungen der Pracht und Macht
großer Kirchenfeste eine große Rolle. Es ist, als ob jeder,
der hohe kirchliche Feiertage und namentlich die Osterwoche in
Rom verlebt hat, von der Stimmung ergriffen worden wäre, in der Mortimer
mit glühendem Erguß an Maria Stuart die Wunder römischen Kirchenpomps
und seiner Bekehrung preist. Und bis heute fahren die Reisehandbücher und
gedruckten Führer fort, getreulich alle Herrlichkeiten zu verzeichnen, mit denen
ehedem Ohr und Auge berauscht wurden, erzählen ans Tag und Stunde, was
geschah, als noch der Papst das Hochamt hielt und die Völker segnete, und
bemerken höchstens in einer Randnote, daß Würde und Prunk der Kirchenfeste
seit 1870 bedeutend gemindert sind, daß vor allen Dingen kein Neugieriger
ans die persönliche Erscheinung des höchsten Kirchenhauptes zu rechnen hat.
Wenn trotzdem um die Osterzeit Rom von Fremden aller Völker überflutet ist,
so tragen dazu die alte Überlieferung, die einfache Thatsache, daß März und
April überhaupt günstige Monate für die ewige Stadt sind, und eine leise vo»
Jahr zu Jahr genährte Hoffnung, daß der heilige Vater einmal wieder ans
der Verborgenheit des ungeheuern Vatikanpalastes hervortreten werde, gleich¬
mäßig bei. In langen Zwischeuräumen, bei außerordentlichen Veranlassungen
erfüllt sich diese Hoffnung einmal; wer jedoch nicht so glücklich ist, einen dieser
seltenen Augenblicke zu treffen, der muß eben ans Rom Weggehen, ohne den


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[0279] Römische Friihlingsbilder Daß die Erklärung der Menschenrechte mich bei dem deutschen Volke Anklang fand, läßt Goethe in Hermann und Dorothea erkennen, wenn er sagt: Denn wer leugnet es Wohl, daß hoch sich das Herz ihm erhoben, Ihm die freiere Brust mit reineren Pulsen geschlagen, Als sich der erste Glanz der neuen Sonne heranhob, Als man hörte vom Rechte der Menschen, das allen gemein sei, Bon der begeisternden Freiheit und von der löblichen Gleichheit! Römische Frühlingsbilder Adolf Stern von 2. Line Messe im Vatikan und ein Hochamt in Se. Peter DA^Zäst in allen Erinnerungen und Aufzeichnungen aus Rom, gleichviel ob sie frühern Jahrhunderten oder frühern Jahrzehnten angehören, spielen die Schilderungen der Pracht und Macht großer Kirchenfeste eine große Rolle. Es ist, als ob jeder, der hohe kirchliche Feiertage und namentlich die Osterwoche in Rom verlebt hat, von der Stimmung ergriffen worden wäre, in der Mortimer mit glühendem Erguß an Maria Stuart die Wunder römischen Kirchenpomps und seiner Bekehrung preist. Und bis heute fahren die Reisehandbücher und gedruckten Führer fort, getreulich alle Herrlichkeiten zu verzeichnen, mit denen ehedem Ohr und Auge berauscht wurden, erzählen ans Tag und Stunde, was geschah, als noch der Papst das Hochamt hielt und die Völker segnete, und bemerken höchstens in einer Randnote, daß Würde und Prunk der Kirchenfeste seit 1870 bedeutend gemindert sind, daß vor allen Dingen kein Neugieriger ans die persönliche Erscheinung des höchsten Kirchenhauptes zu rechnen hat. Wenn trotzdem um die Osterzeit Rom von Fremden aller Völker überflutet ist, so tragen dazu die alte Überlieferung, die einfache Thatsache, daß März und April überhaupt günstige Monate für die ewige Stadt sind, und eine leise vo» Jahr zu Jahr genährte Hoffnung, daß der heilige Vater einmal wieder ans der Verborgenheit des ungeheuern Vatikanpalastes hervortreten werde, gleich¬ mäßig bei. In langen Zwischeuräumen, bei außerordentlichen Veranlassungen erfüllt sich diese Hoffnung einmal; wer jedoch nicht so glücklich ist, einen dieser seltenen Augenblicke zu treffen, der muß eben ans Rom Weggehen, ohne den

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207936/279>, abgerufen am 27.04.2024.